Eine Sonderabgabe auf digitale Umsätze in der EU könnte den Handelskrieg mit den USA anheizen, befürchten Forscher des Münchener Ifo-Instituts. Warum sie vor einer Steuer auf Umsätze von Google & Co. warnen, begründen sie in einer Studie.

München - Das Münchner Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung warnt die EU eindringlich vor der Einführung einer Digitalsteuer. Weil diese in der angedachten Form vor allem US-Unternehmen wie Google oder Amazon treffen und US-Präsident Donald Trump das zurecht als Zoll auffassen würde, sei in einem solchen Fall mit einer Verschärfung des US-europäischen Handelskriegs zu rechnen, fürchtet Ifo-Chef Clemens Fuest. „Das wäre wie Trump, das gleiche Niveau“, kritisierte er die EU-Pläne. In einem Gutachten für die Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern haben seine Wirtschaftsforscher die angedachte EU-Digitalsteuer erstmals genauer unter die Lupe genommen und sie mehr oder weniger in der Luft zerrissen.

 

Die EU diskutiert die Einführung einer solchen Steuer in Höhe von drei Prozent und zwar nicht auf Gewinne sondern Umsätze, die durch Onlinewerbung, den Verkauf von Nutzerdaten und die Bereitstellung von Online-Marktplätzen entstehen. Sie soll nur ab einem Konzernumsatz von 750 Millionen Euro sowie Onlineumsätze ab 50 Millionen Euro erhoben werden. Sollte es so kommen, würden in der EU insgesamt aber nur drei bis vier Milliarden Euro Steueraufkommen erzeugt, was gerade 0,1 Prozent der aktuellen Steuereinnahmen aller EU-Mitglieder entspricht, rechnet Ifo vor. Auf Deutschland würden 500 bis 800 Millionen Euro kommen.

Vergeltungspotenzial wäre ungleich höher

Das Vergeltungspotenzial setzt Fuest ungleich höher an. Kämen die USA zum Beispiel auf die Idee die Umsätze deutscher Autobauer in den USA dann ebenfalls mit drei Prozent zu besteuern, ergäbe das gut drei Milliarden Euro fiskalische Last. Und das sei nur eine Branche und ein Land. „Es ist naiv zu glauben, andere Länder nehmen das hin“, warnt der Ifo-Chef. Was die EU mit einer am Umsatz ansetzenden Digitalsteuer provozieren könnte, sei ein allgemeiner Systemwechsel bei der Unternehmensbesteuerung, der zu Lasten exportorientierter Wirtschaften wie der von EU und Deutschland gehen würde und einem handelspolitischen Bumerang gleichkäme. Die bisher geltenden Regeln internationaler Unternehmensbesteuerung sähen vor, dass Steuern dort gezahlt werden, wo die Produkte entwickelt und produziert, aber nicht wo sie verkauft werden. „Die Digitalsteuer wäre komplett außerhalb geltender Besteuerungsregeln“, betont Fuest.

Büchse der Pandora öffnen

Die Erkenntnis, mit ihr möglicherweise eine Büchse der Pandora zu öffnen, hat offenbar mittlerweile auch schon einige Politiker befallen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz zum Beispielist vor kurzem deutlich von den Digitalsteuerplänen abgerückt. Andere EU-Finanzminister stehen dagegen betont hinter dem Vorhaben der EU-Kommission.

Zu anderen Ergebnissen als diese kommt Ifo auch mit Blick auf das Steuergefälle zwischen Digitalwirtschaft und Güterindustrie. Die Modellrechnung der EU geht davon aus, dass der Steuersatz für die Digitalwirtschaft nur die Hälfte dessen beträgt, was die produzierende Industrie zahlt. Ifo kommt auf ein Verhältnis von 20,0 Prozent durchschnittlicher Steuerlast für Digitalfirmen zu 26,7 Prozent für nicht-digitale Unternehmen. Ein Großteil des Unterschieds sei zudem dem Umstand geschuldet, dass Digitalunternehmen mehr forschen, was aus guten Gründen steuerlich gefördert würde. Bei einer Digitalsteuer würden also an anderer Stelle gewährte Steuervorteile für Forschung wieder einkassiert.

Eine EU-Digitalsteuer sei zudem geeignet, Europa bei der Entwicklung der Digitalwirtschaft international abzukoppeln und digitale Innovationen zu hemmen. Die EU habe sich aber das wirtschaftspolitische Ziel gesetzt, hier vorneweg zu marschieren.

Lieber Steuerschlupflöcher stopfen

Steuervermeidung vor allem großer international agierender Konzerne sei fraglos ein Problem, betonte Fuest. Das sei aber nicht auf die Digitalwirtschaft beschränkt und besser durch andere Instrumente zu bekämpfen. So gebe es in der EU immer noch ausgemachte Steuerschlupflöcher speziell in den Niederlanden oder Irland. Die zu schließen brächte fiskalisch mehr als eine Digitalsteuer und das ohne einen Handelskrieg anzuheizen.

Eingeführt werden kann eine EU-Digitalsteuer nur einstimmig. Das macht Experten skeptisch, dass ein solches Vorhaben gelingt. Auch eine Finanztransaktionssteuer wird auf EU-Ebene seit Jahren bislang folgenlos diskutiert.