Bei einer außerordentlichen Sitzung des Bezirksbeirats Vaihingen äußern Bürger und Anwohner ihre Bedenken zum geplanten Asylbewerberheim an der Möhringer Landstraße. Sie fühlen sich vor vollendete Tatsachen gestellt.

Manteldesk: Sandra Hintermayr (shi)

Vaihingen - Dagmar Eckhardt vom Sozialamt und Axel Wolf vom Amt für Liegenschaften und Wohnen hatten am Montagabend keine leichte Aufgabe: Sie haben im Bezirksbeirat Vaihingen die Pläne für die neuen Flüchtlingsunterkünfte im Stadtgebiet vorgestellt. Ihnen gegenüber saßen Bezirksbeiräte und Anwohner, die die Planungen größtenteils kritisch betrachteten. Elf Standorte sind in der sogenannten Tranche 4 aufgelistet. Einer davon befindet sich an der Möhringer Landstraße. 243 Flüchtlinge sollen dort ab 2017 in drei Systembauten untergebracht werden. Zu viele Menschen auf zu wenig Raum, bemängelten die Anwohner.

 

„Sie erschlagen uns mit dieser Zahl“, sagte eine Bürgerin. Nur rund 50 Hauseigentümer würden im Bereich um die geplante Unterkunft leben, im Gegensatz dazu stünden mehr als 200 Flüchtlinge. Man mache sich Sorgen um das Wohngebiet. Es scheine fast, als würde gewollt eine Art Brennpunkt geschaffen, sagte eine Frau. „Wenn die Flüchtlinge so eng zusammengepfercht sind, wird es Konflikte geben.“ Zwischen den Systembauten seien nur wenige Meter Platz, kaum genug, um etwa einen Spielplatz für die Kinder zu errichten. „Diese Planung kann nur am Reißbrett erfolgt sein“, kritisierte eine Anwohnerin.

Anwohner vermissen Bürgerbeteiligung

Fragen nach den Auswahlkriterien für den Standort wurden laut, ob überhaupt Alternativen geprüft wurden. „Das hier ist die einzige Möglichkeit, zeitlich schnell zu handeln“, erläuterte Wolf. „Wir benötigen jeden einzelnen Platz.“ Deswegen sei es auch nicht möglich, statt drei nur zwei Systembauten aufzustellen. Die Standorte müssen mehrere Kriterien erfüllen: Die Grundstücke müssen eine gewisse Größe haben und nicht zu abgelegen liegen, zudem müsse das Gelände frei verfügbar und genehmigungsfähig sein, um schnell mit dem Bau beginnen zu können, sagte Wolf. An der Möhringer Landstraße seien alle Kriterien erfüllt.

Die Bürger fühlten sich von den Plänen vor den Kopf gestoßen. Man habe sie vor vollendete Tatsachen gestellt, es habe keinerlei Mitspracherecht gegeben. „Wo bleibt denn die Bürgerbeteiligung?“, fragte ein Anwohner. „Wann beginnt die Einbindung der Bürger?“, fragte eine andere Anwohnerin. Man habe erst durch die Presse von den geplanten Standorten erfahren, so der Vorwurf. Man habe sich entschieden, die Bürger erst zu informieren, nachdem die Standortsuche und -prüfung abgeschlossen sind, sagte Eckhardt. Die Mitarbeiter von Sozialamt und Amt für Liegenschaften und Wohnen seien seit Tagen unterwegs, von einer Bezirksbeiratssitzung zur nächsten, um die Pläne vorzustellen.

Flüchtlingsstrom wird nicht abreißen

Der SÖS-Linke-Plus-Sprecher Gerhard Wick bemängelte das Vorgehen der Stadt bei der Suche nach Grundstücken. Man wisse schon längst, dass mehr Flüchtlinge untergebracht werden müssten, und dennoch verkaufe man haufenweise geeignete Grundstücke und Gebäude. Die Unterbringung sei alles andere als dezentral, merkte ein Bürger an. Die Unterkünfte am Lautlinger Weg und an der Kupferstraße seien nur wenige hundert Meter entfernt. „Über 500 Flüchtlinge sind da in unmittelbarer Nähe, das ist eine richtige Clusterbildung“, bestätigte der CDU-Sprecher Ulrich Bayer. Zudem sei die Nahversorgung im Wohngebiet nicht gegeben.

Bei aller Kritik war man sich sowohl im Bezirksbeirat als auch in der Anwohnerschaft einig, dass man das Schicksal der Menschen nicht aus den Augen verlieren dürfe. Die meisten Asylbewerber hätten ihre Heimat nicht freiwillig verlassen und man müsse schauen, wie man ihnen helfen könne. Der Flüchtlingsstrom werde in nächster Zeit nicht abreißen. Auch mit dem Bau der neuen Standorte in Tranche 4 fehlen laut Wolf bis Ende 2016 noch immer 2000 Plätze für Flüchtlinge. Weitere Tranchen sind daher bereits im Gespräch.

Gemeinderat beschließt Standorte

Der vorliegende Antrag, drei Systembauten an der Möhringer Landstraße zu errichten, wurde im Bezirksbeirat mehrheitlich abgelehnt. Die Fraktionen von Bündnis 90/Die Grünen und SÖS-Linke-Plus stellten den Antrag, an der Möhringer Landstraße nur zwei Systembauten zu errichten und einen weiteren Standort zur Unterbringung zu suchen. Dieser Antrag wurde bei sieben Ja-Stimmen und sieben Enthaltungen angenommen. Ein weiterer Antrag von Kristin Wedekind (Grüne), das Amt für Liegenschaften und Wohnen solle dem Bezirksbeirat seine Kriterien für die nächsten Standorte in der Tranche 5 darlegen, wurde einstimmig beschlossen. Der Stuttgarter Gemeinderat beschließt die elf Standorte zur Flüchtlingsunterbringung in Tranche 4 am morgigen Donnerstag.