Im Kreis Böblingen sind mehr Schüler für die Eingangsklassen angemeldet als im Vorjahr. Dennoch plant die Landesregierung den Abbau von Lehrerstellen.

Landkreis - Sein Referendariat an einem Gymnasium im Kreis Böblingen läuft Ende Juli aus. Wie es danach für ihn weiter geht, weiß der 27 Jahre alte Lehrer in spe, der namentlich nicht genannt werden möchte, noch nicht. Im Listenverfahren hat er noch keine Stelle ergattern können, nun hofft er auf das Nachrückverfahren, dessen Bewerbungsfrist am Montag abgelaufen ist. Wie dem 27-Jährigen geht es zurzeit den meisten der rund 6100 Bewerber im Land, für die an den allgemeinbildenden Schulen lediglich 2651 Stellen zur Verfügung stehen. Und nächstes Jahr droht ein weiterer Sparkurs, den der Rechnungshof nun gefordert hat. „Die Stellensituation ist bisher nicht gut gewesen, sie würde damit auch bei uns im Landkreis noch schlechter werden“, sagt Michael Kuckenburg, Lehrer am Goldberg-Gymnasium in Sindelfingen.

 

Farina Semler vom Böblinger Kreisvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) nennt konkrete Zahlen. Laut einer Umfrage an den Schulen im Land seien im vergangenen November an den Gymnasien während einer Woche 3,8 Prozent der Unterrichtsstunden wegen erkrankter Lehrer ausgefallen. Gleichzeitig würden die Lehrer einen Berg von Überstunden vor sich herschieben, weil sie immer wieder wegen fehlender Kollegen einspringen müssten, so Semler. Insgesamt sind zuletzt an den Gymnasien binnen eines Jahres insgesamt 1400 Lehrerdeputate an Mehrarbeit aufgelaufen. Außerdem fehlten nach den Angaben Semlers landesweit 190 Lehrkräfte mit insgesamt 150 Deputaten, die wegen ihrer Erkrankung in der Regel länger als sechs Wochen nicht unterrichten konnten. Zahlen für den Landkreis liegen der GEW jedoch nicht vor. „Wenn die Herbstferien beginnen, gibt es im Schuljahr zumeist die ersten Ausfälle. Dann herrscht ein Mangel an Lehrkräften“, kritisiert der Böblinger GEW-Vorstand.

„Wir sind von der grün-roten Landesregierung enttäuscht“, sagt Kuckenburg, „statt neue Stellen zu schaffen, sollen jetzt Stellen gestrichen werden.“ Von dem proklamierten „Bildungsaufbruch“ könne also keine Rede sein. Wenn zurzeit von sinkenden Schülerzahlen ausgegangen werde, sei das für die Eingangsklassen an den Gymnasien im Kreis eine irrige Annahme, erklärt der Pressesprecher des Regierungspräsidiums, Clemens Homoth-Kuhs. Für das kommende Schuljahr sind 1639 Schüler angemeldet, im vergangenen Jahr waren es 132 Schüler weniger. „Wir werden bei der Lehrerversorgung die örtliche Entwicklung der Schülerzahlen berücksichtigen“, versichert ein Sprecher des Kultusministeriums. Bis zum Jahr 2020 sollen aber 11 600 Stellen an den allgemeinbildenden Schulen gestrichen werden. „Wenn Stunden ausfallen, möchte kein Lehrer die Schüler hängen lassen. Dann muss fachfremd unterrichtet werden“, sagt Kuckenburg. Zur Entlastung werden mitunter aber Pädagogen als Krankheitsvertreter zugeteilt, die landesweit eingesetzt werden.

Als eine solche Krankheitsreserve arbeitet auch eine 29 Jahre alte Pädagogin an einem Gymnasium im Kreis Böblingen, „Ich bin darauf angewiesen, dass jemand länger krank wird“, sagt die 29-Jährige, die Deutsch, Geschichte und Religion unterrichtet. Ihr Vertrag läuft zum Ende des Schuljahres aus. Dann droht auch sie, auf der Straße zu stehen. „Ich hoffe, endlich eine feste Anstellung zu bekommen“, sagt sie. Das häufige Umziehen hat sie satt. Vor ihrer jetzigen Gymnasialstelle hat sie im Kreis Ludwigsburg unterrichtet. „Ich habe beim letzten Mal innerhalb von zwei Wochen die Schule gewechselt und eine Wohnung suchen müssen“, berichtet die 29-Jährige. Und weil das an dem neuen Schulort nicht so rasch gegangen sei, habe sie erst einmal eine Woche in einem Gasthaus logiert. „Eine gute Personalpolitik für die Schulen sieht anders aus“, meint der Gymnasiallehrer Kuckenburg. „Diese Arbeitsbedingungen sind für die jungen Kollegen geradezu erniedrigend.“