Das Ringen um den Standort für ein SSB-Depot in Stuttgart-Weilimdorf ist in vielerlei Hinsicht beispielhaft, meint unser Autor Georg Lisenmann.

Weilimdorf - Alle wissen es: Die Stadt erstickt am Individualverkehr, jeder flucht über die tägliche Überportion an Stau auf den Straßen. „Mehr Schiene“, mehr Straßenbahn soll Abhilfe schaffen. Ein Ausbau, der ohne einen weiteren Betriebshof für die Züge unmöglich ist. Und dieses Depot soll ausgerechnet nach Weilimdorf kommen und mehr als vier Hektar beste Ackerfläche fressen? Als der Plan im Januar auf den Tisch kam, saß der Bezirksbeirat in der Falle: Anderswo geht es nicht, wegen fehlender Flächen. Mehr Schiene abzulehnen, geht aber auch nicht. Auch hier will man ja mehr Straßenbahn!

 

Aus dieser Falle gibt es keinen Ausweg, das wurde sofort akzeptiert: zähneknirschend und mit „Bauchschmerzen“. Was dann aber in Gange kam, ist ein Meisterstück an Bürgerengagement und kommunaler Mitwirkung vor Ort. Denn als der durchgeplante Vorschlag „Flachter Straße“ in einer Bürgerversammlung heiß diskutiert wurde, kamen vom Bezirksbeirat sieben alternative Vorschläge! Und alles schien auf die Variante „Motorstraße-Süd“ zuzulaufen. Nach neuerlicher, intensiver Diskussion brachte das Gremium dann aber „Südlich B295“ ins Spiel. Wieder schien „die Lösung“ gefunden, zumal nun die Anbindung von Hausen lockte. Die Bauchschmerzen aber blieben, ein anderer Landwirt hatte schlaflose Nächte. Und wieder wurde gerungen und „Optimierung“ gefordert. Mit Erfolg! Mit einem Standort, der fast rundum akzeptiert wird: „Bei Ditzingen-Ost“, am Rande der Gemarkung.

Arbeit der Bezirksbeiräte wird oft belächelt

Ihr dürft ja nichts entscheiden, Ihr dürft ja nur Vorschläge machen! So wird die Arbeit der Bezirksbeiräte oft belächelt und relativiert. Hier aber haben sie gezeigt, wie oberflächlich diese Sicht auf ihr Ehrenamt (!) ist: Als die „Experten vor Ort“ hatten sie das Stadtganze im Blick, daneben aber eminent gerackert, gearbeitet und gekämpft. So wurde nicht nur die „erträglichste Lösung“ errungen – sondern mit dem Anschluss von Hausen auch ein Mehrwert, von dem der ganze Stadtbezirk profitieren kann. Es ist ein Sieg der Hartnäckigkeit – und der besseren Argumente. Dazu gehört eine Gegenpartei, die das respektiert. Beispielhaft, wie Volker Christiani von der SSB die Vorschläge aufnahm und dann planerisch durchspielen ließ! Er hat mit offenen Karten gespielt, diskutiert und auch Klartext gesprochen, wenn ihm etwas „unrealistisch“ erschien. Und sei es aus wirtschaftlichen Gründe, wie der Vorschlag „Straßenäcker“.

Wenn sonst in der Politik das Grobe nach vorne drängt, dann wurde hier gezeigt: Es geht anders. Kontrovers – und doch kultiviert. Ein Schulbuchbeispiel für ganze Schulklassen: Darüber, wie Demokratie geht. Wie lohnend die mühsame Klärung von schwierigen Fragen ist samt einem Kompromiss als Zielpunkt, denn auch die SSB hat nicht ihr Maximum bekommen.

Auch die Stadtverwaltung, Ämter und andere Institutionen können sich ein Scheibchen abschneiden von diesem vorbildlichen Entscheidungsprozess: Wenn die Bürgerschaft nicht nur zum Abnicken pro forma beteiligt, sondern rechtzeitig ins Boot geholt wird, kann nicht nur ein breiter Konsens, sondern sogar die bessere Lösung gefunden werden. Alle haben dazu einen Beitrag geleistet, den größten aber die Bezirksbeiräte: Das waren echte Sternstunden der Kommunalpolitik!