Den Handels- und Gewerbeverein im Gerberviertel bewegt weit mehr als Handel und Gewerbe. Hannes Wolf soll die Anliegen als Manager voranbringen soll.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

S-Mitte - Advent, Advent – das erste sichtbare Ergebnis der Arbeit von Hannes Wolf wird über das Gerberviertel hinaus wohl wenig Strahlkraft erreichen. Es ist ein Adventskalender, hinter dessen Türchen sich Rabatte oder kleine Geschenke der Geschäfte im Quartier verbergen. 3000 Stück liegen in den Läden aus.

 

Nach ein paar Wochen darf selbstredend niemand erwarten, dass ein Mann Revolutionäres bewegt, der nicht nur neu im Amt ist, sondern sogar neu in der Stadt. Wolf ist als Quartiersmanager eingestellt, was in etwa dem Amt eines Förderers der lokalen Wirtschaft entspricht. Allerdings zahlt sein Gehalt nicht die städtische Wirtschaftsförderung. Das Einkaufszentrum Gerber und der Gerberviertelverein leisten sich einen hauptamtlichen Interessenvertreter vorwiegend der örtlichen Selbstständigen, denn der Verein ist faktisch ein HGV, ein Handels- und Gewerbeverein.

Zuletzt arbeitete Wolf in Feldkirch

Wolfs Geburtsort ist Dresden, zuletzt arbeitete er in Feldkirch als Chef des dortigen Stadtmarketings. Inzwischen lebt er in Heslach. Sein Schreibtisch steht in der Rechtsanwaltskanzlei Bürkle und Partner. Deren Chef Peter Bürkle hat dem Quartiersmanager Unterschlupf gewährt, weil er sich selbst seit Jahren ums Vorankommen des Gerberviertels bemüht.

Dort sitzt der Mann, der den Manager im Titel trägt, in Jeans und Pullover und erzählt von seinen ersten Schritten zum Ziel, „die Aktivitäten des Vereins zu intensivieren“. Bis dahin ist der Weg allerdings noch weit, nicht nur, weil Wolf eben erst seit 1. Oktober im Amt ist, sondern schlicht, weil die bisher einzige gemeinsame Aktivität das alljährliche Gerberviertelfest war. Das wurde eigentlich nur erdacht, um das Ende der quälend langen Umbauarbeiten im Viertel zu feiern, aber weil es gefiel, ist es erhalten geblieben.

Bisher war der Quartiersmanager damit beschäftigt, das Quartier, seine Umgebung und seine Bewohner kennenzulernen, vor allem die Vereinsmitglieder, außerdem ein paar erste Kontakte ins Rathaus zu knüpfen. „Das Gerberviertel ist ein Solitär“, sagt er, „hier bildet sich noch das gesamte städtische Leben ab.“ Das ist fraglos richtig.

Wer im Gerberviertel wohnt, muss den Kiez nicht verlassen

Wer im schmalen Viereck zwischen Bundes-, Marien-, Torstraße und Paulinenbrücke wohnt, muss seinen Kiez im Grunde nicht verlassen. Vom Hosenknopf bis zum Kinobesuch ist hier alles zu bekommen. Davon abgesehen ist das Wohnen im Gerberviertel vergleichsweise unbelastet. Anders als im Hospitalviertel strömen die Massenwanderungen des Nachtlebens vorbei. Anders als im Leonhardsviertel gibt es kein Rotlichtmilieu. Anders als im Bohnenviertel ist der Einzelhandel ebenso intakt wie die Gastronomie. Hier steht der Chef noch selbst hinter der Ladenkasse oder Restauranttheke. Die Frage ist eben, wie Wolf diese Botschaft so verbreiten will, dass mehr Publikum gelockt wird – vor allem selbstredend Kundschaft.

Zunächst will er schlicht mehr Mitglieder werben. Die müssen nicht aus dem Quartier kommen. Sie müssen nicht einmal selbstständig arbeiten. Wer im Gerberviertel einfach wohnt, ist ebenso willkommen. Im nächsten Jahr soll eine Veranstaltungsreihe beginnen, Gerbervierteldialog getauft. Die Themen sind erst vage bestimmt, fest steht aber, dass nicht nur Vereinsmitglieder sie besuchen können, sondern jeder, der sich interessiert.

Die üblichen Anliegen eines HGV sind der Parkplatz für die Kunden vor der Tür und der zählbare Nutzen von Geld, das in der Kasse klingelt. Der Gerberviertelverein buchstabiert sich eher als Verein für Handel, Gewerbe und Verschönerung. Die Kulturförderung steht in der Satzung. Das Problem mit den Falschparkern auf der Tübinger Straße zu erledigen, gehört zu den Absichten, genauso wie eine bessere Beleuchtung oder die verkehrsberuhigte Zone des sogenannten Shared Space zu dem zu wandeln, was der Urabsicht entspricht.

Die Paulinenbrücke zu begrünen, ist eins der Vorhaben, die Wolf „zunächst eine Spinnerei“ nennt. Allerdings ist diese Spinnerei auf Plänen zu besichtigen. Die stammen vom Designbüro Officium, das sich mit der Gestaltung von Fassaden beschäftigt. Ob der Designervorschlag zum Vereinsvorschlag erhoben wird, soll auf einer der nächsten Sitzungen entschieden werden. Er wird wohl, denn „aus meiner Sicht herrscht Aufbruchstimmung“, sagt Wolf, „und alle wollen in dieselbe Richtung“. Er ist nun eben derjenige, der vorangehen soll.