Innerhalb und außerhalb des VfB Stuttgart wächst der Widerstand gegen den Vereinspräsidenten Gerd Mäuser. „Mäuser raus“, heißt es im Stadion – und schon werden potenzielle Nachfolger gehandelt.

Stuttgart - Es gibt eine Geschichte über Gerd Mäuser, die viel über den Präsidenten des VfB Stuttgart aussagt. Sie ereignete sich vor einigen Jahren, als Mäuser noch Marketingchef bei Porsche war. Der Sportwagenhersteller hatte zu einer Edelpräsentation nach Dubai geladen. Denn das Emirat galt damals schon als exklusiv, war aber als Land noch weitgehend unbekannt. Nach einer knapp 20-stündigen Odyssee landete der etwa 30-köpfige Reisetross schließlich am Persischen Golf und war vor allem eines: gestresst und genervt.

 

Als die geladenen Werbefachleute und Journalisten später mit dem nachgereisten Mäuser zusammentrafen, da fläzte sich dieser in einen Luxussessel und erzählte stolz: „Ich war in sechs Stunden hier. Direktflug! Alles kein Problem.“ Und die Botschaft, die mitschwang, lautete: Ich bin hier der Boss und weiß, wie man am schnellsten ans Ziel kommt.

Die Abteilung Öffentlichkeitsarbeit hatte anschließend alle Hände voll zu tun, um die Stimmung wieder aufzuhellen, das Unternehmen in einem guten Licht erscheinen zu lassen und auch Mäusers Ruf zu retten. Dessen unsensible Art des Auftretens hat sich seither nicht grundlegend geändert. Seit Sommer 2011 sitzt er auf dem Präsidentenstuhl des VfB Stuttgart, und auch hier haben die Medien- und Marketingabteilungen schon einiges ausbügeln müssen.

Auch die Sponsoren sind irritiert

Dabei erscheint es schon merkwürdig, dass sich die VfB-Mitglieder zwar einen PR-Experten an die Spitze gewählt haben, dieser den Verein für Bewegungsspiele aber keineswegs gekonnt nach außen vertritt. Weder bei den Fans noch den Sponsoren oder der Deutschen Fußball-Liga (DFL). So fühlten sich schon nach kurzer Zeit Sponsorenvertreter durch Mäusers barsche Art brüskiert und baten darum, lieber den Manager Fredi Bobic zu Repräsentationsterminen zu schicken. Bei der DFL wunderten sich Spitzenfunktionäre nicht nur bei der Suche nach geeigneten Spielterminen über das unwissend-forsche Gebaren des VfB-Chefs. Und die Fanvertreter wenden sich nach den vielen herrischen Tönen bei Gesprächen mit Mäuser ohnehin nur noch ab.

Auch die Schmähchöre auf den Rängen des Stuttgarter Stadions werden immer lauter. Mäuser wird dabei als derjenige ausgemacht, der durch eine rigide Sparpolitik den VfB in die Mittelmäßigkeit treibt. Dabei wird allerdings übersehen, dass der Präsident nicht besonders viel mit Quer- und Fehlpässen zu tun hat. Ebenso wenig ist ihm vorzuwerfen, dass er nichts für den VfB tue. Mäuser arbeitet viel. Doch die Fans meinen zu spüren, dass der 55-jährige Nachfolger von Erwin Staudt den Club nicht wirklich liebt; dass ihr Vorturner zwar fleißig ist, die meisten Themen aber emotionslos angeht und nur anhand von Excel-Tabellen abarbeitet.

Mäuser emanzipiert sich nicht von Hundt

In einem Geschäft mit reichlich Gefühlen kann sich diese Vorgehensweise zu einem Riesenproblem auswachsen. Zumal, wenn der Betroffene nicht als eigenständiger Kopf wahrgenommen wird, sondern nur als der Erfüllungsgehilfe des Aufsichtsratschefs Dieter Hundt. Noch immer führt der kürzeste VfB-Draht vom Chefbüro in der Mercedesstraße zur grauen Eminenz nach Uhingen.

In fast zwei Jahren hat es Mäuser nicht geschafft, sich von Hundt zu emanzipieren oder sich gar ein eigenes Profil zu geben. Von einer zukunftsweisenden Strategie für den VfB, das eigentliche Kerngeschäft des Vorstands, wollen sie im Moment nicht einmal mehr intern etwas wissen. So sollen sich Mitarbeiter mit eigenen Ideen zurückhalten, weil sie ansonsten Mäuser als seine eigenen ausgeben könnte. Von Stillstand, von einer bleiernen Zeit beim VfB ist deshalb die Rede.

Von Gegnern umringt

Wie zäher Nebel hängt diese destruktive Atmosphäre über dem Stuttgarter Clubzentrum mit dem roten Dach – und es verdichten sich die Anzeichen, dass es sich bei Mäuser um einen Präsidenten auf Abruf handelt. Bis vor Kurzem haben die Fehlentwicklungen den Amtsinhaber jedoch nicht angefochten. Die „Vorstand raus“-Rufe hörte Mäuser zwar, verstand sie aber nicht wirklich – und ordnete sie unter der Rubrik „viel Feind, viel Ehr“ ein.

Mittlerweile ist es allerdings so, dass sich Mäuser fast nur noch von Gegnern umringt wähnen muss. Denn nicht nur außen bei der Anhängerschaft regt sich Widerstand, sondern immer stärker auch innerhalb des Vereins. Mit der Folge, dass Mäuser zunehmend nervös wirkt. Er poltert nicht mehr ganz so häufig durch die Büros. Und wenn, dann schickt er am Ende eines Mitarbeitergesprächs vorsichtshalber ein joviales „No hard feelings“ hinterher. Nichts für ungut.

Nachfolgekandidaten werden bereits gehandelt

Trotz moderaterer Töne könnte es zu spät für eine Kehrtwende sein. Am 22. Juli steht die nächste Mitgliederversammlung beim VfB an, bei der ein Minus von etwa zehn Millionen Euro vorgelegt werden muss. Ein unangenehmer Auftritt für die drei von der Sparstelle. Schließlich haben Gerd Mäuser, Dieter Hundt und auch der Finanzchef Ulrich Ruf schwarze Zahlen zur obersten Handlungsmaxime erhoben. Kritisch ist die Finanzlage des VfB aber keineswegs, da der Club liquide ist.

In der Hauptversammlung könnte es auch um die Neubesetzung der Führungsposten gehen, obwohl gar keine Wahlen auf dem Programm stehen. Es ist zu hören, dass Hundt bereits nach einem Mäuser-Nachfolger Ausschau hält – zwei Jahre bevor dessen Amtsperiode offiziell ausläuft. Und schon wird rund um den Wasen auch über potenzielle Kandidaten spekuliert: der frühere VfB-Kapitän Hermann Ohlicher zum Beispiel und der S-21-Sprecher Wolfgang Dietrich sind im Gespräch. Auch Gedankenspiele über eine neue Führungsstruktur mit einem starken Vorstandsvorsitzenden machen die Runde. Klar ist, dass der VfB neue Geldquellen benötigt. Denn ohne lässt sich der Kader nicht verstärken – was auf der Mitgliederversammlung 2013 zu einer Abrechnung führen könnte.

Vor der Mitgliederversammlung 2011 hat der prominente Fußballanwalt Christoph Schickhardt die VfB-Mitglieder schriftlich ermuntert, Gerd Mäuser zu wählen. „Das würde ich nicht mehr machen“, sagt Schickhardt heute.