Gerhard Ammon ist seit sieben Jahren Geschäftsführer der Stadtwerke Fellbach.
Herr Ammon, wie hat sich in den vergangenen Jahren die Nachfrage nach E-Mobilität allgemein sowie in der Stadt Fellbach entwickelt?
Inzwischen haben nahezu alle Fahrzeughersteller elektrisch betriebene Fahrzeuge im Angebot, und wir sehen, dass diese ihr elektrisches Portfolio zügig erweitern. Das Ziel ist unmissverständlich: Ab 2035 dürfen in Deutschland keine Fahrzeuge mehr zugelassen werden, die Schadstoffe emittieren. Die Zulassungszahlen und Marktanteile der Elektromobile steigen, das nehmen wir auch im Stadtbild von Fellbach wahr. Daraus entsteht eine Nachfrage nach Ladelösungen im öffentlichen, gewerblichen und privaten Bereich. An unseren Ladesäulen haben sich die Lademengen zuletzt jährlich verdoppelt. Während 2020 noch rund 20 000 Kilowattstunden (kWh) an unseren damals vier Standorten, beziehungsweise acht Ladepunkten geladen wurden, erwarten wir dieses Jahr eine Lademenge von 180 000 bis 200 000 kWh an unseren heutigen zehn Standorten mit insgesamt 20 Ladepunkten.
Wie kommen die Stadtwerke dieser Nachfrage nach?
Im öffentlichen Bereich planen wir den kontinuierlichen Ausbau von Normal- und Schnellladestationen. Unsere Intention ist, den Menschen in Fellbach dort Ladeinfrastruktur anzubieten, wo sie sich ohnehin aufhalten und das Aufladen des Fahrzeuges nebenher erledigt werden kann. Wir versuchen, der steigenden Nachfrage zuvorzukommen, allerdings können die Projektzeiten auch mal sechs bis zwölf Monate oder mehr betragen. Die starke Varianz liegt an teilweise langen Lieferzeiten, langen Rückmeldezeiten von Förderanträgen und den Förderkriterien, die oftmals besagen, dass das Projekt erst nach der Förderzusage begonnen werden darf. Hinzu kommen ein hoher Abstimmungsbedarf auf öffentlichem Grund mit der Stadtverwaltung oder Vertragsverhandlungen mit Grundstückseigentümern, wenn Ladestationen auf privatem Grund errichtet werden sollen. Im gewerblichen und privaten Bereich sind spezifische Konzepte nötig, um allen Interessenten das Laden kosteneffizient zu ermöglichen. Unsere Angebote reichen vom Einfamilienhaus bis zum Gewerbeobjekt oder Mehrfamilienhaus.
Wie viele Schnellladestationen gibt es in der Stadt?
In Fellbach gibt es aktuell fünf Standorte, an denen Schnellladestationen verfügbar sind. An zwei Standorten, am Guntram-Palm-Platz und in Oeffingen vor dem Rewe-Markt, stehen Schnellladestationen von den Stadtwerken Fellbach. Wir planen an weiteren Standorten Schnellladestationen zu errichten.
Wie kann man dort sein Auto „tanken“?
Die Ladesäulen der Stadtwerke Fellbach können grundsätzlich von allen genutzt werden, die zumindest über ein App-fähiges Handy (ad-hoc Laden) oder einen Vertrag mit einem Ladestromanbieter verfügen. Am preisgünstigsten kann mit dem Ladestromtarif der SWF und unserem Ladechip geladen werden, vor allem dann, wenn Ladekunden auch Strom-, Gas- oder Fernwärmekunde bei den SWF sind. Unsere Ladesäulen sind mit dem Intercharge-Netzwerk der Hubject GmbH, dem größten internationalen eRoaming-Netzwerk der Welt, verbunden. Dadurch können alle Mitglieder untereinander die Ladesäulen in 56 Ländern an über 500 000 Ladepunkten nutzen.
Wünschenswert wäre sicher ein dichtes Netz an Schnellladestationen ähnlich des Tankstellennetzes der Erdölkonzerne. Werden diese die Aufgabe, die momentan vor allem von den Kommunen wahrgenommen wird, in naher Zukunft übernehmen?
Ich bin zuversichtlich, dass sich das bestehende Ladenetzwerk weiter verdichten wird, sodass die Nachfrage bedient werden kann. Was vor zehn Jahren noch visionär war, ist heute eine Selbstverständlichkeit. Sie können mit dem E-Auto durch fast ganz Europa fahren und finden immer genügend Lademöglichkeiten. Eine gute Vorausplanung ist sicher sinnvoll, aber auch das leisten viele Navigationssysteme heute bereits. Die Kommunen betreiben in der Regel keine eigenen Ladestationen, sie stellen lediglich den Platz im öffentlichen Raum dafür bereit. Ein Wechsel der Energiequelle von fossilem Brennstoff auf Strom bringt es mit sich, dass sich für Unternehmen wie Energieversorger neue Geschäftsfelder auftun und Erdölkonzerne sowie alle in der Prozesskette Beteiligten sich neu erfinden müssen. Es ist sinnvoll, dass sich das Angebot von Ladestationen auf viele Schultern verteilt, weil jeder Anbieter eigene Segmente bedienen kann und damit ein sehr vielfältiges Angebot entsteht.
Jede Kommune kocht in Sachen Schnellladestationen mehr oder weniger ihr eigenes Süppchen – oder gibt es da Absprachen untereinander?
Die Kommunen selbst sind oft gar nicht so aktiv in dem Bereich, sondern eher die lokalen oder (über-)regionalen Versorger. Zu verschiedenen Themen pflegen wir Kontakt zu anderen Kommunen und Stadtwerken. Das kann bilateral oder über Netzwerke wie die ASEW sein. Der Erfahrungsaustausch ist für uns wertvoll, da die Planung und der Ausbau von Ladeinfrastruktur im Detail komplex sind.
Wie sieht Ihre persönliche Vision künftiger individueller (E-)Mobilität aus?
In meiner Vision können die Menschen in Zukunft zwischen verschiedenen Mobilitätsangeboten wählen. Platz-, kosten- und ressourcenschonende Angebote, dazu gehört auch der ÖPNV, sind derart attraktiv gestaltet und bereitgestellt, dass der Individualverkehr zwar uneingeschränkt möglich ist, sich aber aufgrund der attraktiven Alternativen häufig als die letzte Wahl erweist. Meine Vision geht noch einen Schritt weiter: Wünschenswert wäre es, wenn Mobilität unabhängig von Wohnort und Einkommen stattfinden kann. Ganz persönlich bin ich seit Jahren fast ausschließlich elektrisch unterwegs, vor allem mit dem ÖPNV, aber auch mit dem E-Auto, dem E-Roller oder dem E-Bike.
Gerhard Ammon
Person
Der 57-jährige Vater zweier Kinder stammt aus Markgröningen im Landkreis Ludwigsburg.
Beruf
Ammon ist bereits seit 1995 in Diensten der Stadt Fellbach tätig, damals war er als Umweltingenieur mit der Aufgabe eingestellt worden, die CO2-Bilanz der Stadtverwaltung zu verbessern. Im Jahr 2000 wurde er bei den Stadtwerken zum Technik-Chef berufen, seit 2016 ist er dort der alleinige Geschäftsführer.