Seit 40 Jahren stehen Gerhard Polt und die Well-Brüder gemeinsam auf der Bühne. Das Jubiläum haben sie im ausverkauften Stuttgarter Theaterhaus gefeiert.

Mit verschränkten Armen, zurückgelehnt, sitzt er da und lauscht, die Augen gerade hinter der blitzenden Brille, ein grauer Haarschopf, eine graue Trachtenjacke, klobige Sneakers. Plötzlich setzt die Musik aus, und er springt auf, tritt zielstrebig ans Mikrofon, stößt einen knappen Jodler hervor, hockt sich wieder hin, und es geht weiter, mit Akkordeon, Trompete, Flöte.

 

Polt schlüpft auch in vertraute Charakterrollen

Gerhard Polt ist in Stuttgart, am Dienstagabend, kein Platz bleibt frei im Theaterhaus. Die Well-Brüder sind bei ihm, Christoph, Michael und Karl Well. Michael und Christoph, vormals Biermösl Blosn, stehen schon seit 40 Jahren mit Polt auf der Bühne – ein Grund zu feiern, ein Jubiläum.

Neuere Einsichten vermischen sich mit älteren, man begegnet Ger hard Polt auch in vertrauten Charakterrollen. Vor allem aber erlebt man ein unvergleichliches Wechselspiel zwischen Stubenmusik, Weltbetrachtung und sehr bayrischer Philosophie: Die schrulligen, verbohrten, cholerischen Figuren, die Polt in seinen Monologen auf die Bühne zaubert, die Volksmusik, die ihm skurrile Antwort gibt, mal zart, mal ziemlich kratzig. Auch Harfe, Tuba, Flöte, Geige, Drehleier kommen hinzu, und freilich: Auch die Well-Brüder haben etwas zu sagen.

Ministranten, die auch schon Bestattungsmusik gespielt haben

Sie haben schon als Kinder Bestattungsmusik gespielt. Aber sie waren auch Ministranten. Deshalb können sie nun berichten von katholischen Zeitarbeitsfirmen, die einspringen, wenn es an Pfarrern mangelt. Zum Harfenklang psalmodieren sie die Leiden des bayrischen Volkes unterm Lockdown: „Am Ende der Tag wird nicht kommen die vierte Welle und auch nicht die fünfte oder sechste Welle – es wird kommen die Dauerwelle!“

Gerhard Polt derweil beschäftigt sich mit dem Menschen, im Allgemeinen und als Nachbar. Der ist ihm nicht geheuer, vor allem, wenn er sich schnäuzt, im nachbarlichen Garten: „Ein Nasenloch zu und rotzt umeinander, weißt, so vulgär. Büchse der Pandora, hab i gschrien. Virenschleuder, dreckige, hab i gsagt!“

Bayrische Schimpfwörter – schmutzig erlesen, geradezu poetisch

Man muss die Ohren schon spitzen, um Gerhard Polt zu folgen, in die entlegensten Winkel des bayrischen Dialekts, in denen man dann nicht selten Schimpfwörtern begegnet, schmutzig erlesen, geradezu poetisch. Und die Well-Brüder singen ein Medley alter Melodien, modernisiert wie das Gesundheitswesen: „Wochenend im Altersheim“ – „Veronika, der Arzt ist da!“

Im Stuttgarter Theaterhaus waren Gerhard Polt und die Well-Brüder oft schon zu Gast. Sie wissen, dass ein Stau auf dem Pragsattel fast so schön ist wie einer auf der B 10; sie entrichten dem Oberbürgermeister ihren gereimten Gruß. Sie singen: „Aus Erfahrung gut heißt AEG und ein Atomkraftwerk, das ist ein AKW. Zum Alphabet, da sagt ma Abc, und Asyl für Deppen, das heißt AfD!“ Tosender Applaus, vermischt mit Gelächter. Noch einen: „Manche Frau, die hat Hoor auf die Zäh, des liegt in dera Natur, aber bei der Alice Weidel hat a jeder Zahn – eine eigene Frisur!“ Bei so viel Politik muss es den Bayern ins Wirtshaus ziehen. Erst aber spricht Gerhard Polt noch ein wenig Chinesisch. Dann erklärt er den Stuttgartern die Gemütlichkeit.