Als begnadeten Wissenschaftler und künftigen Nobelpreisträger: So sahen viele den Physiker Jan Hendrik Schön. Doch nun soll er ein Fälscher sein.

Mannheim - Fast reihenweise gab es in den vergangen Monaten in der Folge der Affäre über Karl Theodor zu Guttenberg Zweifel am rechtmäßigen Erwerb von wissenschaftlichen Titeln. Dem CDU-Politiker wurde sein Doktorgrad ebenso entzogen wie der FDP-Vertreterin Silvana Koch-Mehrin. In diesen wie in etlichen anderen Fällen ging es um den Vorwurf des wissenschaftlichen Fehlverhaltens in den Dissertationen selbst.

 

Etwas anders liegt der Fall des Physikers Jan Hendrik Schön. Der Naturwissenschaftler hatte 1997 an der Universität Konstanz einen Doktortitel erworben. Ein Jahr später war er in die USA gegangen. Vier Jahre lang war er dort an einer Forschungseinrichtung tätig. Er war an mehr als 70 Forschungsarbeiten beteiligt, die teilweise als bahnbrechend gewürdigt wurden. Der Nachwuchswissenschaftler wurde hochgehandelt, galt einigen gar schon als ein kommender Nobelpreisträger. Inzwischen, heißt es an seiner früheren Universität, gelte er in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft als einer der größten Fälscher schlechthin.

Kommission eingesetzt

Nach ersten Hinweisen auf Manipulationen hatte die amerikanische Forschungseinrichtung 2002 eine Kommission eingesetzt, die in 16 von 24 Veröffentlichungen eindeutige Verstöße feststellte. Schön hatte nach den Ergebnissen der Prüfung Daten manipuliert, ersetzt, "künstlich erzeugt" und manche offenbar regelrecht erfunden. Er und die übrigen Beteiligten mussten die Arbeiten zurückziehen.

Im Anschluss daran befasste sich auch die Universität Konstanz mit den Vorwürfen gegen ihren Absolventen und nahm Schöns dort entstandene Arbeiten, vor allem seine Dissertation, noch einmal unter die Lupe. Die Prüfer entdeckten dabei zwar einige "handwerkliche Fehler", aber kein wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne bewusster Manipulationen. Dennoch entschied der Promotionsausschuss 2004, Schön den Doktortitel nachträglich abzuerkennen. Sein späteres Fehlverhalten sei in der deutschen Wissenschaftsgeschichte bisher beispiellos, stellte er fest.

Paragraf 35 des Landeshochschulgesetzes

Bei der Aberkennung des Titels berief sich die Universität auf den Paragrafen 35 des Landeshochschulgesetzes. Er sieht vor, dass ein von einer baden-württembergischen Hochschule verliehener Grad entzogen werden kann, "wenn sich der Inhaberdurch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat". Ob dies im Fall von Schön zutrifft, darüber verhandelt heute Nachmittag der Neunte Senat des baden-württembergischen Verhaltungsgerichtshofs (VGH) in Mannheim. Es ist wird eine spannende Sitzung erwartet.

Das Verwaltungsgericht in Freiburg hatte vor einem Jahr in erster Instanz entschieden, der umstrittene Physiker, der inzwischen in einem Privatunternehmen arbeitet, dürfe seinen Titel behalten. Die nachträgliche Aberkennung sei unverhältnismäßig. Die Universität habe die Unwürdigkeit allein wissenschaftlich begründet. Doch nach der älteren Rechtsprechung des VGH setzte ein unwürdiges Verhalten mehr voraus: nämlich eine "von der Allgemeinheit besonders missbilligte, ehrenrührige Straftat".

Nur bedingt vergleichbar

Dabei berief sich das Freiburger Gericht auf ein VGH-Urteil von 1981, das allerdings nur bedingt vergleichbar scheint. Damals hatten die Mannheimer Richter einem jungen Mann, der zehn Jahr zuvor wegen Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetzgesetz verurteilt worden war, die Zulassung zur Promotion zugestanden.

Bei der Verhandlung am Mittwoch werde der VGH zu entscheiden haben, wie der Begriff der Unwürdigkeit auszulegen sei, hat die Pressestelle des Gerichts angekündigt. Die Universität Konstanz hofft, dass die Richter diesmal ihrer Argumentation folgen werden. Auch wenn Wissenschaftsbetrug nicht strafbar sei, sehe man ihn heute doch strenger als früher, meint der Justiziar der Hochschule. "Wir meinen, dass die Vorwürfe schwer genug wiegen für einen nachträglichen Entzug des Doktorgrades."