Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden: Staatliche Förster dürfen das Holz aus privaten und kommunalen Wäldern nicht mehr mit verkaufen, und sie dürfen dort auch keinen Revierdienst mehr machen. Das ganze System steht auf der Kippe.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Es ist eine Niederlage für das Land auf der ganzen Linie: Der 1. Kartellsenat des Oberlandesgerichts in Düsseldorf (OLG) hat am Mittwoch dem Bundeskartellamt vollständig Recht gegeben – dieses fordert seit Jahren, dass sich die staatlichen Förster ganz aus der Bewirtschaftung der kommunalen und privaten Wälder zurückziehen; deren Anteil am Wald in Baden-Württemberg liegt bei 75 Prozent. Der Minister Peter Hauk (CDU) sprach von einem schwarzen Tag für das Land. Er will auf jeden Fall nun den Bundesgerichtshof anrufen (Az. VI – Kart 10/15 (V)).

 

Es geht im Kern um zwei Punkte. Erstens streitet man sich über den Holzverkauf. Die Sägewerkbranche hat vor einigen Jahren das Kartellamt zu einem Verfahren angeregt in der Hoffnung, das Holz günstiger kaufen zu können, wenn es mehr Konkurrenz unter den Waldbesitzern gäbe. Bisher war es so, dass die Staatsförster den Verkauf für alle Waldbesitzer mit übernahmen. Doch die Richter sehen darin ein „verbotenes Vertriebskartell, das den freien Wettbewerb verfälscht“. Sie stützen so die Ansicht des Kartellamts, das diese Verkaufsform 2015 untersagt hat.

Tatsächlich hat sich der Landesbetrieb ForstBW mit seinen Förstern seitdem aus dem Verkauf kommunalen und privaten Holzes zurückgezogen, um Schadensersatzforderungen zuvorzukommen. Max Reger, der Chef von ForstBW, räumte am Mittwoch ein, dass der Preis für Rundholz seither etwas gesunken sei. Allerdings hätten die Sägewerke seither sehr viel mehr Aufwand, um das Holz zu beschaffen: „Unterm Strich könnten die Latten, die der Verbraucher im Baumarkt kauft, deshalb sogar teurer geworden sein.“

Hauk: „Die Richter degradieren den Wald zur Holzfabrik“

Gravierender für den Bürger ist der zweite Punkt. Das OLG hat den Förstern auch verboten, für die 230 000 privaten und 1076 kommunalen Waldbesitzer im Südwesten die Betriebsplanung und den Revierdienst zu machen. Bisher schaut der Förster danach, welche Bäume geschlagen werden oder wo Totholz bleiben sollte. Dadurch erhalte ForstBW aber einen „bestimmenden Einfluss auf die Frage, in welchen Mengen, in welcher Qualität und zu welchem Zeitpunkt Stammholz zum Verkauf gebracht“ werde, meinten die Richter.

Für Minister Hauk ist diese rein ökonomische Perspektive abstrus. Die Förster sorgten dafür, dass in allen Wäldern die gleichen Standards gälten und dass der Wald gerade nicht nur unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten betrachtet werde. Natur- und Artenschutz, Naherholung, Klimaschutz – all diese Aspekte lasse das Gericht außen vor. „Die hohe Bedeutung des Waldes für die Daseinsvorsorge und die Gesellschaft wurde vollkommen ignoriert“, sagte Peter Hauk: „Die Richter degradieren den Wald zur reinen Holzfabrik.“

Tatsächlich erhält Hauk, obwohl er zuletzt immer mal wieder gegen die Naturschützer geschossen hat, von dort kräftige Rückendeckung. „Die Lösung für den Kommunal- und Privatwald darf nicht zu einem chaotischen Flickenteppich unterschiedlicher Modelle führen“, sagt Johannes Enssle, der Chef des Landesnaturschutzbundes: „Um auch in Zukunft hohe ökologische Standards im Waldbau und Waldnaturschutz umzusetzen, braucht es qualifiziertes Personal und eine gute Beratung.“

Waldbesitzer sind mit dem Reviersystem eigentlich zufrieden

Selbst die Forstkammer, die die Interessen der kommunalen und privaten Waldbesitzer vertritt, hat sich für das öffentliche Reviersystem ausgesprochen: „Zwischen den Förstern und Eigentümern besteht ein großes Vertrauen und eine enge Zusammenarbeit“, sagt der Geschäftsführer Jerg Hilt. Doch man möchte eigenständige Strukturen für die Holzvermarktung aufbauen. Der Gemeindetag kritisierte, die Entscheidung bedeute „mehr Bürokratie, mehr Verwaltung und höhere Kosten.“

Das bisherige System des „Einheitsförsters“ will das Land trotz der OLG-Entscheidung vorerst erhalten, bis es einen rechtskräftigen Beschluss gibt – das kann Jahre dauern. Sollte das Land am Ende unterliegen, hätten 1000 Förster von 3400 Mitarbeitern bei ForstBW keine Aufgabe mehr. Als Beamte müsse man sie dann etwa in die Bußgeldstelle versetzen, sagte Hauk polemisch. Sehr bald will er aber das Landeswaldgesetz so ändern, dass private Anbieter – die es schon gibt – im Wald Dienstleistungen anbieten können. Qualitätsstandards würden im Gesetz festgeschrieben.

Aufgrund der Bedeutung schließt das Land nicht aus, am Ende auch den Europäischen Gerichtshof anzurufen. Was Peter Hauk nämlich besonders ärgert, ist dies: Der Bund hatte extra das Waldgesetz geändert, um die baden-württembergische Praxis zu stützen. Das OLG setzte sich darüber hinweg: Diese Novellierung sei „europarechtswidrig und nicht zu beachten“.