Am Landgericht Stuttgart sitzen derzeit zwei Fisch-Großhändler aus Pleidelsheim auf der Anklagebank. Ihnen wird vorgeworfen, im großen Stil Etikettenschwindel bei Pangasius-Fisch betrieben zu haben.

Pleidelsheim - Filet oder nicht Filet – das ist die Frage, die an diesem Montag die elfte Große Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Stuttgart beschäftigt hat. Zwei Inhabern eines Fischhandelsunternehmens in Pleidelsheim wird vorgeworfen, vorsätzlich tiefgefrorenen Fisch mit falschem Etikett verkauft zu haben. Die Mengen, um die es geht, sind gewaltig: Insgesamt 626 000 Kilogramm falsch deklarierten Fisch soll die Firma „Fischquelle Frost“ laut Staatsanwaltschaft zwischen August 2013 und November 2016 an verschiedene Großhändler verkauft haben. Von dort aus ging der Fisch dann in die Gastronomie und den Einzelhandel.

 

Die Verbraucher hatten eine solche mutmaßliche Mogelpackung der Firma nie in der Hand – und dennoch ist es ein Thema, das die Gemüter erhitzt. Immer wieder gibt es Gerichtsverhandlungen zu Lebensmitteln, die falsch bezeichnet werden und damit gegen das Lebensmittelgesetz oder die Lebensmittelinformationsverordnung der Europäischen Union verstoßen.

Gutachten ergeben, dass der Fisch mit Salzen bearbeitet wurde

Im Fall von „Fischquelle Frost“, einem auf tiefgefrorenen Fisch und Meeresfrüchte spezialisierten Unternehmen, geht der Vorwurf über einen reinen Etikettenschwindel hinaus: Mehrere Gutachten von Lebensmittelbehörden kommen bei dem untersuchten Fisch zu dem Schluss, dass möglicherweise Carbonate, also Salze, bei der Verarbeitung des Fisches beigefügt worden sind. Dadurch nimmt der Fisch mehr Wasser auf, so dass sein Gewicht steigt. Aus rechtlicher Sicht darf der Fisch dann nicht mehr als Filet bezeichnet werden, nur noch als verarbeitetes Produkt – was natürlich den Preis drückt.

Die Inhaber von „Fischquelle Frost“ wiesen beim Auftakt der Verhandlung am Montag beide Vorwürfe – den Etikettenschwindel sowie die Bearbeitung mit Carbonaten – von sich. Die Firma mit neun Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von zuletzt 20 Millionen Euro hat in der Branche einen Ruf zu verlieren. Zudem wurden die Erträge aus dem Verkauf des mutmaßlich falsch etikettierten Fisches, insgesamt 1,3 Millionen Euro, bis zur endgültigen Klärung von der Staatsanwaltschaft eingezogen – eine empfindlich hohe Summe für das Unternehmen.

Der Fisch habe einen Wasserzusatz von 24 Prozent, so ein Gutachten

Konkret geht es um Pangasius-Filets aus Vietnam. Ein Großteil der weltweit produzierten Menge an Pangasiusfisch wird dort gezüchtet. Ein erstes Gutachten der Lebensmittelbehörde in Karlsruhe kam im April 2013 zu dem Schluss, dass etwas mit dem Fisch nicht stimmt: Der Pangasius habe einen erhöhten Wassergehalt sowie einen zu niedrigen Proteingehalt. Die Konsistenz des aufgetauten Fisches sei „innen weich“ und „matschig“, der Geschmack in gegartem Zustand „weich“ bis „wässrig“, so das Gutachten. Der analytische Befund kam auch zu dem Schluss, dass der pH-Wert des Fisches mit 7,6 zu hoch liege. Das sei zurückzuführen auf „den Zusatz alkalischer Stoffe“ – Stoffe, die laut Vertrag zwischen dem Fischhändler und dem Hersteller in Vietnam eigentlich nicht hätten drin sein dürfen. 24 Prozent betrage der Wasserzusatz des Fisches.

„Da sind bei uns natürlich die Alarmglocken angegangen“, sagte einer der Inhaber vor Gericht. Man sei nach Vietnam geflogen und habe die Produktion von vorne bis hinten kontrolliert – aber nichts gefunden, was auf die Verwendung von Carbonaten hindeute, die der Grund für den hohen Wasseranteil im Fisch sein können. Zudem änderten die Pleidelsheimer das Etikett: „Fischfilet 80 Prozent“ stand fortan auf der Packung – als Hinweis darauf, dass der Fisch eben auch noch Wasser enthält. Man habe das Etikett geändert, obwohl man der Meinung gewesen sei, dass die Ergebnisse des Gutachtens nicht stimmten, „einfach, weil wir unsere Ruhe haben wollten“, sagte einer der Inhaber vor Gericht.

Die beiden blieben auch dabei, als immer weitere Gutachten anderer Lebensmittelbehörden folgten, die ähnliche Ergebnisse brachten. Auch ein vom Unternehmen beauftragter Test eines privaten Instituts lieferte ähnliche Werte. Das neue Etikett deklarierte alles richtig, so die Überzeugung der Inhaber. „Wir haben auf jeden Fall niemand damit hinters Licht geführt.“ Der Staatsanwalt sieht dies anders und bewertet die weitere Geschäftspraxis als einen Verstoß gegen die Lebensmittelinformationsverordnung. Der Prozess wird Ende Januar fortgesetzt. Dann sollen diverse Gutachter zu dem Fall aussagen.

Carbonat im Fisch

Chemie
Carbonate sind Salze, die sich von der Kohlensäure ableiten – unter anderem Natriumcarbonat und Natriumhydrogencarbonat. Für Nichtchemiker: Soda und Natron. Letzteres ist ein beliebter Küchenhelfer und Bestandteil von Backpulver. Natriumcarbonate dienen in der Lebensmittelindustrie etwa als Säureregulator, Backtriebmittel oder Trägerstoff. Sie sind gesundheitlich unbedenklich.

Tricks
Legt man Fischfilets in Wasser mit Natriumcarbonat, quellen sie auf und werden schwerer. Das Salz verändert die Struktur der Eiweiße und erhöht ihre Fähigkeit, Wasser aufzunehmen. Weil Verbraucher damit getäuscht werden können, ist die Methode bei unverarbeitetem Fisch verboten. Auch Phosphate und Zitronensäure werden zur Wasserbindung eingesetzt – was bei korrekter Deklaration freilich legal ist.