Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim hat das Demonstrationsverbot der Stadt Göppingen in letzter Minute gekippt. Jetzt dürfen 400 Neonazis doch marschieren.

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Göppingen/Mannheim - Die Stadt Göppingen steht vor einem Tag im Ausnahmezustand. Der Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim hat das von der Stadt erlassene Verbot einer Neonazidemo in letzter Sekunde gekippt. Demnach dürfen die Rechtsextremisten am Samstag von 13 Uhr an unter dem Motto „Ausbeutung stoppen – Kapitalismus zerschlagen“ durch die Stadt marschieren. Die Veranstalter, hinter denen sich eine Gruppe namens Autonome Nationalisten Göppingen verbirgt, erwarten 400 Neonazis aus dem gesamten Bundesgebiet. Gleichzeitig rechnet die Polizei mit rund 2000 Gegendemonstranten, darunter mehrere Hundert Angehörige von Antifagruppen.

 

Das Verwaltungsgericht in Stuttgart hatte vor einer Woche das Verbot der Stadt noch gestützt. Es müsse mit Gewalttaten gerechnet werden. Zudem sei von dem mehrfach vorbestraften Anmelder nicht zu erwarten, dass er mäßigend auf die Teilnehmer einwirke. Der VGH sah dies anders. Mit Blick auf die grundrechtlich verbürgte Versammlungsfreiheit seien die strengen Voraussetzungen für ein Demonstrationsverbot nicht erfüllt.

Gefahrenprognose nicht tragfähig

„Wir bedauern diese Entscheidung und können sie auch nicht nachvollziehen“, sagte der Oberbürgermeister Guido Till. Nun gelte es, einen friedlichen Verlauf sicherzustellen. Die Mannheimer Richter erklärten, dass die Gefahrenprognose von Polizei und Stadt nicht tragfähig sei. Den Aufrufen zu dem Aufmarsch, in denen angekündigt wird, „mit geballter Kraft den Widerstand auf die Straße tragen“ zu wollen, lasse „sich nicht mit der gebotenen Gewissheit entnehmen, dass die Versammlung mit Gewalttätigkeit einhergehen“ werde, so die Kammer. Die Polizei könne ein Aufeinandertreffen von Neonazis und Gegendemonstranten verhindern.

Dafür, so die Richter, sollten strenge Auflagen erlassen werden. Ursprünglich wollten die Rechtsextremisten mehrere Kilometer lang im Zickzack durch die Innenstadt marschieren und wären dabei auch beim Weinfest auf dem Marktplatz vorbeigekommen. Zusammen mit einer Kundgebung sollte dies bis 21 Uhr dauern.

Moschee und Synagoge bleiben tabu

In einem Abstimmungsgespräch am späten Freitagnachmittag wurde den Veranstaltern nun der Bahnhof und das östliche Stadtgebiet als Aufmarschfläche zugewiesen. Damit werde verhindert, dass die Neonazis am Synagogenplatz und an den rund 50 Stolpersteinen vorbeiziehen, die an jüdische Einwohner erinnern, die während der NS-Zeit deportiert wurden. Auch die östlich des Bahnhofs gelegene Ditib-Moschee bleibe verschont, sagte der Polizeisprecher Rudolf Bauer.

Vorsorglich wurden in weiten Teilen der City bis in die Nordstadt hinein Parkverbotszonen eingerichtet. „Wir brauchen Platz für die Einsatzfahrzeuge“, sagte Bauer. Wie viele Beamte eingesetzt würden, wollte er aus polizeitaktischen Gründen zunächst nicht sagen. Man habe aber bei der Bereitschaftspolizei und bei benachbarten Polizeidirektionen zusätzliche Kräfte angefordert. Zudem seien fünf spezielle Deeskalationsteams im Einsatz.

Manche Geschäfte bleiben geschlossen

Nervosität herrscht auch bei den Einzelhändlern, die sich eigentlich gerade auf den verkaufsoffenen Sonntag vorbereiten. In einem Rundschreiben an ihre Mitglieder rät die City-Initiative, im Falle einer Gefahr die Läden kurzfristig zu schließen. In vorauseilendem Gehorsam die Geschäfte zu verrammeln, sei aber das falsche Signal, sagte die Vorsitzende Stefanie Sanke. Allerdings rechnet sie nicht damit, dass allzu viele Kunden kommen werden.

Die Gegner machen mobil

Rathaus
Das offizielle Göppingen zeigt bei einer Veranstaltung um 9 Uhr vor dem Rathaus Flagge. Es sprechen der Oberbürgermeister Guido Till, die Vertreter von Gemeinderat und Jugendgemeinderat sowie Dekan Rolf Ulmer.

Bündnis
Die große Gegenkundgebung „Frische Farbe statt brauner Tünche“ des Bündnisses nazifrei beginnt um 10 Uhr an der Poststraße. Es gibt Musik und Reden von Bündnissprecher Alex Maier, Verdi-Chefin Leni Breymaier und anderen. Angemeldet sind tausend Teilnehmer.

Blockade
Die Antifa will unter dem Stichwort „Läuft nicht“ mit einer Blockade den Naziaufmarsch stoppen. Dazu sollen offenbar auch Polizeisperren umgangen werden.

Fragen
Die Polizei hat unter 0 71 61/63-1333 ein Bürgertelefon frei geschaltet und informiert via www.facebook.com/polizeidirektiongoeppingen.