Erst kommt der frühere Kremlgegner Chodorkowski überraschend aus dem Straflager, nun lässt die russische Justiz auf einmal die seit Jahren kritisierten Urteile gegen ihn prüfen. Kann er bald in seine Heimat zurückkehren?

Erst kommt der frühere Kremlgegner Chodorkowski überraschend aus dem Straflager, nun lässt die russische Justiz auf einmal die seit Jahren kritisierten Urteile gegen ihn prüfen. Kann er bald in seine Heimat zurückkehren?

 

Moskau - Für den aus dem Straflager entlassenen Ex-Ölmilliardär Michail Chodorkowski gibt es neue Hoffnung auf eine Rückkehr aus seinem deutschen Exil nach Russland. Der Vorsitzende des Obersten Gerichts, Wjatscheslaw Lebedew, wies überraschend eine Überprüfung der zwei Strafverfahren gegen den früheren Chef des inzwischen zerschlagenen Ölkonzerns Yukos an. Es gebe „neue Umstände“, teilte ein Gerichtssprecher am Mittwoch Agenturen zufolge in Moskau mit.

Kremlchef Wladimir Putin hatte seinen früheren Gegner Chodorkowski am Freitag nach mehr als zehn Jahren Haft begnadigt. Der 50-Jährige hält sich seither in Berlin auf, wo er erstmals wieder mit seiner ganzen Familie vereint ist. Die Chordorkowskis wollen die Weihnachtstage und den Jahreswechsel in Berlin verbringen. Anschließend will Chodorkowski in die Schweiz ausreisen, wo seine Frau mit den 14-jährigen Zwillingen Gleb und Ilja lebt. Ein Schengen-Visum für drei Monate hat Chodorkowski bereits beantragt.

Das Oberste Gericht ordnete für das erste wegen Steuerhinterziehung geführte Strafverfahren gegen Chodorkowski an, die damals festgesetzte Zahlungsforderung von 17,5 Milliarden Rubel (rund 388 Millionen Euro) zu überprüfen. Dabei geht es im wesentlichen um eine vom Gericht festgesetzte Steuerschuld, die Chodorkowskis Yukos-Konzern unterschlagen haben solle.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg hatte im Sommer nach einer Beschwerde der Chodorkowski-Anwälte festgestellt, dass die russischen Richter diese Summe ohne gesetzliche Grundlage angesetzt hätten. Demnach muss Chodorkowski nicht aus seinem Privatvermögen für die Steuerschulden seines Unternehmens haften.

Chodorkowski sichert Putin zu, die Opposition nicht mehr finanzieren zu wollen

Außerdem lässt Russlands höchster Richter Lebedew nun das zweite Urteil vom 27. Dezember 2010 wegen Öldiebstahls überprüfen. Der einst reichste Mann Russland war nach öffentlicher Kritik an Putin und nach Finanzierung der Opposition 2003 festgenommen und dann in zwei international umstrittenen Verfahren verurteilt worden. Nach mehreren Haftreduzierungen hätte Chodorkowski das Straflager im August 2014 regulär verlassen können.

Chodorkowskis Anwälte bezeichneten die Entscheidung des Obersten Gerichts als positives, wenn auch nur vorläufiges Zeichen. Es sei möglich, dass ihr Sohn nach Russland zurückkehren könne, wenn die vom Staat geforderte Summe gestrichen werde, sagte Chodorkowskis Mutter, Marina Chodorkowskaja, der Agentur Interfax. Allerdings hätten viele Berufungsverfahren mit Enttäuschungen geendet.

Chodorkowski hatte in Berlin erklärt, dass die Milliardensumme der Hauptgrund sei, weshalb er nicht in seine Heimat zurückkehren könne. Er hatte auch seine Hoffnung geäußert, dass seine Klage gegen die Zahlungsforderung in seinem Sinne entschieden werde. Zu konkreten Zukunftsplänen äußerte er sich nicht. Diese wollte er mit seiner aus der Schweiz zu ihm nach Berlin gereisten Familie besprechen.

Chodorkowski hatte Putin nach eigenen Angaben schriftlich zugesichert, künftig die russische Opposition nicht mehr finanzieren und auch nicht um Rückgabe der Yukos-Aktiva kämpfen zu wollen. Im Moment gewöhnt er sich nach Angaben seiner Angehörigen nach der harten Straflagerhaft wieder an die Freiheit. „Er lässt sich die Zähne plombieren“, sagte seine Mutter der Agentur Interfax.