Das Land Baden-Württemberg wollte alles richtig machen. Jetzt wollen Nama-Vertreter per Gericht verhindern, dass zwei wertvolle Objekte aus Stuttgart an den Staat Namibia gehen.

Kultur: Adrienne Braun (adr)

Stuttgart - Nachdem die Verhandlungen bereits abgeschlossen sind und die Reisevorbereitungen getroffen wurden, bahnt sich ein ungewöhnlicher juristischer Streitfall an. Am 1. März will die Ministerin Theresia Bauer mit prominenter Delegation nach Namibia reisen. Wie berichtet, hat das Land beschlossen, eine Bibel und eine Peitsche, die einst dem namibischen Nationalhelden Hendrik Witbooi gehörten, an den Staat Namibia zurückzugeben. Die Objekte, die bisher im Besitz des Linden-Museums waren, wurden im 19. Jahrhundert von deutschen Truppen erbeutet.

 

Nun will die Vereinigung der Nama-Stammesältesten die Rückgabe der beiden Objekte verhindern und hat beim Landesverfassungsgericht in Stuttgart einen Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht. Nach Ansicht der Vereinigung sollten Peitsche und Bibel an die Nachfahren des einstigen Nama-Führers gehen – und nicht an den Staat, wie die Vertreterin der Nama in Deutschland, Christine Kramp, der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Hintergrund ist, dass sich die Nama nicht ausreichend von der namibischen Regierung vertreten fühlen, da in dieser vor allem Angehörige des Volkes der Ovambo säßen. Außerdem fordert die Vereinigung der Nama-Stammesältesten eine finanzielle Entschädigung für die Jahrzehnte, in denen die beiden wichtigen Objekte nicht den Nama zur Verfügung standen.

„Unser erster Ansprechpartner ist der Staat“, sagte dagegen eine Sprecherin des Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Man habe sich von Beginn der Verhandlungen an bemüht, mit der Familie Witbooi in Kontakt zu treten. Deren Vertreter hätten ausdrücklich erklärt, dass sie mit der „Abgabe der Objekte in staatliche Obhut einverstanden sind“, so die Sprecherin. Offensichtlich gebe es unterschiedliche Auffassungen innerhalb der Nama. Grundsätzlich sieht das Ministerium keine „verfassungsrechtlichen Gründe“, die gegen eine Rückgabe sprechen.

Am Verfassungsgerichtshof Baden-Württemberg hält man die Fallkonstellation für ungewöhnlich. Man wolle „so schnell wie möglich, noch in dieser Woche“ eine Entscheidung treffen, sagte der Gerichtssprecher Wolfgang Schenk. Eine rechtliche Verpflichtung gibt es derzeit nicht, Kulturgut, das zu Unrecht in der Zeit des Kolonialismus erbeutet wurde, zurückzugeben. Trotzdem wollte das Land Bibel und Peitsche zügig zurückzugeben. Außerdem wurden 1,25 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, um sich mit dem kolonialen Erbe offensiv befassen zu können. Das Thema wird in diesem Jahr auch Bund, Länder und Kommunen beschäftigen, die sich auf gemeinsame Grundsätze einigen wollen.