Franz Steinle ist gleich zweifach Präsident: hauptberuflich beim Oberlandesgericht Stuttgart, ehrenamtlich beim Deutschen Skiverband (DSV). Kuriose Folge: er reist immer wieder mit dem DSV-Dienstwagen zu Gerichtsterminen.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Autos sind in der Justiz normalerweise kein ergiebiges Gesprächsthema. Doch bei Franz Steinle, dem Präsidenten des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart, ist das etwas anders. Der silberfarbene Audi A 6, mit dem er regelmäßig zur Arbeit und mitunter auch zu dienstlichen Terminen fährt, erregt immer wieder Aufsehen. Das liegt zum einen am amtlichen Kennzeichen – nicht S wie Stuttgart, sondern IN für Ingolstadt – , zum anderen am Signet des Deutschen Skiverbandes (DSV), das auf beiden Flanken prangt. Sorgen Sponsoren also für die Mobilität des höchsten Richters in Württemberg?

 

So sei es nicht, sagt ein OLG-Sprecher. Doch erklärungsbedürftig ist es allemal, wie Steinle zu der Limousine kommt. Bis 2002 stand Gerichtspräsidenten wie ihm in Baden-Württemberg ein eigener Dienstwagen zur Verfügung. Dann wurde die Verwaltungsvorschrift für den Kraftfahrzeugbetrieb (Amtskürzel: VwVKfz) aus Spargründen neu gefasst, auch um Fahrerstellen abzubauen. Dienstwagen gibt es seither nur noch auf Anforderung für einzelne Touren; ein entsprechender Antrag ist bei der Fahrbereitschaft des Regierungspräsidiums zu stellen.

Seit 2013 Chef des Skiverbands

In anderen Bundesländern hätten die OLG-Chefs noch Fahrzeuge zur „alleinigen oder bevorzugten Benutzung“, sagt der Gerichtssprecher. Im Südwesten aber stehe ein solcher nur dem – ehrenamtlichen – Präsidenten des Staatsgerichtshofs zu; dieser repräsentiert immerhin ein Verfassungsorgan. Lange spielte der Unterschied keine Rolle: der Chef des Oberlandesgerichts, Eberhard Stilz, leitete zugleich das Verfassungsgericht des Landes. Doch als Stilz das Hauptamt zu Gunsten des Ehrenamtes aufgab, stand sein Nachfolger Steinle beim OLG ohne Wagen da.

Da traf es sich gut, dass auch Steinle (65) ein Ehrenamt innehat. Seit 2013 führt der promovierte Jurist den Deutschen Skiverband, übrigens als erster nicht-bayerischer Präsident. Nach Jahren als Chef des Schwäbischen Skiverbands und als DSV-Vize ist der passionierte Skiläufer damit höchster Repräsentant von bundesweit 700 000 Mitgliedern. Das sei „eine Ehre und Freude, aber natürlich auch eine große Herausforderung“, sagte er bei seiner Wahl. Schon als OLG-Präsident ist er schließlich nicht unterbeschäftigt, und die Verbandsarbeit erfordert auch einigen Einsatz.

Audi liefert Autos gegen Werbefläche

Immerhin hilft der DSV seinem Chef, die Doppelbelastung organisatorisch zu bewältigen. Der besagte Audi wird ihm überlassen, „um insbesondere die notwendigen Dienstfahrten für den Verband durchführen zu können“, sagt ein Sprecher; er dürfe ihn, auf eigene Kosten, aber auch privat nutzen. Seit mehreren Jahrzehnten kooperieren Audi und der Skiverband als „Erfolgsduo“, die Fahrzeuge – ob für die Sportler oder den Präsidenten – würden im Zuge der Partnerschaft zur Verfügung gestellt. Der DSV verrechnet eine monatliche Mietgebühr von 1,2 Prozent auf den Listenpreis, im Gegenzug darf der Autohersteller als Hauptsponsor auf der Wettkampf- und Teambekleidung der Athleten werben. Es handele sich also nicht um eine Vergünstigung, „sondern um eine Sachleistung“, betont der Sprecher. Die private Nutzung werde von Steinle ordnungsgemäß versteuert, nach dem üblichen Verfahren.

Privat genutzt wird der Audi nach dieser Definition auch dann, wenn Steinle damit zu OLG-Terminen fährt. Meistens nehme er dafür die Bahn, ab und an aber auch den DSV-Dienstwagen, sagt der Gerichtssprecher. Sämtliche Tankkosten trage er bei solchen Fahrten selbst, gegenüber dem Land rechne er nach den Reisekostenvorschriften die Pauschale von 25 Cent je Kilometer ab. „Ein ,Sponsoring’ der Justiz durch den DSV erfolgt demnach nicht“, fügt er hinzu.

Ministerium: keine Beanstandungen

Ob es in der Außenwirkung nicht etwas seltsam erscheine, wenn der Gerichtschef dem Fahrzeug eines Sportverbands entsteige? Beim Justizministerium von Rainer Stickelberger (SPD) sieht man darin kein Problem. Man mache den Richterinnen und Richtern keine Vorgaben für die Nutzung ihrer privaten Fahrzeuge, sagt ein Sprecher. „Fragen oder gar Beanstandungen in diesem Zusammenhang sind hier bislang nicht aufgetreten.“