Sieben Jahre lang haben Nachbarn in Filderstadt-Plattenhardt um eine Zeder vor Gericht gestritten. Die über 80-jährige Ursula Pfeffer kämpft nach wie vor sehr mit den Erinnerungen an dieses Verfahren.

Lokales: Armin Friedl (dl)

Wenn Rechtsstreitigkeiten vor Gericht landen, geht es am Ende vor allem um Geld: Was hat die Klägerseite gefordert, was muss die beklagte Seite letztlich bezahlen – das sind die entscheidenden Kriterien, ob ein Prozess gewonnen oder verloren wurde. So gesehen hat Ursula Pfeffer den Prozess gewonnen. Mehr als 110 000 Euro Schadensersatz wollte der Nachbar als Schadenersatz von ihr erstreiten, geblieben sind davon etwas mehr als 17 000 Euro im Rahmen eines gerichtlich moderierten Ausgleichsvorschlags.

 

Ständiger Stress und die Angst vor dem Ruin

Ein Sieg, sicherlich, aber aufs Ganze gesehen auch ein Pyrrhus-Sieg. Rein finanziell schon kommen auf die über 80-Jährige jetzt noch Kosten von Gericht, Anwälten und Gutachter hinzu, die sie auf 100 000 Euro beziffert. Und dann der Rechtsstreit selbst: Mehr als sieben Jahre hat er gedauert.

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Unzählige Telefonate „und ständig Post im Briefkasten“, erzählt Pfeffer: Mahnungen, komplizierte juristische Sachverhalte, Anfragen und Angebote. Denn der Fall schlug Wellen weit über den nachbarschaftlichen Streit hinaus, die bundesweite Presse interessierte sich eine Zeit lang für diesen Fall. Und damit sind auch Folgen angesprochen, die sich monetär gar nicht darstellen lassen: der ständige Stress, die Ungewissheit, die Angst vor dem finanziellen Ruin und die bittere Erfahrung, wie aus guten Freunden und Nachbarn Menschen werden, die auf einmal möglichst auf Distanz gehen.

Wurzelwuchs contra Wanddurchbruch

Der Anlass: 1985 pflanzte das Ehepaar Pfeffer vor seinem Reiheneckhaus in Plattenhardt eine Atlaszeder als Schattenspender. Der Baum wuchs kräftig. Vor sieben Jahren dann entdeckten die Nachbarn Risse in den Wänden ihres Hauses und Schäden am Dach. Als Ursache dafür machten sie eben die Zeder verantwortlich, vor allem deren Wurzelwuchs. Ursula Pfeffer und ihr inzwischen verstorbener Mann verwiesen dagegen auf einen Wasserrohrbruch bei den Nachbarn sowie auf den Umstand, dass diese eine tragende Wand entfernt haben sollen.

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Ein unabhängiger Gutachter hat darauf hingewiesen, dass so eine Zeder viel Wasser benötigt, weshalb Fachleute davon abraten, genau solch einen Baum in unmittelbare Nähe von Häusern zu pflanzen. Deren Durst und dann die trockenen Sommer – das könne schon zu Bodensenkungen führen. Die Folge war eine Anordnung: 2019 wurde die Zeder gefällt. Zuletzt war sie immerhin 18 Meter hoch und hatte einen Stammdurchmesser von 40 Zentimetern, die Wurzeln waren vier Meter unter der Erde. Das eingangs erwähnte Urteil wurde im Februar dieses Jahres gesprochen, von einem weiteren Gang zum Bundesgerichtshof haben beide Prozessbeteiligten abgesehen. Denn für solch einen Fall gebe es kein passendes Gesetz, so der damalige Richter, der Ausgang wäre also für beide Seiten sehr ungewiss.

Erinnerungen verdrängen

Nach wie vor empfindet Ursula Pfeffer viel Zorn und Wut, wenn sie heute darauf angesprochen wird. „Ich weiß, dass das nichts bringt, man muss die Erinnerungen daran möglichst verdrängen, aber das gelingt nicht“, sagt Pfeffer. „Ich bin immer noch fassungslos, so was geht doch nicht. Klar, jeder will viel Geld haben, aber doch nicht auf diese Weise.“ Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sei das Verhältnis zur Nachbarschaft generell nicht mehr so gepflegt wie einst, die Tochter gehe auf Distanz, hinzu kommt der Tod des Ehemanns vor vier Jahren. Pfeffer: „Ich bin jetzt sehr allein damit.“

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Vieles habe sie initiiert – Anfragen an den Landtag, an einzelne Politiker, an die Architektenkammer – „man greift da ja nach jedem Strohhalm. Aber letztlich war alles vergebens, meine Altersvorsorge ist da komplett draufgegangen.“ Und am Ende des Gesprächs klingt dann doch so etwas wie Trost durch: „Ich bin immer mein Leben lang gut mit anderen Menschen ausgekommen. Leute aus meiner Jahrgangsstufe sprechen mich immer wieder darauf an. Gott sei Dank ist diese Sache nun erledigt.“