Ein 20-Jähriger soll am Steuer eines Mietwagens mit mehr als Tempo 160 durch die Rosensteinstraße gefahren sein. Das Gutachten zum Unfall, auf dem die Anklage basiert, enthüllt noch weitere Details der Fahrt, die zwei Menschen das Leben kostete.

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Mit einer Geschwindigkeit von 160 bis 165 Kilometern pro Stunde und einem bis zum Anschlag durchgedrückten Gaspedal ist ein 20-jähriger Mann im März durch die Rosensteinstraße im Stuttgarter Norden gerast. Er verlor die Kontrolle über das Auto und raste in einen Kleinwagen. Die Beifahrerin und der Fahrer in diesem waren sofort tot. Gegen den Fahrer, der in der Nacht zum 7. März mit einem gemieteten Jaguar F-Type Coupé unterwegs war, hat die Staatsanwaltschaft Stuttgart nun Anklage erhoben. Der Vorwurf der Ermittler: Mord.

 

Die Nachricht des Unfalls hatte im März die Stadt erschüttert. Es starben eine 22 Jahre alte Frau und ein 25-jähriger Mann, die erst kurz zuvor nach Stuttgart gezogen waren. Sie standen mit ihrem Citroën C1 in der Ausfahrt des Kinoparkhauses, wo sie gearbeitet hatten. Die Nachricht ihres Todes musste die Polizei im Kreis Neuss (Nordrhein-Westfalen) den Familien überbringen. Das von der Ermittlungsbehörde in Auftrag gegebene Unfallgutachten habe ergeben, dass der tonnenschwere Jaguar eine Aufprallgeschwindigkeit von 100 bis 110 Kilometern pro Stunde hatte, sagt Heiner Römhild, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Stuttgart.

Anklage: Der Fahrer nahm Unfälle billigend in Kauf

Die Anklage wegen Mordes begründet die Staatsanwaltschaft damit, dass der 20-Jährige am Steuer des Jaguar durch seine Fahrweise zumindest billigend in Kauf genommen habe, dass ein Unfall bei dieser Geschwindigkeit „nur durch einen Zufall“ zu vermeiden gewesen wäre. Denn in dem Bereich der Rosensteinstraße seien Ausfahrten aus den Parkhäusern und Einmündungen von Nebenstraßen. Der Fahrer hätte also so unterwegs sein müssen, dass er bei ein- und abbiegendem Verkehr hätte reagieren können.

An einer dieser Einmündungen geschah dann auch der Unfall. Da die Geschwindigkeit des Jaguar für andere Verkehrsteilnehmer nicht richtig abzuschätzen war, bog ein Autofahrer von der Rosensteinstraße nach links in eine Seitenstraße ab. Der Jaguar kam ihm entgegen. Der Autofahrer sei davon ausgegangen, dass er ausreichend Abstand zu dem Jaguar habe – eben weil er nicht mit einer Geschwindigkeit von mehr als dem Dreifachen des erlaubten Tempos 50 rechnen konnte, begründet die Staatsanwaltschaft. Der Jaguar-Fahrer schoss jedoch heran und musste dem Linksabbieger ausweichen. Dabei habe der Fahrer die Kontrolle über den 550 PS starken Wagen verloren und sei über die Fahrbahn geschleudert. So kam es zu dem fatalen Zusammenstoß mit dem Kleinwagen des jungen Paares.

Das Gutachten, das der Anklageschrift zugrunde liegt, enthüllt erschreckende Details. Nicht nur habe der Experte belegen können, dass der junge Mann mit 160 bis 165 Kilometern pro Stunde durch die Rosensteinstraße raste. Er habe technisch auch nachweisen können, dass der Fahrer das Gaspedal bis zum Anschlag durchgedrückt gehabt habe, sagt Heiner Römhild.

Ihm müsse klar gewesen sein, dass bei dieser Geschwindigkeit ein Unfall „schwerwiegende Folgen bis hin zum Tod“ für andere haben würde. Damit, dass er das bei seiner Fahrweise zumindest billigend in Kauf genommen hatte, begründet die Staatsanwaltschaft ihre Mordanklage. Der 20-Jährige sei „trotz unklarer Verkehrsverhältnisse mit Vollgas“ unterwegs gewesen. So, als habe er die Höchstgeschwindigkeit des Wagens herausfinden wollen – obwohl er auf einen für ihn schlecht einsehbaren Kreuzungsbereich an der Rosensteinstraße zugefahren sei. Außer dem Mordvorwurf lautet die Anklage zudem noch auf vorsätzliche verbotene Fortbewegung im Straßenverkehr und vorsätzliche Straßenverkehrsgefährdung. Die Anklage wurde bei einer Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart eingereicht. Ein Gerichtstermin muss nun noch festgelegt werden.

Die Anklage ist die erste Mordanklage in Baden-Württemberg wegen eines Raserunfalls. Zunächst hatte die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung aufgenommen. Der 20-Jährige, der den Jaguar bei einem Verleih im Kreis Esslingen ausgeliehen hatte, sitzt seit dem Unfall in Untersuchungshaft.