Woher der Wolf kam, der jüngst ein Reh in Weil der Stadt gerissen hat, kann nicht eindeutig gesagt werden. Was der Vorfall zeigt: Wölfe breiten sich auch in Süddeutschland immer weiter aus.

Ein Wolf in Weil der Stadt? Immer mehr Kommunen im Land melden ähnliche Vorfälle. 158 Wolfsrudel, 27 Paare und 20 sesshafte Einzeltiere leben laut Umweltministerium in Deutschland – Tendenz steigend. Die meisten von ihnen haben sich zwar in Brandenburg, Sachsen und Niedersachsen niedergelassen. Aber auch in Baden-Württemberg leben die Tiere inzwischen wieder. Zwei Wölfe haben sich im Süden, einer im Norden des Schwarzwalds dauerhaft niedergelassen.

 

Wolf könnte aus dem Nordschwarzwald gekommen sein

Eben jener Wolf mit der Kennung „GW852m“ könnte es nun auch gewesen sein, der im März ein Reh unweit des Weil der Städter Ortsteils Schafhausen gerissen hat. Das vermutet zumindest Sabine Holmgeirsson, Vorsitzende des Nabu Weil der Stadt, nach Rücksprache mit dem Wildtierbeauftragten des Landkreises. Auch, wenn „GW852m“ meistens im Nordschwarzwald unterwegs ist – bis in den Landkreis Calw gezogen ist er bereits in der Vergangenheit. Die Strecke nach Weil der Stadt sei „für einen Wolf überhaupt keine Entfernung“, sagt Holmgeirsson. Bestätigen lässt sich diese Vermutung aber nicht: Eine entsprechende Identifizierung durch die Versuchs- und Forschungsanstalt in Freiburg, die eine genetische Untersuchung durchgeführt hat, war nicht erfolgreich.

Aufsehen bis Furcht lösen Nachrichten über gerissene Tiere oder Wolfssichtungen häufig aus. „Mit dem Wolf sind Sorgen und Ängste verbunden“, weiß auch der Weiler Förster Olaf Späth. „Das Thema Wolf ist sehr emotional behaftet.“ Seit dem Vorfall im März seien allerdings keine neuen Hinweise, etwa Bildmaterial von Wildkameras, auf die Anwesenheit eines Wolfes eingegangen, bestätigt er.

Kein Grund zur Panik

Dass es in Weil der Stadt „auf keinen Fall“ Grund zur Panik gebe, sagt auch Holmgeirsson. „Der Wolf ist ein recht menschenscheues Tier“, so die Nabu-Vorsitzende. „Und Menschen sind nicht im Beuteschema des Wolfes.“ Dass der Wolf nun öfter Gast in Weil der Stadt wird, hält sie für äußerst fraglich. Zu dicht besiedelt sei die Gegend und die Waldstücke zu klein für eine dauerhafte Niederlassung.

Dass der Wolf noch näher in Richtung Ballungsraum Stuttgart zieht, hält auch das baden-württembergische Landesministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft für „sehr unwahrscheinlich“, schließt aber auch nicht gänzlich aus, dass Wölfe bei Nacht durch dicht besiedelte Kulturlandschaften wandern. Im Großraum Stuttgart gab es aber schon länger keinen Nachweis mehr. Zuletzt war 2018 in Korntal-Münchingen ein Wolf gefilmt worden. Kurz zuvor war in Herrenberg ein Reh gerissen worden. Der Übeltäter stellte sich hier aber später als Hund heraus.

Landwirt sieht Rückkehr der Wölfe kritisch

Besonders kritisch blicken der Rückkehr von Wölfen bekanntermaßen Landwirte und andere Nutztierhalter entgegen: Ihre Tiere sind es auch, die den Wölfen hin und wieder zum Opfer fallen. „Die Problematik steigt an“, sagt Karlheinz Krüger, der in Grafenau und Weil der Stadt eine Schäferei betreibt. Er wünscht sich eine andere Politik in Sachen Wolf, kritisiert etwa, dass Betriebe trotz Förderungen auf Teilkosten für Schutzzäune und andere Maßnahmen sitzen bleiben. „Besonders eine kleine Schäferei kann sich das nicht leisten“, sagt er.

Krüger ist mit 60 Ziegen und 150 Schafen in der Region unterwegs, unter anderem zur Landschaftspflege. In der Zeit, in der auch das Reh gerissen wurde, sei er mit den Tieren viel draußen gewesen. Gewünscht hätte er sich, dass die Landwirte früher über den Verdacht informiert worden wären. Inzwischen, so glaubt er, sei der Wolf nicht mehr in der Gegend.

Nabu fordert weniger Populismus in Sachen Wolf

Dass sich Halterinnen und Halter von Weidetieren wie Schafen, Ziegen, Pferden oder Rindern angesichts der Rückkehr des Wolfes nach Baden-Württemberg sorgen, sei nachvollziehbar, sagt Johannes Enssle, Vorsitzender des Nabu Baden-Württemberg. „Hier ist es wichtig, dass sie sich mit Fragen des Herdenschutzes beschäftigen.“ Es gebe gute Beratungsangebote und Förderungsmöglichkeiten, er sagt aber auch: „Gerade jetzt, in der Phase der Wiederbesiedlung unseres Landes durch Wölfe, können Risse auch außerhalb von etablierten Wolfsterritorien auftreten. Hier muss flexibel reagiert werden.“ Um die Tierhalter mit dem Problem nicht alleine zu lassen, gebe es seit 2013 den Ausgleichsfonds Wolf. Landwirte, deren Tiere von einem Wolf gerissen wurden, werden so mit Mitteln des Landes entschädigt.

Für die Wälder, so erklärt es Enssle, hat der Wolf sogar einen positiven Effekt – denn Wölfe jagen Wild, das wiederum gerne junge Baumtriebe abknabbert. „In Zeiten des Klimawandels ist es enorm wichtig, dass junge Bäumchen von Baumarten wie Eiche, Tanne oder Elsbeere eine Chance haben, nachzuwachsen.“ Der Wolf sei auch „Gesundheitspolizei“ des Waldes, weil er häufig kranke und schwache Tiere frisst und somit den Bestand gesund hält. „Es ist ganz normal, dass sich die Menschen im Land Gedanken machen“, ergänzt Enssle. Umso wichtiger sei es, über den Wolf sachlich aufzuklären – und keine populistischen Ängste zu schüren.

Wölfe kehren nach Baden-Württemberg zurück

Keine Gefahr
 Menschen müssen sich vor Wölfen nicht fürchten: Angriffe sind äußerst selten und werden, wenn überhaupt, durch Tollwut oder Provokation ausgelöst. Wer dennoch einem Wolf begegnet, sollte Abstand halten und ihn gegebenenfalls durch Rufen oder Klatschen vertreiben, rät der Nabu Baden-Württemberg.

Tötung
 Wölfe sind zwar streng geschützt, es gibt aber Ausnahmen. Wenn Wölfe Menschen gegenüber auffällig werden oder wiederholt Herdenschutzmaßnahmen, etwa Elektrozäune, überwinden, kann eine Tötung in Betracht gezogen werden. Eine Regulierung der Bestände ist laut Umweltministerium nicht nötig.

Meinung
 Auch, wenn es um das Thema Wolf immer wieder emotionale Debatten gibt: Mehr als 70 Prozent der Baden-Württemberger finden es gut, dass der Wolf zurückkommt. Das ergab jüngst eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. 58 Prozent sind gegen eine Aufnahme des Wolfs in das Jagdrecht.