Karl Roth hat vor wenigen Tagen seinen hundertsten Geburtstag gefeiert. Der Gerlinger ist das letzte noch lebende Gründungsmitglied des VdK-Ortsverbands.

Ein wacher Blick, ein knitzes Lächeln, ein fester Händedruck – so verabschiedet sich Karl Roth von seinem Gesprächspartner, nachdem er Einblick in sein Leben gegeben hat. Karl Roth gehört zu den Mitbegründern des Gerlinger Ortsverbandes des VdK, heute dem bundesweit größten Sozialverband.

 

Ganz nebenbei macht er im Gespräch deutlich, dass es dabei zunächst gar nicht um ihn und seine Kameraden ging. Im besonderen Maße standen die Frauen und Mütter im Fokus, die nach dem Krieg verwitwet allein zurückgeblieben waren. In Gerlingen habe es nahezu keine Straße gegeben, in der nicht eine Kriegerwitwe lebte, erzählt Karl Roth. Er selbst kam schwer verwundet zurück.

Er war 1942 eingezogen worden, der Soldat war in den Vogesen, im Elsass, später unter anderem in Leningrad, dem heutigen Stankt Petersburg, stationiert, wurde mehrfach verwundet, 1944 wurde er durch zwei Handgranaten so schwer am Bein verletzt, dass damals letztlich nur die Amputation blieb. Wenige Tage später kam er in die Nähe von Görlitz. Im Sommer 1945 wurde er aus russischer Gefangenschaft entlassen. Der Weg zurück ist nach wie vor intensiv in der Erinnerung eingeprägt. Zurück in Gerlingen blieb ihm verwehrt, was vor dem Krieg für ihn vorgesehen war. Den elterlichen Hof übernahm sein Bruder.

Karl Roth selbst wurde Schumacher, arbeitete später bei Salamander in Kornwestheim – und schloss sich in Gerlingen mit Menschen zusammen, die mit den Folgen des Krieges umzugehen hatten. Die Armut war groß, die Kriegerwitwen zahlreich, die Renten gering. Um für eine Verbesserung der Situation einzutreten, blieb nur der Zusammenschluss. „Anders konnte man nichts erreichen“, erzählt der hundertjährige. Und er fügt an: „Das ist auch heute noch genauso.“

Bis zur Währungsreform, das sei die schlimmste Zeit gewesen, sagt Roth. Umso wichtiger war das Miteinander mit den gleichgesinnten. Zumal es für die Kriegsverwundeten nicht allein um die finanzielle Situation ging. Roth selbst etwa erhielt alsbald eine Beinprothese. Aber die musste nach 14 Tagen schon wieder nachgearbeitet, aus Leder und Polster neu gepolstert werden, um sie überhaupt tragen zu können. Die Prothese war aus Lindenholz gefertigt, das leichtstete Holz überhaupt, so Roth.

30 bis 40 Gerlinger seien in einer ähnlichen Situation wie er gewesen, erzählt Roth. Sie schlossen sich zusammen, letztlich auch um politisch aktiv zu werden. Fürsprecher zu suchen, um grundlegende Verbesserungen der Situation zu erreichen. Dabei blieb der Gang zur Versorgungskasse Bestandteil im Kampf um eine bessere Unterstützung.

Wie viel Zeit er letztlich in diese Tätigkeit investierte, lässt sich heute nicht mehr sagen – aber es war ihm wichtig, weniger seinetwegen, wenngleich daraus möglicherweise einst das Engagement gewachsen war. Wichtiger war für ihn vielmehr, anderen zur Seite zu stehen, sie zu unterstützen.

77 Jahre einem Verein zugehörig

Heute, 77 Jahre später, ist er das letzte lebende Gründungsmitglied des VdK-Ortsverbandes. Ein Amt im Vorstand war ihm nie wichtig, erst als er in den Ruhestand ging, übernahm er das Amt des Kassiers. Der Witwer, Vater von zwei Söhnen und mehrfacher Großvater wohnt im Haus Friederike in Ditzingen – in direkter Zimmernachbarschaft zu einer Bekannten aus Gerlingen. Täglich befasst er sich mit biblischen Texten, der Glaube ist ihm wichtig geblieben. Und gedanklich reist er immer weiter, früher etwa nach Italien. Später, schon in hohem Alter, reiste er nochmals zurück nach Sankt Petersburg. Der Gedanke der Versöhnung trieb ihn an. Für ihn sei es wichtig gewesen, noch einmal dort gewesen zu sein.