Die beiden Städte stehen kurz vor der magischen Zahl, von der an sie Große Kreisstadt werden können. Die Bevölkerung wird weiter zunehmen – und beide Kommunen planen weitere Wohnungen. Den Titel will aber keiner rasch.

Gerlingen - Die Bevölkerung von Gerlingen wird weiter wachsen – und nicht, wie noch vor Jahren prognostiziert, schrumpfen. Diese Prognose stellt der Statistiker Tilman Häusser in einem Gutachten. Im Moment leben in der Stadt unter der Schillerhöhe 19 800 Menschen. Damit ist die magische Zahl 20 000 im Blickfeld. Von dieser Einwohnerzahl an kann eine Stadt den Titel Große Kreisstadt beantragen. Auch Korntal-Münchingen ist dem nahe: Gerlingens Nachbarn hatten Ende November 19 776 Einwohner.

 

Die Gründe für die Zunahme der Einwohnerzahlen sind in beiden Städten dieselben: Zum einen wird weiter Wohnungsbau geplant, um der starken Nachfrage gerecht zu werden. Zum anderen werden beide Kommunen weitere Flüchtlinge aufnehmen müssen, und es kommen mehr Kinder auf die Welt. Gerlingen liege seit fünf Jahren über dem Landesdurchschnitt, so der Statistiker. Wo viele junge Familien lebten, gebe es viel Nachwuchs. Der Statistiker erwartet, dass in Gerlingen die Steigerungsrate bei der Bevölkerungsentwicklung bis 2026 am stärksten ist, danach sieht er Stagnation.

Wohnbau ist in vollem Gang

Der Wohnbau ist in Gerlingen voll im Gang: Zum einen werden Einfamilienhäuser durch größere Gebäude ersetzt; zum andern werden mittlere bis große Grundstücke bebaut. Zudem ist das Gebiet Bruhweg II für viele Hundert Menschen in Planung. In Korntal-Münchingen werden ein kleines Wohngebiet am Ortsrand von Münchingen und das Gelände der Alten Wäscherei in Korntal beplant, in Korntal-West sollen einmal 800 Menschen wohnen. „In zwei bis drei Jahren werden wir die 20 000 haben“, sieht Joachim Wolf, Bürgermeister von Korntal-Münchingen, voraus. Er meint allerdings: „Gerlingen geht das Thema zielgerichteter an als wir.“

Gerlingens Bürgermeister Georg Brenner stellte jüngst im Gemeinderat fest „wir kratzen an den 20 000“. Wenn man diese Zahl erreiche, bedeute das nicht, dass am nächsten Tag der Bürgermeister Oberbürgermeister und die Stadt Große Kreisstadt sei. Ein Kriterium sei, dass die 20 000-Einwohner-Grenze „auf Dauer gehalten werden kann“. Den Stadträten ist es nicht eilig mit dem Titel für Gerlingen. „Wir sind sehr gelassen“, sagte Christian Haag (CDU) unserer Zeitung, „Gerlingen hat wichtigere Themen.“ Petra Bischoff (Freie Wähler) ist derselben Meinung: „Die 20 000 müssen sich erst stabilisieren. Das Thema ist keines.“ Auch für Brigitte Fink (SPD) hat das Thema „keinen Vorrang“, „wir können die Entwicklung gelassen abwarten“. Nino Niechziol (Junge Gerlinger) sieht die Interessen der jungen Menschen: „Es müssen mehr Wohnungen gebaut werden, damit junge Leute hierbleiben.“

Für Heike Bischoff vom Verein Mein Gerlingen zeigt die Zahl 19 800, dass die Leitlinie „Innen- vor Außenentwicklung“ wirke. In den vergangenen Jahren sei mehr Wohnraum geschaffen worden, ohne Freiflächen umzuwandeln. Gerlingen sei hoch attraktiv, familienfreundlich und ein attraktiver Wohnort. Dennoch müsse das Stadtmarketing ausgebaut werden, besonders die attraktive Innenstadt mit hoher Aufenthaltsqualität und vielfältigem Einzelhandel, Freizeitangeboten und Kultur.

Zuzüge kompensieren Rückgang

„Wir sind froh, dass die Stadt wächst“, sagt Martin Weeber, der geschäftsführende Pfarrer der Petrusgemeinde, „dann wachsen wir auch.“ Durch Zuzüge könne allerdings der ständige Rückgang der Gemeindegliederzahlen nur kompensiert werden.

Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas freut sich, „wenn meine alte Heimatstadt die siebte Große Kreisstadt im Landkreis“ werde. Daran sehe man, „dass der Landkreis Ludwigsburg ein hochattraktiver Landkreis ist, der die Menschen anzieht“, so Haas. Der Chef im Kreishaus weist aber darauf hin, dass mit der Ernennung zur Großen Kreisstadt auch weitere Aufgaben übernommen werden müssen. Zwei werden in Gerlingen bereits erledigt: die der Baurechtsbehörde und die für die Sozialhilfe. Damit will man den Bürgern den Weg zum Landratsamt ersparen.

Gerlingens Nachbarn jenseits der Autobahn freuen sich mit über die Entwicklung. „Wir beglückwünschen unsere Nachbarn“, sagt Ditzingens Rathaussprecher Guido Braun, „wir sind nicht neidisch oder missmutig.“ Man sitze im selben Boot einer attraktiven Region. Das sehe man an den eigenen Einwohnerzahlen: Ditzingen hat in diesem Jahr 200 Bürger gewonnen, die Marke 25 000 übersprungen und steht jetzt bei 25 082. Seit Anfang 2013 ist das eine zunahme um fast 950 Einwohnern.