Der Posaunenchor des Gerlinger CVJM hat Geburtstag. Die Gruppe von 28 Hobbymusikern hat zwar einen christlichen Hintergrund, spielt aber weit mehr als Choräle. Eine Familie ist gleich mit fünf Trompetern dabei – nicht nur eine Glaubenssache.

Gerlingen - Sie sind eine Institution in der Stadt. Nicht nur, weil sie seit Jahrzehnten am Heiligen Abend auf der Straße Weihnachtslieder spielen. Oder weil sie einmal im Monat in der Petruskirche am Sonntag die Organistin ersetzen. Oder beim Laternenlauf für Stimmung sorgen, etwa mit der Melodie „Laterne, Laterne“. Bei all dem sind, wenn es irgendwie geht, fünf Mitglieder der Familie Heck dabei: der Großvater Helmut (81), seine Söhne Christoph (50) und Mathias (52) sowie deren Kinder Lisa (21) und Lucas (19).

 

Alle spielen Trompete. „Der Ansatz stimmt noch“, sagt Heck senior lachend. Er meint die Art und Weise, wie mit den Lippen die Basis für den Ton erzeugt wird. Ab und an ist er noch freitagabends bei der Probe dabei, wenn sich alle im CVJM-Haus in der Schillerstraße treffen. Die Familientradition geht noch eine Generation zurück: „Schon mein Vater Gottfried war dabei“, sagt der 81-Jährige, „fast von Anfang an.“ Der Posaunenchor ist schon 1894 gegründet worden, da bestand der „Gerlinger Jünglingsverein“ schon etliche Jahre.

Posaunenspiel statt Fußball

Die Väter der Hecks haben ihren Kindern beigebracht, dass das Engagement im CVJM zu einer Gerlinger Familien eben dazugehört – wie dies auch andere Väter taten. Die Familie des Ditzinger Dekans Friedrich Zimmermann ist ebenso zu nennen wie andere. „Vater und Sohn oder Vater und Tochter als Mitspieler hatten und haben wir öfter“, erzählt der CVJM-Vorsitzende Steffen Rometsch, „der Posaunenchor ist in der Stadt sichtbar und erlebbar.“

Das Ensemble sei ein „Sympathie- und Werbeträger“ für den Verein. „Wenn das anders wäre, würden wir nicht immer wieder gefragt, ob wir bei einer Veranstaltung mitspielen wollen.“ Diese Bedeutung bestätigt auch Klaus Herrmann, der als Archivleiter der Stadt viel aus der Bevölkerung erfährt. „In der Wahrnehmung der Leute ist der Posaunenchor mehr als eine Untergruppierung des CVJM.“ Das sieht auch Rometsch so: „Der Posaunenchor mit seinen 28 Mitspielern ist unser Rückgrat.“ Auch Rometsch (46) ist ein Beispiel für Familienbindung im Verein: Sein Vater Alfred war 33 Jahre lang der Vorsitzende.

Auch Abba-Melodien im Repertoire

Das Dabeisein in der Gerlinger Stadtgesellschaft via Posaunenchor ist den fünf Hecks ebenso wichtig wie die Gemeinschaft und die Zusammengehörigkeit in der Gruppe. Die Musik („wir spielen nicht nur Choräle, sondern auch Melodien der Beatles, von Queen oder Abba“) ist für sie das, was für andere der Fußball ist. Auf den Sport mussten alle verzichten, erzählt einer der Väter: Keiner der Jungs durfte in den Sportverein – weil Kicker am Sonntag auf dem Fußballplatz gefordert seien. Da bleibe keine Zeit für den Gottesdienst, hätten die Eltern argumentiert. „Das war zwischen 14 und 16 nicht einfach zu verstehen“, sagt Christoph Heck.

Ein Muss war es aber wohl für keinen – die Botschaft Christi steht für alle im Mittelpunkt. „Es ist für mich Verkündigung, einen Choral zu spielen“, sagt Christoph Heck. Und sein Bruder Mathias ergänzt: „Wir spielen viele Stücke, von denen die Leute die Texte kennen.“ Bestes Beispiel ist der Sonntagsgottesdienst: Der Posaunenchor ersetzt die Orgel, die Besucher singen.

Nach der Probe geht’s nach Stuttgart

Helmut Heck ist in den Fünfzigern zum Posaunenchor gestoßen, Christoph und Mathias sind seit mehr als 40 Jahren dabei. Sie erzählen schmunzelnd, wie sie Mitte der 80er Jahre freitagabends nach der Probe nach Stuttgart verduftet sind – mit den Motorrädern. Damals hatte der Posaunenchor einen richtigen Namen: „Die Halleluja-Ramblers“. Sie spielten, wie es die heutigen Musiker tun, einen Mix aus alten und neuen Melodien. Und Menschen zur Ehre: Bei runden Geburtstagen wie auf dem Friedhof. Auch wenn sie keine Noten lesen konnten, sondern nur die Griffe kannten.

Historie und Termine

Gründung
Der CVJM wurde im Jahr 1887 als Gerlinger Jünglingsverein ins Leben gerufen. Er feierte 2012 sein 125-jähriges Bestehen.

Posaunenchor gegründet
Der Posaunenchor Gerlingen entstand 1894. Den Anstoß gab der Pfarrer Gustav Mörike, ein Vetter des „Dichterpfarrers“ Eduard Mörike. Gerlingen hatte zu dieser Zeit rund 2000 Einwohner. Diese lebten von der Arbeit auf dem Feld, als Weingärtner, im Steinbruch oder im Wald. In der Zeit der Industrialisierung gingen viele in Fabriken.

Gottesdienst
Die erste Veranstaltung zum 125-Jahr-Jubiläum ist ein Gottesdienst in der Petruskirche am 10. Februar um 9.45 Uhr.

Sommerfest
Das wichtigste Fest des Vereins im Jahr ist vom 19. bis 21. Juli auf dem Bauernhof Zimmermann, dabei tritt auch der Posaunenchor auf. Und es gibt zwei Gastspiele: German Brass am 20. Juli und Good Weather Forecast am 19. Juli.