Am Ende des Olympiajahres geht der Blick der Spitzenreiter bereits voraus. Bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro wollen auch die deutschen Springreiter wieder dabei sein.

Stuttgart - Für einen kurzen Augenblick hat Ludger Beerbaum seine innere Orientierung verloren: „Was ist denn heute für ein Tag?“ Dann lächelt der erfahrenste Springreiter der Welt einen Moment lang verlegen, setzt aber sofort seine heitere Unschuldsmiene auf, als wollte er sagen: „Letztes Wochenende war ich in Verona, jetzt bin ich gerade in Stuttgart, nächste Woche reiten wir in Abu Dhabi – da kann es ja mal passieren, dass man frühmorgens nicht mehr weiß, dass es Freitag ist.“

 

An derlei Begebenheiten am Rande des großen Reitsports kann man erkennen, wohin sich der internationale Zirkus mit den edlen und teuren Springpferden entwickelt hat. Ludger Beerbaum, geistig gleich wieder auf Ballhöhe, sagt: „Die Globalisierung hat unseren Sport verändert. Die lukrativsten Turniere finden mittlerweile im Ausland statt, nicht nur im europäischen, sondern auch in Brasilien, im arabischen Raum, in Amerika.“ Deshalb könne es gut sein, „dass man uns in Zukunft noch weniger auf den deutschen Turnieren zu sehen bekommt“. Denn es sei unmöglich, mit den Spitzenpferden überall dort anzutreten, wo die Fans und die Ausrichter ihre Stars auch erwarten.

Den Nagel auf den Kopf getroffen

Ludger Beerbaums Analysen treffen den Nagel auf den Kopf – auch in eigener Sache: „Was mich und meinen Stall in Riesenbeck betrifft, so können wir mit dieser olympischen Saison 2012 natürlich nicht zufrieden sein. Unser Ziel, in London am Start zu sein, haben wir verfehlt.“ Zwar stehe die stallinterne Analyse mit seinen Reitern Marco Kutscher, Philipp Weishaupt und Henrik von Eckermann noch aus, aber das sportliche Ziel für die kommenden Jahre sei klar: „Wir wollen unseren Stall wieder ganz nach vorne bringen.“ Auch sein persönliches Ziel bleibe unverändert: „Die Olympischen Spiele 2016 in Rio de Janeiro.“

Doch Ludger Beerbaum weiß, dass er seine siebten Spiele in vier Jahren nicht mit seinen aktuellen Toppferden Gotha oder Chaman erreichen kann: „Ich setze auf den niederländischen Hengst Zinedine große Hoffnungen, er ist erst acht Jahre alt, bringt aber alles mit, was ein junges Springpferd braucht.“ Nächste Woche, beim Finale der Global Champions Tour in Abu Dhabi, werde er seine Schimmelstute Chiara satteln. Die Pferde des Stalles Beerbaum seien bereits auf dem Weg dorthin, er selbst werde am Sonntag im Großen Preis von Stuttgart versuchen, Punkte im Weltcup zu sammeln, um beim Finale im April in Göteborg dabei zu sein.

Am Samstag kommt der Bundestrainer Otto Becker nach Stuttgart, um mit seinen Reitern die Marschrichtung für die kommenden Monate festzulegen. Sein Co-Trainer Heiner Engemann sagt: „Natürlich hätten wir in London gerne eine Medaille gewonnen, leider hat uns am Ende nur ein einziger Abwurf zu viel die Teilnahme am Finale gekostet.“ Nun gehe der Blick nach vorn: „Wir alle müssen uns mit Hilfe des Reiterverbandes, der Zuchtverbände und der Pferdebesitzer darum bemühen, dass nicht alle talentierten jungen Pferde aus der deutschen Zucht ins Ausland verkauft werden.“ Im ständigen Dialog mit den Reitern werde es darum gehen, „unsere guten Pferde schonend und gezielt einzusetzen, was angesichts von immer mehr Turnieren und rasant steigenden Preisgeldern die größte Herausforderung ist“.

Isabell Werth fehlt

Derlei Sorgen hat Monica Theodorescu, die neue Bundestrainerin der Dressurreiter, nicht. In der Schleyerhalle konnte die dreifache Mannschaftsolympiasiegerin am Freitag ganz entspannt den Doppelsieg ihrer „Silbermädels“ von London beobachten: Helen Langehanenberg gewann bei ihrem ersten Grand Prix seit London auf dem Hengst Damon Hill leicht und locker mit glänzenden 82,7 Prozentpunkten deutlich vor Kristina Sprehe auf ihrem Rapphengst Desperados mit 77,2 Prozentpunkten. Langehanenberg, in London lediglich knapp an der Bronzemedaille vorbeigeritten, schwärmte danach von ihrem Hengst: „Es war unfassbar, wie leicht er heute durch die Aufgabe getanzt ist.“

Wenn es Samstagnachmittag – übrigens vor bereits ausverkauftem Haus – um die Kür geht, die als Qualifikation zum Finale in Göteborg zählt, wäre alles andere als ein Sieg von Damon Hill eine Überraschung. Völlig offen ist indessen, wer am Sonntag das Finale im German Master der klassischen Tour gewinnt. Isabell Werth, die große Favoritin, fehlt bekanntlich.