Das Stuttgarter Reitturnier ist jährlich für viele glücklichen Gesichter verantwortlich. Aber: Beileibe nicht alle deutschen Stars können strahlen.

Sport: Jürgen Kemmner (jük)

Stuttgart - Was man unter einem Honigkuchenpferd versteht, ist in unserer Zeit der virtuellen Welt irgendwie in Vergessenheit geraten. Bekannt ist lediglich, dass ein Honigkuchenpferd strahlen kann, annähernd so hell und fast so ausgiebig wie die Sonne. Pieter Devos hatte nach dem Großen Preis von Stuttgart ein breites Grinsen im Gesicht, das durchaus an ein Honigkuchenpferd erinnerte – sein 13 Jahre alter Wallach Apart hatte den Belgier fehlerfrei in 49,05 Sekunden durch den Parcours getragen. Das bedeutete am Sonntag den Sieg vor dem für Österreich startenden Münchner Max Kühner, der auf Final 56,62 Sekunden benötigt hatte. Drittes fehlerfreies Paar waren Christian Ahlmann und Tokyo in 57,68 Sekunden. „Ich bin so glücklich“, freute sich der 32-Jährige aus Diest, „endlich habe ich einen Weltcup-Sieg in meiner Vita stehen.“

 

Ungewöhnliches Stechen

Das Stechen bot eine reichlich ungewöhnlichen Entwicklung – die Reiter, die viel Gas gegeben hatten, leisteten sich mindestens einen Abwurf. Wer sich Zeit nahm für die 360 Meter, der hatte beste Chancen auf den Gewinn des Autos und der 20 Weltcup-Punkte – es war die reiterliche Umsetzung der Strategie von Fußballtrainer Huub Stevens: Die Null muss stehen. Kühner ließ sich Zeit, die Null stand. Ahlmann ließ sich noch mehr Zeit und ärgerte sich trotz Nullrunde. „Ich wollte kein Risiko gehen, dachte aber, die Zeit von Pieter unterbieten zu können“, sagte Ahlmann. Als letzter Starter ließ Devos seinen Wallach etwas zügiger gehen, nahm eine enge Wende, ohne zu viel zu wagen. Das war die beste Strategie.

Zwar wunderte sich Parcourschefin Christa Jung über Ahlmanns entschleunigten Ritt, dennoch war sie sehr mit ihrer Arbeit zufrieden und lächelte ebenfalls anhaltend, sie hatte den Parcours selektiv genug gebaut, zehn von 40 Startern blieben im Umlauf fehlerfrei – so soll es sein. „Ich bin sehr froh, alles hat gepasst, wie ich es erhofft hatte“, sagte Christa Jung.

Schlechte Laune bei Simone Blum

Nur Weltmeisterin Simone Blum war weniger gut gelaunt – sie hatte mit ihrer Erfolgsstute Alice keine Sternstunde in Stuttgart wie 2017. Vier Fehlerpunkte im Umlauf, damit war die 29-Jährige draußen. Sie konnte den Abwurf erklären, bei dem die elfjährige Stute sich von der Bande hatte irritieren lassen. „Ich habe einen eingeklemmten Nerv im Nacken“, sagte Blum, „deshalb konnte ich Alice nicht so helfen, wie es hätte sein sollen. Sie hat zu sehr von der Bande weggezogen.“

Nicht nur der Große-Preis-Triumphator Pieter Devos war am Sonntag in der Schleyerhalle vor 6500 Zuschauern bester Laune. Auch Isabell Werth. Wobei der Erfolg auf dem Wasen der 49-Jährigen ein treuer Begleiter ist. Die Doppel-Weltmeisterin hat die Dressur dominiert: Die sechsmalige Olympiasiegerin gewann auf ihren Pferden Bella Rose und Emilio alle vier bedeutenden Prüfungen. Mit Emilio holte sie sich am Sonntag den Special mit 79,872 Prozentpunkten – damit lag sie vor Dorothee Schneider auf Faustus (76,426). Mit der 14 Jahre alten Bella Rose hatte die Rheinbergerin am Samstag zum dritten Mal in Folge die Kür für sich entschieden. „Die Stute ist jede Sekunde wert, die man in sie investiert – sie gibt es doppelt zurück“, jubelte Werth.

Veranstalter zeigen sich zufrieden

Nicht nur die erfolgreichen Reiter strahlten um die Wette – Andreas Kroll, Geschäftsführer des Veranstalters in.Stuttgart war ebenfalls hervorragend gelaunt. An den fünf Tagen waren mehr als 55 000 Pferdefreunde in die Halle marschiert. „Ein herausragendes Turnier“, freute sich der Manager, „es gab wenige, die besser als diese 34. Auflage gewesen sind. Unsere Erwartungen wurden übertroffen.“ Natürlich strahlte Kroll, wobei wir wieder beim Honigkuchenpferd sind, ein süßes Lebkuchengebäck, das früher in der Weihnachtszeit angeboten wurde. So gesehen passt es bestens zum Stuttgarter Turnier, das stets kurz vor der Adventszeit alle Pferdefreunde zum Strahlen bringt.