Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier bleiben im Amt. Im Kreuzfeuer der Spekulation ist das keine schiere Selbstverständlichkeit.
Berlin - Brandenburgs SPD-Ministerpräsident Matthias Platzeck will wenige Tage nach seinem Schlaganfall am Donnerstag seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen. „Ich kann wieder gut laufen, habe aber noch einen leichten Linksdrall. Sonst ist alles ganz gut“, sagte er. Platzecks Rückkehr wird aber belastet durch eine Spekulation, die die „Bild“ in die Welt gesetzt hat. Denn die räsonierte, ob der angeschlagene Ministerpräsident im Herbst durch den Chef der Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, abgelöst wird. Die Spekulationen schlugen nicht nur in Potsdam Wellen, sondern auch in der Bundestagsfraktion und bei der Parteispitze im Willy-Brandt-Haus. Es sind Wellen von Dementis.
Sogar Platzecks politischer Ziehvater, der selbst schwer krebskranke Manfred Stolpe, sah sich veranlasst, die brandenburgische Öffentlichkeit zu beruhigen: „Ich bin sicher, er wird sein Amt wieder voll und so wie wir es von ihm gewohnt sind ausführen“, erklärte Stolpe. Auch die Sozialdemokraten in der Hauptstadt zögerten nicht. „Bullshit“, sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. „Frank-Walter Steinmeier ist Fraktionsvorsitzender und bleibt das.“ Das Dementi von Parteisprecher Tobias Dünow, der mit seinem Chef Sigmar Gabriel in Paris unterwegs war, kam binnen fünf Minuten. Er wies die Spekulation und die von „Bild“ verbreitete Behauptung zurück, wonach Gabriel das Vertrauen zu Steinmeier verloren habe. „Beides ist falsch“, sagte er. „Unsinn“, meinte auch Steinmeiers Sprecher Hannes Schwarz. Platzeck nehme seine Geschäfte wieder auf – „hoffentlich für lange“.
Die Leitfrage ist: Was wird aus mir?
„Die Geschichte ist von allen Beteiligten dementiert worden“, sagte Oppermann noch, als sei damit alles gesagt. Dass das Problem damit erledigt ist, glauben aber nicht einmal die Genossen selbst. In den Medien schaukelt sich gerade eine Welle von Artikeln auf, wonach die SPD-Spitze die Wahl im September verloren gegeben habe und sich hinter den Kulissen nur noch mit Optionen jenseits von Rot-Grün befasse. Die Leitfrage dabei: Was wird aus mir?
Genährt werden solche Gerüchte durch die schlechten Umfrageergebnisse und das Dauertief bei Peer Steinbrücks Sympathiewerten. Auf diesen Nährboden ist der offene – inzwischen beigelegte – Konflikt zwischen Steinbrück und Gabriel gefallen wie ein Turbo-Saatkorn.
Die „Zeit“ machte vergangene Woche den Auftakt und konstatierte, das Schwarze-Peter-Spiel sei eröffnet. Der „Spiegel“ und die „Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung“ warfen den Lichtkegel auf Steinbrück, der sich nach Fehlern und Patzern nun auch noch Selbstmitleid leiste. Andere Zeitungen werfen Gabriel vor, auf Kosten Steinbrücks sein Überleben sichern zu wollen. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Frank-Walter Steinmeier ins Visier geraten würde. Pünktlich zum Hoffest der Fraktion fragte „Spiegel Online“ nach der Verantwortung des „unsichtbaren Dritten“. In diese Serie passt die „Bild“- Geschichte.
Gerüchte entwickeln Eigenleben
Der Wahrheitsgehalt solcher Meldungen ist nicht überprüfbar. Belege, dass mancher Spitzengenosse nur noch sein persönliches Überleben im Sinn hat, fehlen. Es finden sich jedoch immer Parteifreunde, die diese Sorge haben oder zynische Witze dazu reißen. Deshalb tendieren solche Gerüchte dazu, ein Eigenleben zu entwickeln und sich gegenseitig zu nähren.
Den Schaden davon hat in diesem Fall nicht nur die SPD. Leidtragender ist auch Matthias Platzeck. Der Brandenburger ist ein Politiker mit einer vielleicht etwas dünneren Haut als im Geschäft üblich; er verfügt offenbar nicht über den Panzer der Unberührbarkeit, den andere Spitzenpolitiker haben. Vor gut sechs Jahren traf Platzeck deshalb eine mutige Entscheidung: Nach nur 146 Tagen gab der einstige Hoffnungsträger am 7. April 2007 den SPD-Bundesvorsitz ab. Es war zu viel: die Dreifachbelastung als Regierungschef, SPD-Landeschef und Bundesvorsitzender mitsamt dem ganzen psychischen Stress war für Platzeck nicht auszuhalten. Er hatte kurz hintereinander zwei Hörstürze, einen Kreislauf- und einen Nervenzusammenbruch erlitten. Seither wird seine Gesundheit öffentlich beäugt – von grippalen Ausfällen bis zu Stürzen beim Joggen.
Platzecks preußischer Durchhaltewillen
Wäre eine längere Pause für ihn nicht besser? Platzeck selbst sagte, er müsse jetzt einige Dinge erledigen – dazu zählt die Jahrestagung der deutsch-russischen Freundschaftsgruppe des Bundesrates, deren Vorsitzender er ist. Das klingt nach dem preußischen Durchhaltewillen des Potsdamers, der offenbar häufig über seine Grenzen geht. Im Juni 2014 stehen in Brandenburg Landtagswahlen an. Vor einem halben Jahr hatte Platzeck erklärt, antreten zu wollen.