„Unten rechts“ ist eine subversive Glosse der StZ, die tagein, tagaus die Grenzen zwischen Journalismus und Literatur, zwischen Melancholie und Raserei spielerisch überwindet. Die besten Texte sind nun in Buchform erhältlich. Wir stellen Ihnen einige Glossen aus „Die Welt in 32 Zeilen“ vor. Heute: Rohkost.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Martin Gerstner (ges)

Stuttgart -

 

Das Vordringen der Grünen in die bürgerlichen Milieus ist ein schönes Beispiel dafür, was die Evolution mit den Menschen so anrichtet. Damals, als die grüne Bewegung entstand, fehlte es ihren Anhängern noch an der Fähigkeit, Feuer zu machen, geschweige denn, eine Tischvorlage zu lesen. Sie umarmten wehrlose Nadelbäume, diskutierten mit Gelbbauchunken über Gender Mainstreaming und nagten an Tannenzapfen. In den Landtagskantinen kosteten sie zum ersten Mal warmes Essen und wurden plötzlich konkurrenzfähig.

Das entspricht aktuellen Erkenntnissen brasilianischer Forscher, nach denen diejenigen Lebewesen ins Hintertreffen geraten, die nur Rohkost essen. Die liefert nämlich nicht genügend Energie, um zusätzliche Gehirnzellen versorgen zu können. Ein Gorilla müsste jeden Tag mehr als zwei Stunden länger essen, um mit dem Menschen mitzuhalten. Im politischen Alltag war das unmöglich. Deshalb drangen die Grünen in die bürgerlichen Wohnküchen vor, wo alsbald Ossobuco, Schweinerücken alla fiorentina und Spaghetti mit Zitronensoße (Rezeptsammlung Kuhn) schmurgelten. Heute sind die Gehirne von Grünen und Konservativen ungefähr gleich groß. Nicht auszudenken, wo das hinführt, wenn die Grünen so weiteressen.

Die Welt in 32 Zeilen. Die besten Glossen der Stuttgarter Zeitung. Klöpfer & Meyer, 216 Seiten. ISBN 978-3-86351-417-4, 20 Euro.