„Unten rechts“ ist eine subversive Glosse der StZ, die tagein, tagaus die Grenzen zwischen Journalismus und Literatur, zwischen Melancholie und Raserei spielerisch überwindet. Die besten Texte sind nun in Buchform erhältlich. Wir stellen Ihnen einige Glossen aus „Die Welt in 32 Zeilen“ vor. Heute: Zeitmangel.

Stuttgart - Nie hat man genug Zeit, immer ist irgendwas, ständig muss man auf sein Handy gucken, den Zeitmangel twittern. Und da ist noch gar nicht eingerechnet, dass man jetzt auch wieder so viel Zeit braucht, um das Mostobst zur Mostobstannahmestelle zu bringen und dem Taxifahrer den Schulwegeplan im Rahmen der Aktion „Sicherer Schulweg“ zu erklären, weil auch das Kind gar keine Zeit mehr hat, selbstfüßig zur Bildungseinrichtung zu watscheln. Stress! Stress!! Stress!!! Der Tag sollte 29 Stunden haben, das Jahr 497 Tage, das Leben 893 Jahre. Aber nicht mal das kriegt die Regierung hin.

 

Die britische Organisation Macmillan Cancer Support hat nun ausgerechnet, wie viel Zeit wir durchschnittlich im Jahr mit Dingen verbringen, die nun wirklich unwichtig sind. Die man sich also sparen könnte, um wieder etwas mehr Zeit zu gewinnen für die Facebook-Pflege oder um noch zwei bis 367 Selfies zu schießen. 6,8 Tage sitzen wir zum Beispiel auf dem Klo. Das muss nicht sein. Würden wir die 63 Tage, die wir alle durchschnittlich im Jahr Diät machen, auf 364 erhöhen, wäre Stuhlgang überflüssig. 11,3 Tage haben wir eine Erkältung, 11,9 Tage waschen wir Wäsche, 7,9 Tage lang suchen wir irgendetwas. Aber was? Den Sinn des Lebens? Oder den Notausgang?

Die Welt in 32 Zeilen. Die besten Glossen der Stuttgarter Zeitung. Klöpfer & Meyer, 216 Seiten. ISBN 978-3-86351-417-4, 20 Euro.