Gesamtbetriebsratschef des Klinikverbunds Südwest „Die Anspannung ist hoch“

Lorenz Horlacher vor einem seiner Arbeitsplätzen – dem Klinikum Böblingen Foto: Dudenhöffer

Die Umbrüche im Klinikverbund Südwest sind groß. Wie schauen die Klinikmitarbeiter auf die Herausforderungen? Der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Klinikverbunds, Lorenz Horlacher, weiß, was Ärzte- und Pflegekollegen bewegt.

Böblingen: Martin Dudenhöffer (dud)

Hier klingelt das Telefon, da „bingt“ das Handy und dort poppt eine neue E-Mail auf. Ein Besuch im Böblinger Büro bei Lorenz Horlacher genügt, um zu verstehen, wie gefragt der Gesamtbetriebsratsvorsitzende des Klinikverbund Südwest ist. Das liegt einerseits an den tiefgreifenden Umbrüchen, in denen der Klinikverbund steckt. Andererseits ist Horlacher Ansprechpartner für Klinikmitarbeiter aus gleich sechs Standorten: Böblingen, Sindelfingen, Herrenberg, Leonberg, Calw und Nagold.

 

Seit dem Jahr 2022 ist der 31-Jährige Teil des Gesamtbetriebsrats, seit dem vergangenen Sommer ist er für die Tätigkeit in dem Gremium von seiner einst erlernten Tätigkeit freigestellt. Bevor Lorenz Horlacher die Stimme der Mitarbeiterschaft wurde, war er zwölf Jahre als Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger im Klinikverbund nah am Patienten tätig. Er kennt den Alltag auf Station aus eigener Erfahrung; war nicht nur Pfleger, sondern auch Praxisanleiter für Auszubildende – führte junge Menschen also in den Beruf ein.

Aus der Pflege in den Betriebsrat

Warum sich der ursprünglich aus dem Kreis Ludwigsburg stammende Krankenpfleger für eine Position entschied, bei der zwischen sechs Klinikstandorten pendelt, erklärt er so: „Ich war immer interessiert daran, mich für gute Arbeitsbedingungen einzusetzen. Als ich gefragt wurde, ob ich mir das vorstellen könne, habe ich mich aufstellen lassen und bin gewählt worden.“ Auch politisch ist Horlacher engagiert. Bei der Gemeinderatswahl im vergangenen Sommer trat er für die SPD in Böblingen an. Für einen Einzug hat es nicht gereicht.

Seitdem Horlacher nicht mehr auf der Station 43 der Kinderklinik Böblingen Fieber misst, Infusionen legt oder kleine Patienten betreut, besteht sein Arbeitsalltag aus Gesprächen am Telefon und Handy, aus oft mobilem Arbeiten an Laptop und iPad und aus Pendeln zwischen sechs Kliniken in zwei Landkreisen. „Oft führe ich abends nach Ende des Arbeitstages noch mit Mitarbeitern Telefonate oder bespreche mich mit der Klinikdirektion“, erzählt Horlacher.

Arbeitsbelastung ist Sorge Nummer eins

Der geplante Umzug ins Flugfeldklinikum, die angespannten Finanzen, die Arbeitsbedingungen im Gesundheitswesen oder die inhaltliche Ausrichtung der einzelnen Standorte – die Mitarbeiter treiben einige Themen um. Besonders präsent sei die Arbeitsbelastung, so der Gesamtbetriebsrat: „Die Anspannung ist hoch. Das ist auch auf den Fachkräftemangel zurückzuführen. Aktuell spüren wir auf den Intensivstationen besonders den Mangel an Arbeitskräften.“

Ebenfalls regelmäßig auf der Agenda: Kollegen, die sich mit der eigenen Zukunft am jeweiligen Standort beschäftigen. „Für einige stellt sich die Frage, ob sie an ihrem Arbeitsplatz bleiben können oder unter Umständen viele Kilometer weit weg arbeiten müssen.“ Hintergrund ist das Medizinkonzept des Klinikverbunds und der dazugehörige Kreistagsbeschluss 2023: Herrenberg soll dabei zukünftig zu einem integrierten Gesundheitszentrum umgewandelt werden. Gynäkologie und Geburtshilfe fallen weg. Der Plan sieht auch vor, dass Kreißsaalmitarbeiter wie Hebammen nach Nagold wechseln. „Das funktioniert aber nicht für jeden.“

Erweiterung des Führungsteams wird kritisch betrachtet

Durchaus kritisch beäugt werde nach Meinung der Mitarbeitervertretung die Neustrukturierung der Führungsebene. Im Januar hatte die Geschäftsführung bekanntgegeben, dass jeder Klinikstandort zukünftig einen eigenen Direktor erhält, Böblingen-Sindelfingen sogar zwei. Zur Erweiterung erklärt Horlacher: „Wer in Führung investiert, muss auch in die Menschen investieren, die täglich am Patienten arbeiten. Die Neuordnung ist nur sinnvoll, wenn sie tatsächlich zu einer besseren Steuerung führen. Daran werden wir die Umstrukturierung messen.“

Wie Betriebsräte die tägliche Arbeit der Klinikmitarbeiter positiv beeinflussen können, zeige sich an einigen Beispielen, so Horlacher: „Ich denke an die Etablierung einer Jugend- und Auszubildendenvertretung, an attraktive Sonderdienste und ,Einspring’-Prämien, an Fort- und Weiterbildungen oder an die Rabatte für Azubis bei Speisen und Getränken.“ Auch die Zusammenführung der Geburtsstationen Calw und Herrenberg seit Anfang des Jahres oder die Einführung der Vier-Tage-Woche in der Notaufnahme Leonberg seien Erfolgsgeschichten.

Wahrung der Mitarbeiterinteressen stärkt Identifikation

Trotz einiger Positivbeispiele – in Kommunikation und Integration in Entscheidungsprozessen gebe es Luft nach oben. „Einen engen Draht zu den Mitarbeitern zu pflegen, eröffnet nicht nur die Möglichkeit, gemeinsam an Verbesserungen zu arbeiten. Es sendet auch das Signal: Wir nehmen euch ernst. Das stärkt Motivation und Identifikation mit dem Arbeitgeber“, betont der 31-Jährige und fügt an: „Die Klinikmitarbeiter sind das Herz. Sie zeigen täglich, was mit Einsatz und Zusammenhalt möglich ist.“

der Gesamtbetriebsratschef hat ein offenes Ohr

Aufgaben
 Der Gesamtbetriebsrat vertritt die Interessen der Mitarbeitenden gegenüber dem Arbeitgeber. Er berät bei Fragen zum Arbeitsverhältnis, überwacht die Einhaltung von Gesetzen, Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen und setzt sich für bessere Arbeitsbedingungen ein.

Zielgruppe
 Der Gesamtbetriebsrat ist zuständig für Ärzte, Pfleger, Medizinisch-Technische- und Operationstechnische Angestellte, Auszubildende, Lehrkräfte der Klinikschule und Mitarbeitende in der Verwaltung. Ausgenommen sind Angestellte wie Reinigungskräfte, die der Service GmbH angehören. Insgesamt sitzen 33 Personen im Gesamtbetriebsrat des Klinikverbunds.

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