Zwei Kirchengemeinderäte aus St. Ulrich bewerten die Situation der Gesamtkirchengemeinde St. Hedwig und Ulrich. Diese gibt es seit einem Jahr, Vieles funktioniert mittlerweile gut, doch nicht in allen Punkten ist man sich einig.
02.02.2018 - 11:18 Uhr
Fasanenhof - Die Nachricht, dass ein Abriss der Kirche St. Ulrich kein Tabu mehr ist, hat Verwunderung und Irritationen auf dem Fasanenhof verursacht. Wir haben mit den Kirchengemeinderätinnen Marina Schaal und Anne Ripsam darüber gesprochen.
Seit einem Jahr bilden die Kirchengemeinden St. Ulrich und St. Hedwig eine Gesamtkirchengemeinde. Quo vadis aus Sicht des Kirchengemeinderats St. Ulrich?
Marina Schaal: Wir haben die Verwaltung erfolgreich zusammengeführt, also zum Beispiel den Haushalt und alle Aufgaben, die vom geschäftsführenden Ausschuss erledigt werden. Die Beziehungen zueinander sind aber noch entwicklungsfähig. Es gibt einen Unterschied zwischen einer Fusion und zwei weiterhin selbstständigen Kirchengemeinden, wie wir es sind. Diesen Grat müssen wir finden. Wir müssen abstecken, wo wir selbstständig bleiben und was wir gemeinsam machen.
Anfang Januar schrieb unsere Zeitung, dass e in Abriss der St.-Ulrich-Kirche kein Tabuthema mehr sei. Das hatten Vertreter der Diözese kurz zuvor dem Kirchengemeinderat erklärt. Der Artikel sorgte für Verwunderung auf dem Fasanenhof. Warum?
Anne Ripsam: Die Gemeindeversammlung lag noch nicht lang zurück. Damals waren andere Planungsvarianten vorgestellt worden. Alles war offen, die Kirche St. Ulrich stand nicht zur Disposition. Die Idee war viel mehr, dass die notwendigen Gemeinderäume in die Kirche eingebaut werden. Die Entscheidung der Diözese, den dafür vorgesehenen Ideenwettbewerb auszusetzen, kam für uns alle überraschend. Bei dem Termin war nur ein Teil der Kirchengemeinderäte anwesend. Wir hatten den Stand der Dinge an alle Mitglieder des Kirchengemeinderats weitergegeben. Aber wir hatten das noch nicht bei einer ordentlichen Sitzung diskutiert. Für uns gibt es immer noch mehrere bauliche Varianten.
Schaal: Ich möchte mich ausdrücklich von dem Wort „Abriss“ distanzieren und lieber von einem Kirchenumbau oder Kirchenneubau sprechen – gegebenenfalls in kleinerem Rahmen. Die Veränderungen in der Verwaltung wühlen nicht auf, aber die Kirche bedeutet für viele Heimat. Die Leute haben Ängste, wie es nachher sein wird. Die beiden Kirchengebäude sind so unterschiedlich. Wir wollen kein zweites St. Hedwig, sondern verstehen uns als eigene Gemeinde mit eigenem sakralen Bau. Der kann groß oder klein sein, sollte aber seinen eigenen Charakter haben.
Ripsam: Ich finde es wichtig, dass vor allem prägnante Teile von St. Ulrich erhalten bleiben, wie zum Beispiel der Turm, die Wand aus Glasbausteinen, für deren Erhalt wir so lange gekämpft haben, und unsere Marienkapelle, die so schön geworden ist. Damit identifizieren sich die Menschen auf dem Fasanenhof. Auch auf den Erhalt des Kinderhauses legen wir großen Wert.
Pfarrer Heiko Merkelbach und Franz-Xaver Friedel als Zweiter Vorsitzender des Gesamtkirchengemeinderats betonen, dass St. Ulrich und St. Hedwig gleichberechtigt sind. Sehen Sie das genauso?
Ripsam: Wir sind gleichberechtigt. Der geschäftsführende Ausschuss ist paritätisch besetzt, obwohl der Kirchengemeinderat von St. Ulrich kleiner ist als der von St. Hedwig. Und bei Abstimmungen geht es eigentlich nie danach, wer von St. Hedwig kommt und wer von St. Ulrich, sondern es geht um die persönliche Überzeugung. Auch die Redeanteile sind gleichmäßig verteilt. Die Sitzungen sind sachlich, auch wenn manchmal hitzig diskutiert wird.
In welchen Bereichen funktioniert die Zusammenarbeit beider Gemeinden gut?
Schaal: Wie gesagt, die Zusammenarbeit im geschäftsführenden Ausschuss funktioniert gut; auch wenn die Tagesordnung aus unserer Sicht manchmal etwas lang ist. Wir haben damit manchmal mehr Arbeit als vorher, weil wir die Themen von St. Hedwig mitbeackern müssen. Doch eigentlich sollte die Gesamtkirchengemeinde ja eine Entlastung für Haupt- und Ehrenamtliche sein.
Ripsam: Wir feiern auch gemeinsame Feste. Auch da funktioniert die Zusammenarbeit gut. Christi Himmelfahrt zum Beispiel wird als Gottesdienst der Seelsorgeeinheit im Bürgergarten beim Jugendhaus Fasanenhof gefeiert. Der Gottesdienst ist gut besucht und anschließend wird gegrillt.
Schaal: Wobei die Zusammenlegung von Festen auch ein Problem ist. Denn was man einmal zusammen feiert, das bekommt man nicht mehr auseinander. Deswegen tasten wir uns noch vorsichtig ran an die Frage, was wir gemeinsam machen und was nicht.
Und wo besteht Ihrer Meinung nach noch Nachholbedarf?
Ripsam: Schwierig ist es immer, wenn ein Gottesdienst ausfällt. Denn die Gemeindemitglieder von St. Ulrich gehen nicht nach Möhringen, und die Gemeindemitglieder von St. Hedwig kommen nicht auf den Fasanenhof.
Schaal: Auch die Vertretungsregelung bei Krankheit und Urlaub könnte besser sein. In diesen Fällen bleibt schnell mal ein Pfarrbüro ganz geschlossen oder die Arbeit fällt auf Ehrenamtliche zurück.
Was hält der Kirchengemeinderat St. Ulrich von einer Fusion beider Gemeinden? Ist das die Zukunft?
Schaal: Wir haben die Fusion beider Gemeinden 2014 lang diskutiert, aber keinen Konsens gefunden. Eine Fusion kann theoretisch funktionieren. Es besteht aber die Gefahr, dass die kleinere Gemeinde das Nachsehen hat und gerade dort zusammengestrichen wird.
Ripsam: Momentan steht eine Fusion nicht zur Debatte. Viel mehr versucht jede Gemeinde, ihre Rolle im Rahmen der Gesamtkirchengemeinde zu finden. Wir arbeiten derzeit verstärkt an einem pastoralen Konzept, das uns als Gemeinde stärkt. Die Frage ist, wie können wir als Gemeinde lebendig bleiben, die Ehrenamtlichen noch mehr stärken und dem Mitgliederschwund entgegenwirken.
Schaal: Wir werden das Thema Fusion nicht auf die Tagesordnung setzen. Uns wird ja immer wieder von der Gemeinde St. Hedwig vorgeworfen, dass wir 2015 die Fusion dann doch noch abgelehnt haben. Wir haben das aber nicht aus Jux und Tollerei gemacht. Der Vorschlag, dass Gemeinden zunächst auch eine Gesamtkirchengemeinde bilden können, kam aus dem Stadtdekanat. Für uns war diese Variante attraktiver als eine Fusion.
Wären die Beziehungen zwischen beiden Gemeinden harmonischer, wenn das Gemeindezentrum St. Ulrich nicht zur Disposition stehen würde?
Ripsam: Sie wären harmonischer, wenn die Kirche nicht zur Disposition stehen würde. Wenn man auf die Gebäude schaut, muss man zugeben, dass deren Erhalt einen immensen Aufwand bedeutet. Da kann man sich schon verkleinern. Im Prinzip geht es darum, dass wir zwei Gemeinden und zwei Standorte erhalten wollen. Dazu gehören auch zwei Kirchen. Der sakrale Bau ist uns wichtig.