Jeanette Brauer verwirklicht mit „Vinly“ in der Heusteigstraße 108 ihren Traum: Sie restauriert dort alte Möbel. Die 30-jährige Projektmanagerin hat ihren Job in einer Agentur auf Teilzeit reduziert. Wenn sie nicht werkelt, verbringt sie ihre Zeit auf Flohmärkten und sucht nach alten Schätzen, die eine Geschichte erzählen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Süd - Auf der rosa Kommode steht ein süßes Puppenbettchen. Darauf hat Jeanette Brauer eine kleine Stoffpuppe drapiert. An der Wand hängen rosa Bilderrahmen, der frisch gestrichene Wandschrank daneben leuchtet in einem zarten Hellgrün. In jeder Ecke der alten Werkstatt im Hinterhof an der Heusteigstraße 108 stehen dekorative Gegenstände, etwa eine Vase mit rosa Blumen, ein Schächtelchen oder kleine Kerzen, die Jeanette Brauer auf irgendeinem Flohmarkt gefunden hat. Hier rosa, dort türkis: Brauers Holzwerkstatt gleicht einem Kleinmädchenzimmer – nur ohne Pferdeposter an der Wand. Lieblich und verspielt sind ihre restaurierten Möbel. „Das sind Schmuckstücke, in die man sich verliebt“, sagt Brauer. Ihre Sachen stellt man sich in die Wohnung, weil man sie schön findet, nicht weil man sie braucht. Männer sind übrigens kaum unter ihren Kunden.

 

Die Mischung aus alt und schön

Passend zu ihrem Stil hat Jeanette Brauer ihr erstes eigenes Label „Vinly“ genannt, eine Wortkombination aus „vintage“ und „lovely“. Die 30-Jährige hat für ihr kleines Unternehmen im vergangenen Jahr ihren festen Job als Projektmanagerin in einer Werbeagentur gekündigt. Schreinerin oder Restauratorin hat sie nicht gelernt. Das war lediglich ihr Hobby. Inzwischen ist es ihr Teilzeit-Beruf. Während einer sechsmonatigen Auszeit hat Brauer zwei Praktika absolviert und verschiedene Holzmalkurse besucht. „Den Rest habe ich mir selbst beigebracht. Alles Learning by Doing“, sagt die Frau aus dem Stuttgarter Westen. Do it yourself boomt. Immer mehr junge Frauen basteln, werkeln, stricken oder nähen und verkaufen ihre selbst gemachten Werke im Online-Shop, auf Dawanda oder auf Kunsthandwerkermärkten. Auch im Heusteig- und Lehenviertel gibt es viele kleine Einzelhändler, die in ihrer Nische überleben wollen. Der großen Konkurrenz ist sich Jeanette Brauer bewusst. Allerdings gebe es im Bereich Möbel in Stuttgart nicht sehr viele andere, sagt sie.

Restauration ist ihr Metier

Nur auf ihr Hobby zu setzen, war ihr aber doch zu riskant. Nach einer sechsmonatigen Findungsphase, in der sie sogar ihrer Wohnung untervermietet hat und beim Freund eingezogen ist, arbeitet sie nun seit einiger Zeit wieder in Teilzeit in einer Agentur. „Der Ausgleich zwischen Handwerk und Bürojob ist ganz schön“, findet sie. Im Büro habe sie Anschluss an die Kollegen, ein sicheres Auskommen, in ihrer Werkstatt lebt sie ihre Kreativität aus, schafft mit den Händen. „Dort bin ich für mich, kann abschalten. Die Zeit vergeht wie im Flug“, schwärmt Brauer. „Das ist echt eine ganz coole Geschichte.“ Allein davon leben könnte sie aber definitiv nicht.

Mit Holz kam die gebürtige Freiburgerin schon als Kind in Berührung. Ihr Vater hat eine Schreinerei, die Mutter ist als Keramikerin ebenfalls handwerklich-kreativ tätig. Vor drei Jahren hat Jeanette Brauer dann selbst angefangen, mit Holz und alten Möbeln zu arbeiten. Lange schwankte sie zwischen der klassischen Schreinerarbeit und Restauration. Nach ihren zwei Praktika sieht sie nun klarer. „Restauration finde ich spannender“, sagt sie. Alte Möbel haben für Brauer eine Geschichte. Die will sie wiederbeleben, ja fortführen. Ihre Schätze findet sie auf Flohmärkten, gerne im Elsass, oder bei Haushaltsauflösungen.

Anfangs arbeitete sie in ihrem Keller. „Das war nicht sonderlich inspirierend“, erzählt sie. Eine Werkstatt war ihr Traum. Deshalb hat sie zugeschlagen, als das Angebot kam. „Man muss nicht immer alles totdenken“, sagt die Teilzeit-Projektmanagerin, die für ihr Studium an der Hochschule der Medien nach Stuttgart kam. Dass die Werkstatt alt und etwas heruntergekommen ist, stört sie nicht. „Ich will ja werkeln“, meint sie. Und so verpasst sie alten Schränke, Kommoden oder Lampen ihren eigenen, romantischen Stil. In Rosarot und in Türkis.

Weitere Informationen: http://www.vinly.de/