Die fristlose Kündigung von Ex-Abteilungsleiter Braun ist laut Arbeitsgericht Stuttgart unwirksam, die fristgerechte Trennung geht wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen aber in Ordnung.

Stuttgart - Auch die zweite im Zusammenhang mit den Problemen in der International Unit (IU) des Klinikums Stuttgart ausgesprochene fristlose Kündigung ist unwirksam. Wie schon im Fall der entlassenen Chefin für Finanzen und Controlling, Antje Groß, wurde festgestellt, die Stadt habe beim ehemaligen IU-Abteilungsleiter Andreas Braun zu lange gewartet. Eine fristlose Kündigung muss innerhalb zwei Wochen nach Bekanntwerden der Vorwürfe ausgesprochen werden. Das sei Ende 2015 gewesen, als das Rechnungsprüfungsamt seinen Bericht präsentiert hatte, meint Richter Niki Sänger. Die Stadt habe aber erst Monate später die Kanzlei BRP Renaud und Partner mit Recherchen beauftragt.

 

Keine Einwände hatte Sänger gegen eine ordentliche Kündigung wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Behandlung und Betreuung von 370 libyschen Kriegsversehrten. Braun räumte ein „hemdsärmeliges Vorgehen“ ein, das es seiner Ansicht nach aber im Umgang mit Geschäftspartnern aus dem arabischen Kulturkreis und für erfolgreiche Abschlüsse brauche. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe wies der frühere Landesvorsitzende der Grünen zurück.

Braun hätte den Vertrag nicht unterschreiben dürfen

Das Gericht folgte in zentralen Punkten der Argumentation der Stadt, die Braun vorwarf, gegen „die Vermögens- und Geschäftsinteressen“ des Klinikums verstoßen zu haben. Den Kooperationsvertrag mit dem libyschen Kriegsversehrtenkomitee mit einem Umfang von angeblich fast 28 Millionen Euro für Behandlung und Betreuung hätte er nicht ohne Vollmacht des damaligen Geschäftsführers Ralf-Michael Schmitz unterzeichnen dürfen. Brauns Anwalt Ewald Bartl erklärte in der Verhandlung, der Ex-Chef habe seinen Mandaten „vorgeschickt“. Von dem Vertrag hätten alle in der Leitung gewusst.

Richter Sänger hielt fest, es seien vielfach fragwürdige Rechnungen beglichen worden. Dabei stützt er sich auch auf E-Mails, die in einem Fall sogar bis ins Auswärtige Amt zur damaligen Staatsministerin Cornelia Pieper (FDP) führende „Lobbyarbeit“ belegen sollen. Für die Bemühung, eine schnellere Visagenehmigung zu organisieren, waren einer Firma 119 000 Euro überwiesen worden. „Sollen wir vorher bezahlen für vielleicht nix?“, fragte Braun seinen libyschen Ansprechpartner Mazen Khalil , der beruhigte, dass man bei Misserfolg beim Lobbyisten etwas gut habe. Als „mehr als abenteuerlich“, bezeichnete der städtische Rechtsvertreter Fecker die Korrespondenz zwischen Braun und drei Provisionsbeziehern. Es galt, 30 Prozent der Summe zu verteilen, die das Komitee für Behandlung und Betreuung überweisen sollte. Konkret thematisiert wurde der Abschlag für eine Rate von 8,3 Millionen Euro. Die Provisionen sind laut Gericht „ohne erkennbar adäquate Gegenleistung“ auf Basis von „Scheinrechnungen“ gewährt worden, die Brauns Stellvertreterin in mindestens einem Fall mit einer unauffälligen Rechnungsnummer versehen habe.

Abu-Rikab wehrt sich weiter gegen Vorwürfe

Dieser Komplex könnte noch vor einer Strafkammer thematisiert werden. Während die beiden libyschen Provisionsbezieher über alle Berge sind, hat der dritte Empfänger im Sitzungssaal gegen die Behauptungen von städtischer Seite protestiert. Es handelt sich um Nabel Abu-Rikab aus Ludwigsburg, der jahrelang Patienten aus Kuwait während ihres Aufenthalts im Klinikum betreut hatte. Er war für ein städtisches Projekt mit dem kuwaitischen Gesundheitsministerium engagiert. Und schließlich hielt man ihn für geeignet, die Unterbringung und Verköstigung der 370 Kriegsversehrten zu organisieren. Er habe für die vom Richter genannte Fünf-Prozent-Provision (rund 370 000 Euro) ein halbes Jahr vor der Ankunft des ersten Flugzeugs mit rund 140 Patienten erhebliche Vorarbeiten geleistet. Es hätten die Arztberichte aus Libyen von rund 2000 avisierten Patienten organisiert und übersetzt werden müssen. Danach habe er mit dem Klinikums Kostenvoranschläge erstellt.

Den weiteren Vorwurf, bei der Übergabe des zwischen Braun und dem Komitee-Beauftragten Esbaga vereinbarten Essens- und Taschengelds für die Patienten und Betreuer (für Mai 2014 in Höhe von 350 000 Euro) seien bei ihm 100 000 Euro hängen geblieben, kontert er mit der Zusage, vor Gericht unter Eid widersprechen zu wollen – und mit einer Empfangsbestätigung durch einen Libyer über den vollen Betrag.

Richter Sänger soll mit falschen Zahlen hantiert haben

Der ehemalige Betreuer hat sich als Gegenspieler der Stadt positioniert. Seiner Meinung nach wurde er wegen ausbleibender Honorarzahlungen, die er mit dem städtischen Klinikum vereinbart hatte, ins Insolvenzverfahren getrieben. Eine aus seiner Sicht unberechtigte Forderung über rund 3,2 Millionen Euro habe ihn dann in eine finanziell aussichtslose Lage gebracht. Er geht wie andere Klinikum-Insider davon aus, dass wegen der überhöhten Rechnungen für Behandlungen kein Minus von neun Millionen Euro entstanden ist, sondern sich nur überzogene Erlöserwartungen in Luft aufgelöst hätten, nachdem die Libyer ihre Schlussrate schuldig geblieben waren. Er moniert angeblich von BRP falsch kalkulierte Abrechnungen von Visaverlängerungen und VVS-Tickets für die Patienten. Deshalb habe der Richter in der Verhandlung falsche Zahlen genannt.

Alle Belege lägen bei der Stuttgarter Staatsanwaltschaft, die gegen ihn und Braun ermittelt und sich eine Ausweitung der Ermittlungen vorbehält – etwa auf Ex-Geschäftsführer Schmitz, von dem sich die Stadt 2016 mit „Goldenem Handschlag“ getrennt hatte.