Begeistert von den heilsamen Kräften der Zirbe haben Jasmin und Matthias Klingler ihr Leben umgekrempelt. Sie gründeten ein eigenes Unternehmen für Produkte der hierzulande noch nicht so bekannten Baumart.

Winnenden - Wer den Zirbenwald in Winnenden betritt, den erwartet ein Aha-Effekt. Denn kaum dass sich die Tür des kleinen Ladens in der Ringstraße 32 mit angeschlossenem Café hinter einem geschlossen hat, fühlt man sich schon wie in den Bergen. Entspannt lächeln die beiden Inhaber Jasmin und Matthias Klingler ihren Gästen hinter der urigen Theke aus altem Holz entgegen. Auch die Wände sind teilweise rustikal mit Holzbrettern eingekleidet, die von Wind und Wetter und dem Zahn der Zeit gegerbt sind. In der Luft hängt ein angenehm würzig-harziger Duft. Das Wintergrau draußen, den Verkehrslärm der Alten B 14 und die Hektik des Alltags hat man schlagartig vergessen, während sich eine wohlige Ruhe auszubreiten beginnt.

 

Entschleunigung aus Südtirol

Der Zirbenwald ist kein gewöhnliches Geschäft. Für das Unternehmerpaar liegt die Ursache der Entschleunigung in ihrem kleinen Reich auf der Hand: die Produkte aus Zirbenholz, die sie seit ein paar Jahren aus Südtirol importieren – von Schalen und Brotkästen über Zirbenflocken und damit selbst gemachten Kissen bis hin zu Kosmetikartikeln ihrer Eigenmarke.

Für diese Geschäftsidee hat vor allem Jasmin Klingler ihr Berufsleben komplett umgekrempelt. Den Ausschlag dafür gab 2013 ein Wochenende in einem Hotel im südtiroler Ultental, wie Jasmin Klingler berichtet: „Wir hatten schon öfter Wellnessurlaub gemacht, aber haben uns noch nie so entschleunigt gefühlt wie nach diesen zwei Tagen.“ Um der Sache auf den Grund zu gehen, hakten die Winnender beim Hotelpersonal nach. So erfuhren sie, dass die gesamte Ausstattung der Zimmer nicht aus irgendeinem Holz gefertigt ist sondern aus Zirbe, einer Nadelbaumart aus dem Hochgebirge, der man auf Grund ihrer ätherischen Öle heilsame Kräfte zuschreibt. Auch darüber hinaus sei Zirbenholz im gesamten Hotel präsent gewesen, selbst als Dekoration, erzählen die beiden.

Vom Online-Shop zum eigenen Laden

Dass die Wirkung der Zirbe nicht eingebildet ist, belegten Studien, sagt Matthias Klingler: „Durch Tests mit Probanden, die mit und ohne Zirbe im Zimmer geschlafen haben, hat man festgestellt, dass durch das Holz das Herz pro Tag 3500 Mal weniger schlägt, sich dadurch also beruhigt.“ Auch hohen Blutdruck könne es senken, ergänzt seine Frau. Beeindruckt von der Wirkung durch die selbst gemachten Erfahrungen gründeten Klinglers zunächst einen Onlineshop für Zirben-Produkte aus dem Ultental, den sie nebenberuflich betrieben. „Ein Zimmer unserer Wohnung hatten wir zum Lager umfunktioniert, aber auch sonst ist man überall über Kartons gestolpert“, erzählt Matthias Klingler von der Anfangszeit. 2016 kündigte Jasmin Klingler dann ihren Job als Einkaufsassistentin im Lebensmittelgroßhandel für die Eröffnung des Ladens in Winnenden.

„Ich bin angekommen“, sagt die 37-Jährige über ihre berufliche Veränderung – obwohl sie nun statt fester Arbeitszeiten an Acht-Stunden-Tagen mindestens zehn Stunden im Laden steht. Die Ruhetage sonntags und montags nutzt sie für die Buchhaltung, für Umgestaltungen und Großreinemachen im Geschäft sowie um neue Ware bei den Produzenten in Südtirol zu holen, zu denen sie persönliche Kontakte pflegt. Ihr Mann unterstützt sie nach Feierabend und am Wochenende. Hauptberuflich ist der 53-Jährige weiterhin als Verkaufsleiter in der Schorndorfer Niederlassung eines großen Stuttgarter Autoherstellers tätig. Jasmin Klinglers Mutter versorgt das Zirbenwald-Café mit selbst gebackenem Kuchen.

Nach und nach wuchs das Sortiment des Unternehmerpaares immer mehr. Inzwischen umfasst es noch weitere Produkte aus dem alpenländischen Raum, wie etwa Bergkräutertees, Kaffee von einer österreichischen Rösterei, aber auch Dekorationsartikel, sowie Babykleider aus ökologischer und nachhaltiger Produktion. Darüber hinaus veranstalten die beiden in ihrem Laden Konzerte und Frühstücksbuffets.

Der Hochgebirgsbaum

Baumart
Die Zirbe, auch Zirbelkiefer, Zirm, Zirbel oder Arve genannt, ist eine Baumart, die vorwiegend im Hochgebirge vorkommt. Ihre Exemplare können bis zu 1000 Jahre alt werden. Sie sind oberhalb von 1200 Metern und bis zur Baumgrenze auf etwa 2500 Meter zu finden. Schwerpunkt der Verbreitung sind die westlichen Zentralalpen (Wallis, Engadin, Ötztaler- und Zillertaler Alpen).

Eigenschaften
Die Bäume können extremen klimatischen Bedingungen standhalten. Selbst Fröste von 40 Grad minus können ihnen nichts anhaben. Zirben können rund 20 Meter hoch werden, wachsen indes langsam. Dementsprechend teuer ist ihr Holz. Auch wegen der darin enthaltenen ätherischen Öle gilt es als besonders wertvoll.