Bunte Bildchen mischen das Grau in Grau der Buchstabenwelt auf. Zum Welttag des Emojis schauen wir zurück auf die Geschichte der Smileys und Symbole und fragen uns: Sind Emojis die neue Weltsprache oder Sinnbild kulturellen Verfalls?

Wochenend-Magazin: Markus Brauer (mb)

Stuttgart - Die Kunst der Korrespondenz, Briefe in Schönschrift, ästhetisch und orthografisch perfekt, handgeschrieben mit Tinte – das war einmal. Heute wird getwittert, gesimst, gemailt, geappt. Willkommen in der digitalen Welt, im Reich der Schnipseldialoge, Emojis und Emoticons.

 

Was früher Schriftverkehr hieß, ist heute ein Mix aus digitalen Textbausteinen und bunten Symbolen. Wer nicht täglich auf der Handy-Tastatur rumklickt, ist hoffnungslos „Old school“ – von der alten Schule. Konversationslexika und Schreibfibeln sind unter „Digital Natives“ – die junge Generation, die im Internetzeitalter aufgewachsen ist – nicht mehr sonderlich angesagt.

Seit 2011 auf iPhones und seit 2013 auf Android

Emojis heißen die bunten Minizeichen, die man auf dem Touchscreen jedes neuen Handys findet. Das Wort stammt aus dem Japanischen und bedeutet Bildschriftzeichen. Seit die Grafiksymbole 2011 auf iPhones von Apple und 2013 auf Android von Google, den verbreitetsten Handy-Betriebssystemen, eingeführt wurden, ist ihr Siegeszug nicht mehr zu stoppen. Sogar Stuttgarter Klassiker, wie den Fernsehturm oder Hauptbahnhof gibt es mittlerweile als "Stumoji".

Erfunden hat sie Shigetaka Kurita, ein Entwickler bei NTT Docomo, dem größten Mobilfunkanbieter Japans. 1998 entwarf er einfarbige Bilderbuchstaben, die von den Manga-Comics und der Kunst der Kalligrafie inspiriert waren. Seit Emojis 2010 weltweit normiert und in den Unicode aufgenommen wurden – dem internationalen digitalen Standard für alle bekannten Schriftzeichen und Textelemente –, bringen die Bildsymbole frischen Wind in die globale Kommunikation.

Emoticons den Rang abgelaufen

Während Emoticons – ein Kofferwort aus „emotion“ (Gefühl) und „icon“ (Bild) – auf Gefühle beschränkt sind, werden Emojiis auch für allgemeine Begriffe wie Pflanzen, Essen und Trinken, Tiere, Verkehr oder Wetter verwendet.

Den Emoticons haben sie längst den Rang abgelaufen. Deren Erfinder, der amerikanische Informatik-Professor Scott E. Fahlmann, findet die lästige Konkurrenz „ziemlich hässlich“. Emojis seien ein Rückfall ins Zeitalter der Hieroglyphen.

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Im Anfang war das Smiley

Im Gegensatz zu Emojis sind Emoticons um 90 Grad gedrehte, liegende Strichbilder von Gesichtern. Ihre Geburtsstunde war der 19. September 1982. An diesem Tag verschickte Fahlmann im Bulletin Board (eine Art elektronisches Schwarzes Brett) der Carnegie Mellon Universität University in Pittsburgh eine Zeichenkombination, die das Smiley-Gesicht des US-Werbegrafikers Harvey Ball nachbildete.

Ball war der Erste, der 1963 auf die Idee kam, zwei Punkte und einen gebogenen Strich in einen gelben Kreis zu zeichnen. Fertig war das weltberühmte Grinsegesicht, eine Ikone der Moderne.

Die Gebrauchsanweisung für seine mal humorvoll :-), mal ernst :-( gemeinte Zeichenkombination lieferte Fahlmann damals gleich mit: „Bitte seitwärts lesen.“ 1990 druckte die „New York Times“ dessen „Joke markers“ (Witz-Markierungen) erstmals ab, 2001 fanden sie Einzug ins „Oxford English Dictionary“.

Kamojis

Emoticons sind trotz immer neuer Emojis nicht totzukriegen. Die klassischen Zeichenfolgen aus Doppelpunkt, Trennstrich und runder Klammer werden weiterhin eifrig via PC, Laptop, Tablet oder Smartphone bei @-Mails, Instant-Messing, in Foren und beim Chatten genutzt. Schließlich gibt es noch Kaomojis, eine japanische Sonderform der Emoticons – stilisierte Smileys, die nicht gedreht sind.

Digitale Revolution

Drei Viertel der weltweit vier bis fünf Milliarden Mobiltelefonierer verwenden Emojis. Der Klassiker, das lachende Smiley, wird häufiger verwendet als die Zahl fünf oder der Bindestrich. Die digitale Revolution – die Automatisierung in der Produktion und der Aufbau weltweiter Kommunikationsnetze wie das Internet – hat das Alltagsleben endgültig durchdrungen.

Droht mit dem digitalen Zeitalter der kulturelle Verfall, das Ende des Abendlandes und der Sprachenvielfalt, wie Kulturpessimisten fürchten? „Emojis werden vor allem in der privaten, informellen Kommunikation genutzt“, erklärt Christa Dürscheid, Professorin für deutsche Sprache an der Universität Zürich. Sie sieht in ihnen eine immense Bereicherung des Spektrums der geschriebenen Sprache.

Wer im Netz unterwegs ist, hat keine Zeit für langatmige Erklärungen und endlose Debatten. Digitale Kommunikation ist kurz, plakativ, schnell und schrill. Ein lachendes oder weinendes Smiley sagt oft mehr als ein Wortschwall. Nach Ansicht von Christa Dürscheid lockert Emojis persönliche Nachrichten auf und bieten zusätzliche Möglichkeiten, Stimmungen, Gefühle, Hinweise und Infos zum Ausdruck zu bringen. „Ein neues Stilmittel, nicht nur für Jugendliche.“

Stimmungen und Assoziationen

Auch Anatol Stefanowitsch, Professor für Sprachwissenschaft an der Freien Universität Berlin, sieht in den bunten Piktogrammen keine Gefahr fürs gesprochene und geschriebene Wort. Emojis würden weder Wörter oder Sätze ersetzen noch einen Sinnzuzusammenhang verständlicher machen, sondern eine Situation, Stimmung oder Assoziation des Verfassers widerspiegeln. Was sich durch Gestik, Mimik und Artikulation nicht mitteilen ließe, dafür verwende man Symbole.

Auch wenn junge Menschen heute seltener als frühere Generationen Briefe schreiben, bedeutet das nicht, dass sie verblöden. Ihre Kreativität entfalten sie in der digitalen Schriftsprache, die ganz neue interaktive Möglichkeiten bietet. Aufhalten lässt sich dieser Trend sowieso nicht. Jugendliche kommunizieren vor allem per Textnachrichten und Anrufen, erst dann folgen die reale Begegnung und das persönliche Gespräch.

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Piktorales Schreiben

Man kann Emojis als Technikspielerei, digitalen Unfug oder Zeitgeist-Phänomen abstempeln. Fakt ist: „Emojiis funktionieren da, wo Worte an ihre Grenzen stoßen“, sagt Tyler Schnoebelen, Sprachforscher an der amerikanischen Elite-Universität Stanford in Kalifornien.

„Back to the roots“ – zurück zu den Wurzeln. Anfangs sei die Schriftsprache sehr bildhaft gewesen, erklärt Christa Dürscheid. „Das piktorale Schreiben als Ersatz für Buchstaben ist eine neue Entwicklung in Anlehnung an die Anfänge der Schrift.“ Anders ausgedrückt: Was geschrieben ist, wird wieder geschrieben; was man gesagt hat, wird man wieder sagen. Es gibt nichts Neues unter der Sonne. Nachzulesen in der alttestamentlichen Bibel – in hebräischen Buchstaben.