Reportage: Robin Szuttor (szu)

Auf Burgen wurden seit dem zwölften Jahrhundert Abtrittserker gebaut. Was hinten rauskam, flog im freien Fall in den Graben. Seit dem 13. Jahrhundert gab es Abortschächte. Sie führten über mehrere Etagen durch das Hausinnere in eine Fäkaliengrube. Am Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses ist heute noch zu bewundern, wie raffiniert sich so ein Schacht an ein repräsentatives Ensemble schmiegen konnte. Von außen verriet damals höchstens der Geruch, was sich hinter der Fassade verbarg. Ein in Stein gemeißelter Löwe mit geöffnetem Maul diente der Entlüftung.

 

Während es schon in Pompeji mit Flanschverbindungen versehene Rohrsysteme in Wohnhäusern gab, hatten hiesige Schlossherrn noch Ende des 19. Jahrhunderts keine Wasserspülungen installiert. "Warum, weiß ich nicht", sagt Wiese. "Natürlich wäre die Verlegung aufwendig und ein riesiger Eingriff in die Bausubstanz gewesen, aber an Geld mangelte es ja kaum."

Die Römer saßen schon vor 2000 Jahren auf ihren Klosettbänken, unter ihnen die Kanalisation, und säuberten sich mit dem Xylospongium, einen an einem Holzstab befestigten Schwamm, den sie zwischen den Beinen hindurchführten und danach in einem Wasserkübel ausdrückten. In nördlicheren Gefilden hingegen steigerte man sich seit dem Mittelalter in eine regelrechte Wasserphobie hinein. Vor allem im Barock und Rokoko herrschte die Überzeugung, Wasser bringe körperliches und seelisches Verderben. Alles Flüssige war schädlich, was der Mensch zur Ausscheidung brachte - Exkremente, Blut, Schleim, Galle, Schweiß - war feindlich. Wasser galt als Keim aller Krankheiten, was zumindest bei Pest und Cholera ja auch zutraf. Einläufe und Brechmittel wurden zu Allzweckwaffen.

Bei der Haarpflege wurde auf Wasser verzichtet

Im Barock entwickelten sich neue Reinigungsstrategien. Der Körper wurde unter einer Schicht von Salben und Schminken verdeckt, auch das Abreiben mit Tinkturen galt als unbedenklich. Wenn gebadet wurde, dichtete man vorher, die Haut mit Öl, Wachs oder Salz ab. Oder man füllte den Zuber gleich mit Wein. Statt sich zu waschen, häufte der Adel aber eher Unterhemden und Unterröcke an, die mehrfach am Tag gewechselt wurden. Stellen, die zu Körpergeruch neigten, wurden mit parfümieren Tüchern abfrottiert. Es war die Hochzeit der Parfüms, Puder, Pasten. Markgräfin Sibylla von Baden (1674-1733) hinterließ ein Rezept für eine "sehr gute Bomaden um das Gesicht, Handt und Halß in glatte und schöne Haut zu machen". Man nehme: "Von jungen Lämmern die Markbeine, brennt sie, dass sie weiß werden, hernach schabet man sie zu Pulver."

Es gibt Spuckschälchen, Bettpfannen, Kolbenklistiere oder den Zungenschaber aus dem Reisenecessaire eines badischen Oberhofmarschalls zu bestaunen. Ein bauchiger Nachttopf von 1767, echt Frankenthal, steht neben einem 300 Jahre alten Riechdöschen, das Edelleute mit Ammoniak füllten und am Körper trugen, um sich vor den Gefahren unreiner Luft zu schützen. Highlight ist der mit Saffianleder gepolsterte Leibstuhl, auf dem Kurfürst Carl Theodor von der Pfalz (1724-1799) wohl recht viele glückliche Momente erleben durfte. Augenblicke, die ganz ihm gehörten.

Bourdalous, längliche Gefäße mit Henkel, halfen den Frauen, sich bequem zu erleichtern. So konnte die Dame von Stand, die erst seit dem 19. Jahrhundert (im Schritt offene) Unterhosen trug, mit einer Hand ihre Röcke raffen und mit der anderen das Bourdalou zwischen den Schenkeln platzieren. Später, als nicht jeder Adelsspross die eigentliche Bestimmung seiner Erbstücke mehr kannte, soll manches Bourdalou wegen seiner formalen Ähnlichkeit fälschlicherweise als Sauciere benutzt worden sein. Ein Aspekt der Kulturgeschichte, der nicht ganz vergessen werden darf.

Wasserphobie im Barock und Rokoko

Auf Burgen wurden seit dem zwölften Jahrhundert Abtrittserker gebaut. Was hinten rauskam, flog im freien Fall in den Graben. Seit dem 13. Jahrhundert gab es Abortschächte. Sie führten über mehrere Etagen durch das Hausinnere in eine Fäkaliengrube. Am Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses ist heute noch zu bewundern, wie raffiniert sich so ein Schacht an ein repräsentatives Ensemble schmiegen konnte. Von außen verriet damals höchstens der Geruch, was sich hinter der Fassade verbarg. Ein in Stein gemeißelter Löwe mit geöffnetem Maul diente der Entlüftung.

Während es schon in Pompeji mit Flanschverbindungen versehene Rohrsysteme in Wohnhäusern gab, hatten hiesige Schlossherrn noch Ende des 19. Jahrhunderts keine Wasserspülungen installiert. "Warum, weiß ich nicht", sagt Wiese. "Natürlich wäre die Verlegung aufwendig und ein riesiger Eingriff in die Bausubstanz gewesen, aber an Geld mangelte es ja kaum."

Die Römer saßen schon vor 2000 Jahren auf ihren Klosettbänken, unter ihnen die Kanalisation, und säuberten sich mit dem Xylospongium, einen an einem Holzstab befestigten Schwamm, den sie zwischen den Beinen hindurchführten und danach in einem Wasserkübel ausdrückten. In nördlicheren Gefilden hingegen steigerte man sich seit dem Mittelalter in eine regelrechte Wasserphobie hinein. Vor allem im Barock und Rokoko herrschte die Überzeugung, Wasser bringe körperliches und seelisches Verderben. Alles Flüssige war schädlich, was der Mensch zur Ausscheidung brachte - Exkremente, Blut, Schleim, Galle, Schweiß - war feindlich. Wasser galt als Keim aller Krankheiten, was zumindest bei Pest und Cholera ja auch zutraf. Einläufe und Brechmittel wurden zu Allzweckwaffen.

Bei der Haarpflege wurde auf Wasser verzichtet

Im Barock entwickelten sich neue Reinigungsstrategien. Der Körper wurde unter einer Schicht von Salben und Schminken verdeckt, auch das Abreiben mit Tinkturen galt als unbedenklich. Wenn gebadet wurde, dichtete man vorher, die Haut mit Öl, Wachs oder Salz ab. Oder man füllte den Zuber gleich mit Wein. Statt sich zu waschen, häufte der Adel aber eher Unterhemden und Unterröcke an, die mehrfach am Tag gewechselt wurden. Stellen, die zu Körpergeruch neigten, wurden mit parfümieren Tüchern abfrottiert. Es war die Hochzeit der Parfüms, Puder, Pasten. Markgräfin Sibylla von Baden (1674-1733) hinterließ ein Rezept für eine "sehr gute Bomaden um das Gesicht, Handt und Halß in glatte und schöne Haut zu machen". Man nehme: "Von jungen Lämmern die Markbeine, brennt sie, dass sie weiß werden, hernach schabet man sie zu Pulver."

Selbst bei der Haarpflege wurde restlos auf Wasser verzichtet. Zum Entfetten dienten Kleie oder Puder, Milben oder Flöhen kam dieser Trockenputz sehr zupass. Ende des 18. Jahrhunderts nahmen die Frisuren der Noblesse bombastische Ausmaße an, wuchsen bis zu einem halben Meter in die Höhe und mussten mit Unterkissen aus Wolle und Draht befestigt werden. Den Juckreiz versuchte man, mit Kopfkratzer in den Griff zu kriegen, gegen Ungeziefer wurden filigrane Elfenbeingehäuse mit Schlitzen in Frisuren eingearbeitet. Diese sogenannten Flohfallen waren mit blutgetränkter Watte bestückt und innen mit Honig bestrichen, damit die Tierchen daran kleben blieben. Trotz der Mühen ging auf vielen Schädeln die Haarpracht bald vollends flöten. Perücken kamen groß in Mode.

Eine technische Revolution

In den Schlössern gab es eigens Puderkammern. In der kurpfälzischen Sommerresidenz Schwetzingen ist ein solcher Raum erhalten. Mit Hilfe eines Blasebalgs stäubte man den Puder in die Höhe, so dass er langsam aufs Haar herabrieseln konnte. Dabei hielt die Dame oder der Kavalier eine Papiermaske mit Glaseinsätzen für die Augen vor das Gesicht. Als Puder verwendeten die Visagisten von damals mit Parfum veredeltes feines Bohnenmehl oder die gröbere Weizenvariante. In Frankreich soll es ob des Puderwahns gegen Ende des 18.Jahrhunderts zu einem Mehlmangel gekommen sein - was die revolutionären Kräfte erst richtig anstachelte. "Wenn man bedenkt, dass bei Festen in Versailles 10.000 Gäste bei Hofe weilten, scheint mir das nicht übertrieben", sagt Wiese.

Eine technische Revolution waren die "Water Closets", die Mitte des 19. Jahrhunderts auf den europäischen Markt kamen. Toilettenstühle, die in ihrem Inneren einen Wassertank mit hydraulischem Pumpsystem bargen. Beim Absenken des Deckels setzte sich eine Wasserspülung in Gang und beförderte das Häufchen in einen Eimer. Die Sitzbrillen hatten meist Polster aus Damast oder Samt. Das war angenehm für die Haut, aber nicht besonders hygienisch. Ein Rundgang im Schwetzinger Magazin offenbart, dass die Bakteriennester selten ausgewechselt wurden. Die schäbigen Dinger müssen viele Jahre in Betrieb gewesen sein.

Ludwigsburger entwickelt sanitäre Geniestreiche

Ein Meilenstein in der Geschichte der Toilettenhygiene wird 1928 im Südwesten gelegt. Der Ludwigsburger Hans Klenk beweist ein geschicktes Händchen für Geschäfte, gründet die erste Toilettenpapierfabrik Deutschlands - und sorgt auch gleich für eine Standardisierung der Blattanzahl pro Rolle: 1000 Stück, für jedweden Hintern geeignet. Im gleichen Jahr, das private Hausbad kommt gerade erst in Mode, erfindet Hans Grohe im Schwarzwaldstädtchen Schiltach die Handbrause als Alternative zur damals üblichen Kopfbrause. Später entwickelt er auch noch die Brausenstange, an der sich die Handbrause in beliebiger Höhe fixieren lässt. Sanitäre Geniestreiche.

Aus dem Dreimannbetrieb ist ein weltumspannendes Unternehmen geworden, das heute den dänischen Kronprinzen Frederik und Gemahlin Mary mit Toilettenarmaturen aus poliertem Nickel beliefert oder das Mandarin Oriental Hotel in Barcelona mit Badewannen ausstattet, die an alte Waschzuber erinnern. Der letzte Schrei aus dem Kinzigtal: ein mit Luft angereicherter Duschstrahl, der einen glauben lässt, man werde von einem tropischem Regenguss verwöhnt. Königliches Waschvergnügen.

Die Ausstellung "Das stille Örtchen - Tabu und Reinlichkeit bey Hofe" wird heute eröffnet. Sie ist bis zum 19. Februar im Schloss Schwetzingen zu sehen.