In der Futterküche des zoologisch-botanischen Gartens in der Stuttgarter Wilhelma bieten sich Einblicke in die Vergangenheit der Tier- und Pflanzenschauen. Klaus-Dieter Strauß und Michael Scholl hegen und pflegen die historische Sammlung.

Stuttgart - Einen Pudel in der Wilhelma gewinnen? Was heute unvorstellbar scheint, war vor gut 60 Jahren durchaus real. Wer am letzten Augustwochenende 1952 den Zoo besuchte, konnte bei der Verlosung im Rahmen einer Hundeschau mit Glück den schwarz gelockten Hauptgewinn einstreichen. Der gedruckte Beweis dafür hängt im „Hoheitsgebiet“ von Futtermeister Klaus-Dieter Strauß und Futterküchenchef Michael Scholl.

 

Dort, hinter dem großen Tor mit der Aufschrift „Warenanlieferung“, wäre es karg ohne die vielen Farbtupfer. Ungezählte Zooplakate zieren die Wände. Die Futterküche selbst ist der „Wilhelma-Raum“. Poster werben dort unter anderem für Azaleen, Panther, Seelöwen, Paviane, Titanenwurz, Wilbär und die Zubringer-Stadtbahn der Linie 14.

Wer von der Küche aus durch weitere Räume streift, begibt sich auf eine kleine Zeit- und Weltreise. Vorbei geht es zunächst an einem alten Plakat aus der Deutschen Demokratischen Republik. „Es zeigt die wichtigsten Zoos der DDR. Unser neuer Chef kommt ja aus einem“, sagt Strauß schmunzelnd. Und tatsächlich: der Erfurter Zoo fehlt nicht, in dem der designierte Wilhelma-Chef Thomas Kölpin noch bis Jahresende Dienst tut.

Feuchtigkeit setzt den Plakaten zu

Weiter geht es die Treppe hoch, und mit jedem Schritt wird es internationaler: die Niederlande, Spanien, die Vereinigten Staaten, Australien. „Wir sind ein sehr reiselustiges Volk. Schließlich haben wir die Möglichkeit, in anderen Zoos gratis zu übernachten“, sagt Strauß. Unter den Kollegen im In- und Ausland hat es sich längst herumgesprochen, dass die beiden Chefs der Stuttgarter Futterküche Plakate sammeln – und so wächst die Sammlung stetig.

Nur mit dem „Gedeihen“ ist das so eine Sache: Feuchtigkeit und Schmutz setzten den Plakaten mit der Zeit etwas zu, räumt Strauß bedauernd ein. In der Futterküche wellen sich einige Stücke wegen der Feuchtigkeit. Andere nehmen durch Renovierungsarbeiten Schaden. Rund 500 Poster haben sie mittlerweile zusammen, schätzt Strauß. Darauf ist er schon ein bisschen stolz, auch wenn eine Sammlerin in Frankfurt am Main angeblich sogar 3000 Zooplakate haben soll. Angefangen hat die Sammelei der Stuttgarter vor rund 30 Jahren, als Strauß und Scholl gemeinsam in der Futterküche begonnen haben. Die grauen Betonwände fanden sie trist, da sollte etwas Buntes her. So entstand die Idee.

Eine Hochphase in den 1990er Jahren

Die Hochphase sei in den 1990er Jahren gewesen, berichtet der heute 55-Jährige. Da sei die Sammlung deutlich gewachsen. Vor allem als die Direktion des Zoos umzog, seien etliche Prachtstücke zu ihrer Sammlung hinzugekommen: „Die Wilhelma hat ihr Archiv geöffnet“ – zur großen Freude von Klaus-Dieter Strauß.

Doch in den folgenden Jahren habe die Zooleitung die Poster und Uraltkalender in der Futterküche etwas vergessen, berichtet Strauß – bis vor Kurzem. Inzwischen werden einige Schmuckstücke aus den 1960er Jahren als Repliken verkauft. Entwicklungen wie diese nähren Strauß‘ Hoffnung, dass die Originale eines Tages richtig ausgestellt werden. „Vielleicht erleben wir das noch“, sagt er.

Dass Strauß die Poster in Ehren hält, ist kein Zufall. Die Wilhelma ist für ihn weit mehr als nur ein Arbeitgeber. Als sein heute erwachsener Sohn sich als Teenager schwer verletzte, seien alle für ihn da gewesen, sagt er: „Das vergesse ich nie.“

Tiere beschäftigen ihn nicht nur als Futtermeister. Sein Zuhause teilen er und seine Frau sich mit zahlreichen Exoten wie Schlangen, Vogelspinnen und Echsen. Mit einigen fährt er gelegentlich durchs Ländle, um Geburtstagskindern und ihren Gästen die besonderen Lebensweisen der Tiere nahezubringen.

Strauß‘ Liebe zur Wilhelma begann schon als Kind. Von Geislingen an der Steige aus habe er mit seiner Patentante immer Ausflüge in den Zoo nach Stuttgart gemacht, berichtet er. Ein Tier habe es ihm damals besonders angetan. Er geht zum Kalender aus dem Jahr 1965, blättert kurz und zeigt dann stolz und wortlos auf ein Foto: Mit großen Augen blickt dort der See-Elefant namens „Tristan“ in die Kamera.