Fünf Redakteurinnen berichten von fünf Monaten Homeoffice – von Veränderung im Arbeitsalltag, von Abschieden, von leeren Kaffeetassen, und wer da eigentlich immer so zwitschert bei der Videokonferenz.

Filder - Nach fünf Monaten Homeoffice gibt es viele Geschichten vom Arbeiten zuhause – wir haben unsere aufgeschrieben.

 

Judith A. Sägesser: Corona fördert Multitasking

Freitag, der 13. März, war mein bisher letzter Tag auf der Filderebene. Am 16. März hat Corona unseren Arbeitsort und -alltag von heute auf morgen umgekrempelt. Statt uns morgens am Konferenztisch zusammenzusetzen, arbeiten wir seither digital zusammen. Und was uns alle, bis heute, erstaunt: wie reibungslos das klappt. Überhaupt: Wenn ich Vor- und Nachteile abwiege, kommt die Heimarbeit ziemlich gut weg bei mir. Auch, weil sie sich mit der Hausarbeit definitiv besser verträgt als ein Bürotag.

Ich oute mich als Multitasker, also als jemanden, der oft und irgendwie auch gern mindestens zwei Dinge gleichzeitig macht. Und da eröffnet mir das Homeoffice ganz neue Möglichkeiten. So kann ich zum Beispiel zwischen dem Tippen zweier Meldungen eine kurze Pause einlegen und Tomaten, Karotten, Sellerie und Zwiebeln für die Pfanne zurechtschnippeln, damit die Pastasoße den Tag über auf niedrigster Stufe vor sich hinköcheln kann. Ach ja, Knoblauch kommt natürlich auch dazu – dank Homeoffice in rauen Mengen. Oder ich knete rasch einen Pizzateig, der dann in Ruhe gehen kann, während ich an meinem Text feile. Oder ich mache ein Brainstorming mit der Kollegin am Telefon, während ich die Wäsche aufhänge.

Das Corona-Homeoffice hat übrigens auch meine Klimabilanz deutlich verbessert. So ist das Auto beispielsweise in der Corona-Zeit nur dreimal bewegt worden. Und weil ich keinen Drucker habe, habe ich mir nun antrainiert, ohne all den Papierkram auszukommen.

So lange ohne die Kollegen auszukommen, seit bald einem halben Jahr in den Video-Konferenzen nur ihre Oberkörper zu sehen, das ist aber eher schwer anzutrainieren. Wir behelfen uns mit virtuellen Kaffeepausen. Der Haken: Viele von uns haben dann keine Tasse in der Hand. Es ist eben etwas anderes, ob man gemeinsam in die Cafeteria aufbricht oder auf den Button „Teilnehmen“ klickt.

Alexandra Kratz: Gezwitscher statt Gemurmel

Vor Corona habe ich so gut wie nie im Homeoffice gearbeitet. Das war mir alles viel zu kompliziert: Der Laptop und das ganze Drumherum müssen auf dem Esstisch aufgebaut werden, der Bildschirm ist winzig und den Block, den ich gerade brauche, vergesse ich garantiert im Pressehaus. Außerdem mag ich die Kontakte zu den Kollegen. Das Gemurmel im Großraumbüro fördert irgendwie meine Konzentration. Zu Hause am Esstisch ist es still und einsam – zumindest seitdem die Kinder wieder in der Schule beziehungsweise in der Ferienbetreuung sind. Da bekommt man doch einen Vogel, oder?

Doch mittlerweile ist bei mir Leben in der Bude. Denn seit einiger Zeit hat meine Familie zwei neue Mitglieder: Alma und Gustav sind Wellensittiche. Ihn haben wir adoptiert, weil er andernorts übrig gewesen ist. Sie haben wir dazu gekauft, damit er nicht so allein ist. Das Thema Haustier stand bei uns schon seit Jahren immer wieder auf der Tagesordnung. Die Kinder bettelten, die Eltern sagten nein. Denn das Wesen würde viel allein sein, wenn alle morgens aus dem Haus gehen und erst nachmittags wiederkommen. Und wer soll sich kümmern, wenn wir in Urlaub sind? Das waren die Argumente.

Doch nun war Corona. Wir alle verbrachten deutlich mehr Zeit zu Hause als früher. Und Gustav brauchte ein neues Zuhause. Wie hätten wir Eltern da an unserem Nein festhalten sollen?

Seitdem zwitschert, schimpft und flattert es um mich herum, wenn ich im am Rechner sitze. Bei unseren Telefonkonferenzen muss ich immer das Mikro ausmachen. Denn unsere Wellensittiche scheinen sich darüber zu freuen, wenn jemand redet und wollen dann gerne mitdiskutieren. „Mein Gott, ist bei dir zu Hause wieder was los“, sagt dann die Kollegin Judith A. Sägesser. Und der Interviewpartner am Telefon erkundigt sich: „Ach, Sie arbeiten im Homeoffice?“ Ich werfe den Vögeln einen bösen Blick zu und versuche ihnen klar zu machen, dass sie die Schnäbel halten sollen. Aber sie bleiben ungerührt auf der Gardinenstange sitzen, schauen buchstäblich auf mich herab und pfeifen auf das, was ich von ihnen will.

Rebecca Anna Fritzsche: „Mamaaaaaaa, was machst du jetzt?“

Es soll Arbeitgeber geben, die befürchten, im Homeoffice könnte der geschätzte Mitarbeiter zum Faultier werden, sich dem langsamen Verfall hingeben, ungeduscht und im löchrigen Schlafanzug Platz am Schreibtisch nehmen, auf dem sich leere Kaffeetassen türmen, und erledigt, tja, erledigt werde sowieso nichts.

Um gar nicht erst in die Gefahr des langsamen Verfaulens zu kommen, empfehle ich die Zugabe eines sehr quirligen, sehr wissbegierigen und sehr meinungsstarken Kindes, in meinem Fall fast vier Jahre alt.

„Mama, gehst du jetzt duschen? Hast du jetzt geduscht? Hast du schon die Zähne geputzt? Ich mache das jetzt auch!“ So beginnt der Tag, so hat er begonnen, als die Kitas geschlossen waren und das Kind auch im Homeoffice war, und so beginnt er jetzt, obwohl das Kind wieder in die Kita geht. Merke zudem: Kontrolle geht auch in Abwesenheit. „Mama, hier steht ja noch deine Kaffeetasse von gestern! Die musst du mal aufräumen, solange ich in der Kita bin!“

Das Kind hat eine Meinung zu allem, weiß sie aber auch gut zu verkaufen: „Mama, ziehst du heute einen Rock an? Oh ja, den finde ich schön! Mama, bindest du dir heute die Haare zusammen? Das mag ich!“ Kann es jetzt auch nicht mehr an der morgendlichen Redaktionskonferenz teilnehmen, da es in der Kita ist, so ist das Interesse ungebrochen: „Mama, schreibst du heute wieder einen Artikel? Musst du wieder mit jemandem telefonieren? Mit wem telefonierst du heute?“

Auch wenn das Kind jetzt wieder in die Kita geht, ist man noch ganz an seine Anwesenheit zuhause gewöhnt. Während der Videokonferenz mit den Kollegen wartet man beinahe auf die „Ich möchte aber auch etwas sagen!“-Unterbrechungen des Kindes. Gegen 10.30 Uhr schaut man automatisch auf die Uhr, hier erfolgt normalerweise der verzweifelte Ruf: „Wann gibt es denn endlich Mittagessen, ich hab’ so Hunger!“

Und selbst beim Kaffee nach dem Mittagessen fehlt beinahe das Konzentrations- und Gedächtnistraining, mit dem das Kind einen durch das Anhören eines Conni-Hörspiels beschenkt: „Mama, warum sagt der Schwimmlehrer das zu Conni? Warum hat Conni keine Schwimmflügel mehr? Wo sind meine Schwimmflügel?“ Man ist – um den geistigen Verfall aufzuhalten – beinahe versucht, noch mal „Conni macht das Seepferdchen“ einzuschalten – aber auch nur fast.

Sandra Hintermayr: Kabelsalat am Esstisch

Den Laptop hatte ich vorsorglich schon mitgenommen, als ich am 13. März übers lange Wochenende zu meiner Oma aufgebrochen bin. Kurze Zeit später kam der Lockdown, Besuche wären dann nicht mehr möglich gewesen. Und auch ich durfte nach dem Wochenende nicht mehr ins Büro – der Schreibtisch unaufgeräumt, der Lieblingstee in der Schublade – und keine Möglichkeit, mich von den Kollegen zu verabschieden. Stattdessen fand ich mich alleine in meiner kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung wieder, ohne Schreibtisch, ohne Tee und ohne persönliche Kontakte zu den Kollegen.

Der Laptop war zwar schnell am Esstisch aufgebaut, nach zwei Tagen war aber klar, dass das so auf Dauer nicht funktioniert. Ich bekam Nacken- und Kopfschmerzen, weil ich stundenlang nach unten in den Laptopbildschirm geschaut habe. Also habe ich mir auf die Schnelle einen alten Bildschirm plus Tastatur von meinen Eltern geliehen – und damit meinen Tisch weiter zugebaut: Laptop, Bildschirm, Tastatur und jede Menge Kabel, dazu meine Aufschriebe, Telefon, Handy und ein Wasserglas. An Essen war am Esstisch bald nicht mehr zu denken. Für mehr als einen Frühstücksteller reichte der Platz nicht. Und auch, dass ich selbst nach Feierabend die Arbeit ständig vor der Nase hatte, machte mir zu schaffen. Ganz zu schweigen von den Plaudereien mit den Kollegen. Ich bin froh über unser freundschaftlich-gutes Verhältnis, und in diesen Monaten vermisse ich es. Sich über Video zu sehen ist einfach nicht das Gleiche wie von Angesicht zu Angesicht.

Während sich Letzteres schlecht ändern ließ, wollte ich wenigstens beim Arbeitsmaterial etwas tun. Mir war klar, dass ich einen Schreibtisch brauche. Aber in meinem Wohn-/Esszimmer war zunächst kein Platz dafür. Ich musste sämtliche Möbel umstellen, habe den Wohn- und den Essbereich sozusagen getauscht und so – weil der Raum asymmetrisch ist – im neuen Esszimmer Platz schaffen können für einen kleinen Schreibtisch. Dafür ist mein Wohnbereich nun deutlich geschrumpft. Aber ich habe meinen Esstisch wieder und kann Töpfe, Pfannen, Auflaufformen und Co. wieder darauf aufbauen, ohne Angst haben zu müssen, die Tomatensoße über meinen Unterlagen zu verkleckern. Für mich brachte das wenigstens ein Stück Normalität zurück.

Julia Bosch: Ein Abschied ohne Umarmung

Vielleicht war es für mich persönlich sogar besser so. So wie die meisten Menschen mag ich Abschiede nicht besonders. Mir fehlen dann die richtigen Worte, ich stottere herum und werde emotional. Aufgrund der Corona-Krise und weil so gut wie alle meiner Kollegen im Homeoffice arbeiten, konnte ich Ende Juni, als ich meinen Job gewechselt habe, keinen richtigen Abschied feiern. Stattdessen habe ich morgens vor der Webcam meines Laptops gesagt, dass heute mein letzter Tag ist, mir die Kollegen fehlen werden und worum ich mich an diesem Tag noch kümmere. Richtig traurig konnte ich so gar nicht werden – zum Glück.

Komisch ist es freilich trotzdem. Als ich meine Kolleginnen und Kollegen zuletzt gesehen habe, war es eiskalt draußen. Es war Ende Februar, und ich verabschiedete mich in den Urlaub. Ich witzelte noch, dass ich sicherheitshalber mal meinen Laptop mit nach Hause nehmen würde, weil man ja nicht wisse, ob ich nach meinem Urlaub noch ins Pressehaus kommen dürfe. Das Coronavirus befand sich damals in den Startlöchern. Als ich aus dem Urlaub zurückkam, waren meine flapsigen Sprüche Realität geworden. Zwischen März und Juni bin ich nur ein einziges Mal im Büro der Filder-Zeitung gewesen – am 30. Juni, um meinen Arbeitsplatz aufzuräumen. Am 1. Juli habe ich eine neue Stelle als Kreisreporterin begonnen.

Seitdem sitze ich mit zwei neuen Kollegen in einem neuen Büro, genau ein Stockwerk über dem bisherigen. Der Raum ist so eingerichtet, dass wir genügend Abstand zueinander halten können. Wenn es möglich ist, nehme ich noch an den virtuellen Kaffeerunden der Filder-Zeitung teil. Und einmal habe ich Alexandra Kratz beim Joggen auf den Feldern in Möhringen getroffen. Mit viel Abstand haben wir uns ein „Hallo“ zugerufen.

Wenn diese Pandemie irgendwann ein Ende hat oder zumindest so weit eingedämmt ist, dass viele wieder im Pressehaus arbeiten, möchte ich meinen Abschied aber nachholen. Und das Gute ist: Bis es so weit ist, dass wir tatsächlich wieder im Büro der Filder-Zeitung im Kreis stehen, Kuchen essen und nachträglich Abschied feiern können, bleibt mir vermutlich noch etwas Zeit. Zeit, um mir Sätze zu überlegen, die ich dann sagen kann, sodass ich zumindest nicht ausschließlich herumstottere und emotional werde.