In 125 Jahren hat der VfB Stuttgart viele Geschichten geschrieben. Wir haben mit einigen Zeitzeugen der verschiedenen Epochen des VfB gesprochen und uns von ihnen mit auf eine Zeitreise nehmen lassen.

Stuttgart - Der VfB Stuttgart hat in seiner langen Geschichte viele große Spieler hervorgebracht und seinen Fans besondere Momente beschert. Wir haben mit einigen Zeitzeugen der verschiedenen Epochen gesprochen und alte Aufstellungen herausgekramt. Teil eins: Von Lothar Weise 1958 bis Karl Allgöwer 1984

 

Lothar Weise über den Pokalsieg 1958

„Es war der Schlusspunkt der goldenen Fünfziger Jahre für den VfB, aber das haben wir damals natürlich nicht geahnt. Es ist der 16. November 1958 gewesen, der Buß- und Bettag. In Kassel, 28 000 Zuschauer. Die Düsseldorfer kamen zum Pokalendspiel wie aus dem Ei gepellt. Anzug, Krawatte, neue Köfferchen. Und natürlich siegesgewiss. Wir fühlten uns wie arme Schlucker. Aber wie das Leben so spielt. Wir hielten mit. Das Finale ging in die Verlängerung. Es gab damals ja noch kein Flutlicht, es regnete und es wurde schon dunkel. Beim Stand von 3:3 schoss Rolf Blessing aufs Tor, rutschte dabei aber aus. Ich saß im Fünfmeterraum schon auf dem Hosenboden, schnellte aber hoch und köpfte den Ball in die entgegengesetzte Richtung aufs Tor. Der nasse Ball prallte auf dem glitschigen Boden an den Innenpfosten und rollte von dort aus ins Netz. Danach war der Teufel los, jeder Fan aus dem Häuschen. Wir feierten den zweiten Pokalsieg nach 1954, bekamen 1000 Mark Prämie und haben uns gefreut wie die Kinder. Danach beendete Robert Schlienz seine Karriere, Rolf Geiger und Erwin Waldner, zwei begnadete Stürmer, wechselten nach Italien. Dieses Trio war nicht zu ersetzen, die große Zeit des VfB fürs Erste vorbei.“

Der VfB im Pokalfinale 1958 gegen Fortuna Düsseldorf (4:3 nach Verlängerung)

Günter Sawitzki – Rolf Eisele, Günter Seibold, Oskar Hartl, Rudolf Hoffmann, Erwin Waldner, Robert Schlienz, Rolf Geiger, Lothar Weise, Rolf Blessing, Dieter Praxl. Trainer: Georg Wurzer.

Gerhard Wanner über die erste Bundesligasaison 1963/64

„Dank eines fulminanten Endspurts in der Oberliga Süd haben wir es geschafft, uns noch für die neu gegründete Bundesliga zu qualifizieren. Tage nach dem vorentscheidenden 4:2-Sieg beim VfR Mannheim bat uns Präsident Fritz Walter auf den Rotenberg in die Wirtschaft von Eugen Böhringer, dem Rennfahrer. Er sagte: bitte unterschreiben! Das war unser erster Profivertrag. Es gab 600 Mark pro Saison. Leben konnte man davon nicht. Wir haben alle noch den Tag über gearbeitet und abends trainiert. Das erste Bundesliga-Heimspiel 1963 gewannen wir mit 2:0 gegen Hertha BSC. Wir trugen gelbe Trikots, weil die Stadt Stuttgart uns unterstützte. Der Radioreporter sagte, das sei zu Ehren des deutschen Meisters Borussia Dortmund. So ein Dackel!“

Der VfB im ersten Bundesliga-Heimspiel am 31. August 1963 gegen Hertha BSC (2:0)

Günter Sawitzki – Klaus Sieloff, Rudi Entenmann, Hans Arnold, Günter Seibold, Eberhard Pfisterer, Hans Eisele, Manfred Reiner, Gerhard Wanner, Erwin Waldner, Rolf Geiger. Trainer: Kurt Baluses.

Hansi Müller über den VfB Ende der Siebziger Jahre

„So verrückt es klingt: Für junge Spieler wie mich und Karlheinz Förster war der erste Bundesliga-Abstieg des VfB ein Glücksfall. Mit der A-Jugend waren wir im selben Jahr, also 1975, deutscher Meister geworden. Die Platzhirsche verteidigten ihre Reviere, Talente hatten nicht den selben Stellenwert wie heute. Ich war erst 18 Jahre alt, wurde aber auf Anhieb Stammspieler. Wie Karlheinz Förster. Es musste so etwas wie ein Neuanfang her. Und der VfB hatte nicht das Geld, Profis aus anderen Clubs zu holen. Die erste Zweitliga-Saison unter Trainer Istvan Sztani war der Horror, Platz elf. Dann kam Jürgen Sundermann. Er baute auf die Jugend, verpasste uns einen offensiven Spielstil: mit Herz und Verstand. 1977 gelang der Wiederaufstieg, in der ersten Bundesligasaison wurden wir Vierter, dann Vizemeister hinter dem HSV. Das Stadion war meistens rappelvoll, die Stimmung gigantisch. Wir hatten stark leistungsbezogene Verträge, und Geschäftsführer Ulrich Schäfer rechnete nach Saisonende zähneknirschend die Zusatzprämien aus. Mit jedem Spieler verzog er mehr das Gesicht. Da muss ich noch heute drüber schmunzeln.“

Der VfB im Zweitligaspiel am 21. Mai 1977 bei Eintracht Trier (0:0), nach dem der Aufstieg perfekt war

H elmut Roleder – Bernd Martin, Dragan Holcer, Karlheinz Förster, Hansi Müller (61. Bernd Schmider), Erwin Hadewicz, Markus Elmer, Ottmar Hitzfeld, Hermann Ohlicher, Klaus-Dieter Jank, Dieter Hoeneß. Trainer: Jürgen Sundermann.

Karl Allgöwer über das Meisterteam 1984

„Der Grundstein für den Meistertitel ist schon in der Saison 1982/1983 gelegt worden. Wir hatten in Helmut Benthaus einen neuen Trainer und sonst kaum Wechsel. Nachdem wir in dem Jahr Dritter wurden, war klar: Wenn wir weiter zusammenwachsen, können wir noch mehr Erfolg haben. Wir wurden eine wahnsinnig starke Truppe. In der Saison 1983/84 ist dann die berühmte zweite VfB-Halbzeit entstanden. Wenn wir hinten waren, haben wir das Spiel gedreht, wenn wir vorne lagen, die Führung weiter ausgebaut. Journalisten haben uns ständig nach dem Geheimnis dahinter gefragt. Aber wir konnten es uns selbst nicht erklären. Vor dem Titel war das Team sehr nervös. Wir haben die Tabellenführung erst ein paar Spieltage vor Schluss übernommen. Mir war klar: So oft wirst du mit dem VfB nicht Meister. Wenn, dann jetzt. Wir hatten in Bremen am vorletzten Spieltag eine Art Endspiel. Wir haben gewonnen, Titelrivale HSV verlor gleichzeitig. Damit war klar, wir lassen uns den Titel nicht mehr nehmen. In der Saison 1983/84 passte einfach alles.“

Der VfB im „Endspiel“ am vorletzten Spieltag der Saison 1983/84 bei Werder Bremen (2:1)

Helmut Roleder – Guido Buchwald, Bernd Förster, Karlheinz Förster, Kurt Niedermayer, Günther Schäfer, Karl Allgöwer, Hermann Ohlicher, Asgeir Sigurvinsson, Dan Corneliusson, Peter Reichert. Trainer: Helmut Benthaus.