Viele Menschen an vielen Orten hatten im vergangenen Jahr gegen einen Rechtsruck demonstriert. Den Aufrufen folgten stets etliche Menschen. Gleichwohl war Monate später ein Zuwachs der AfD bei der Kommunalwahl zu verzeichnen.
Immer mehr Menschen sind im Laufe des vergangenen Jahres gegen Rechts und für Demokratie auf die Straße gegangen. Ob Leonberg, Gerlingen, Ditzingen – die Bürger etlicher großer und kleiner Kommunen wurden aktiv, um Position zu beziehen. Mal waren es Einzelpersonen wie etwa in Ludwigsburg die Grünen-Landtagsabgeordnete Silke Gericke, mal waren es Gruppierungen und Bündnisse, die zu Demonstrationen aufriefen. Ganz gleich aber, wer sie initiiert hatte: Resonanz darauf gab es überall. Meist kamen mehrere hundert Menschen, bisweilen auch mehr: In Ludwigsburg etwa wurden 7000 Menschen geschätzt, die vor einem Jahr, in der zweiten Januarhälfte 2024, in die Innenstadt gekommen waren. In Ditzingen kamen im April die Menschen auf dem Laien zusammen, in Leonberg waren Ende Januar geschätzt 1200 Menschen auf dem Marktplatz. Sie alle einte das Ziel, gegen Hass und Hetze aufzustehen. Die Demonstrationen waren allesamt im Kontext landesweiter Aktionen vor der Kommunalwahl gegen einen Rechtsruck zu sehen. Vertreter vieler demokratischen Parteien und diverse Gruppierungen versammelten sich, nicht allein um etwa gegen die AfD oder der zunehmenden Meinungsmache in den sozialen Netzwerken zu demonstrieren, sondern vor allem um sich für die Stärkung der Demokratie einzusetzen.
In Gerlingen war Alt-Bürgermeister Georg Brenner (parteilos) im März unter den Rednern einer Kundgebung vorgesehen, zu der ein breites Bündnis aus Vereinen, Parteien und Kirchen aufgerufen hatte. „Ein Blick in die Welt zeigt uns, dass immer mehr Diktatoren, Faschisten und Autokraten unterwegs sind. Aber auch in unserer Bundesrepublik gilt es, den antidemokratischen und antieuropäischen Tendenzen die Stirn zu bieten, Flagge zu zeigen und klare Kante gegen Extremismus zu ziehen“, hatte Brenner im Vorfeld der Demonstration seine Teilnahme daran begründet.
Brenner verwies auf das Grundgesetz der Bundesrepublik, das im selben Jahr, 2024, seit 75 Jahren bestand. Es war am 23. Mai 1949 verkündet worden.
Mit einer landesweit vergleichbar hohen Wahlbeteiligung stärkten die Gerlinger seit jeher zwar die demokratischen Kräfte, so der frühere Bürgermeister, doch die Stadt sei „keine Insel der Glückseligen“.
Dass es nicht allein mit Demonstrationen getan ist, war den Organisatoren bewusst. Es sei die Überzeugung der Initiatoren, dass viele Teilnehmer gestärkt nach Hause gehen würden, so Brenner – „mit dem Bewusstsein, dass es sich lohnt, für unsere offene Stadtgesellschaft, unsere demokratische Bundesrepublik und Europa einzustehen; bereit, sich mit den Demokratie- und Europagegnern auseinanderzusetzen und ihnen die Rote Karte zu zeigen“, sagte Brenner.
Ähnlich hatte sich Guilherme Oliveira, der Vorsitzende der Renninger Grünen geäußert. Er hatte mit dem Renninger SPD-Vorsitzenden Marco Lang Mitte Mai eine Demonstration in der Rankbachstadt initiiert. „Man muss realisieren, dass, wenn man in einer Demokratie lebt, diese nicht selbstverständlich ist“, sagte Oliveira. Bei einer Staatsform, die freie Entscheidungen und gleiche Rechte für alle in den Mittelpunkt stellt, müsse man immer davon ausgehen, dass es Menschen gibt, die dieses System aushöhlen wollen. Man müsse wachsam sein und sich aktiv dafür einsetzen.
Ist eine Aktion ausreichend?
In Leonberg fand neben der zentralen Veranstaltung einige Wochen später eine zweite Veranstaltung statt. Am Vatertag gab es eine Sternwanderung zur KZ-Gedenkstätte im alten Engelbergtunnel. Dazu aufgerufen hatte das „Bündnis Leonberg bleibt bunt - Gemeinsam für Demokratie und Menschenrechte.“ Örtliche Bündnisse fanden oft eine Entsprechung auf Kreisebene. Beispielsweise schloss sich im Kreis Ludwigsburg die Stadt Ditzingen jenem neuen Bündnis für Demokratie und Menschenrechte an.
Messbar sind die Anstrengungen der Organisatoren im Land und der Region nicht. Bei der Kommunwahl wurden in der Region rund um Leonberg und Ditzingen weitgehend Ergebnisse verzeichnet, die dem landesweiten Trend entsprachen: Die AfD legte zu. In Ditzingen und Leonberg ist sie seitdem jeweils mit zwei Mandatsträgern vertreten, in Gerlingen mit einem. In der Gemeinde Hemmingen hingegen ist die AfD ebenso wenig vertreten wie in Weil der Stadt.
Die neu zusammengesetzten Gemeinderäte sind seit einigen Monaten im Arbeitsmodus. In Ditzingen hatten einige langjährige Mandatsträger nicht mehr kandidiert oder hatten den Wiedereinzug verpasst. Die Stimmen hatten sich stärker verteilt, da zwei Parteien beziehungsweise Gruppierungen erstmals angetreten waren. Entsprechend zurückhaltend und abwägend geben sich die Räte. Sachliche Nachfragen, nicht die politische Diskussion prägten die ersten Monate.
So groß das Interesse an den Demos war, so einig sind sich die Initiatoren von Beginn an gewesen, noch mehr zum Thema anzubieten. „Es ist unser Ansinnen, der ersten Aktion auf dem Rathausplatz weitere Angebote folgen zu lassen“, sagte beispielsweise Georg Brenner in Gerlingen.