Weil Restaurants den November über schließen müssen, wird schlachtreifes Geflügel nicht mehr gebraucht. Hofbesitzer aus Waldenbuch und Stuttgart-Degerloch haben unterschiedliche Konzepte entwickelt, um den ungünstigesten aller Fälle zu verhindern.

Degerloch/Waldenbuch - Im Gänsestall auf dem Hof Bonholz in Waldenbuch geht es zu wie im Taubenschlag. 450 Vögel schnattern und zetern, picken und zicken. Ein halbes Jahr sind die Tiere alt. Den Sommer haben sie tagsüber auf einer Weide verbracht, jüngst sind sie dauerhaft ins Gebäude umgezogen. Der Landwirt Hermann Mayer schaut durchs Gatter. „Am 30. Oktober hätten wir das erste Mal geschlachtet“, sagt er. Doch dann kam der Teil-Lockdown. Und seither sitzt er auf seinen Gänsen.

 

Hermann Mayers Lebensgefährtin Nicole Kupfermaier zählt Hotels und Restaurants in Leinfelden, in Steinenbronn und Dettenhausen auf. Normalerweise hätten die jetzt im November wochenweise frisches Fleisch geordert, um die klassischen Herbstgerichte zuzubereiten, und „über die Jahre haben wir herausgefunden, dass wir 450 Gänse brauchen“. Doch nun haben die Gastronomen kurzfristig zugemacht, und das Paar aus Waldenbuch hat den Stall voller schlachtreifer Tiere. „Mit einem zweiten Lockdown haben wir nicht gerechnet“, sagt Nicole Kupfermaier.

Der Landwirt hat auch in den Dezember keine Hoffnung mehr

Auch Patrick Haags Geschäft wird durch Corona durcheinandergewirbelt. Der 27-Jährige betreibt mit seinem Bruder den Tegerhof vor den Toren von Degerloch, und er hat ebenfalls ein gefiedertes Problem: mehrere Hundert schlachtreife Gänse, aber geschlossene Restaurants. Auch in den Dezember setzt der junge Nebenerwerbslandwirt keine Hoffnungen mehr: „Was die Gastronomie angeht, das ist durch dieses Jahr.“

Zwar geht nach seinen Worten der überwiegende Teil des Gänsefleisches, das ab sofort bis Weihnachten immer samstags auf Bestellung vor Ort in Degerloch abgeholt werden kann, an private Käufer, dennoch hat Patrick Haag Sorge, auf einem gewissen Prozentsatz an Tieren sitzen zu bleiben. „Gefrorene Gänse will keiner haben“, sagt er. Weiter durchfüttern und am Leben lassen, das sei keine Option. „Das darf nicht passieren, da setzen wir alles dran“, resümiert Patrick Haag .

Ein Gans-Paket für zwei Personen

Zumindest eine Kooperation hat er geschlossen: Das Gasthaus zur Linde in Möhringen, das sich aktuell in der Zwangspause befindet, wird Gänse abnehmen. Auf der Homepage des Lokals wird bereits ein Gans-Paket für zwei Personen zur Abholung beworben: Keule und Brust, Apfel-Preiselbeer-Rotkraut, Knödel, Gänsejus plus Rotwein-Apfel-Püree, alles vakuumiert zum Fertigstellen daheim, „fix und fertig wie bei uns im Gasthaus“, betont der Gastronom Ferdinand Trautwein. Außerdem werden samstags auf dem Degerlocher Tegerhof Beilagen aus Möhringen verkauft – Win-win für Landwirt und Wirt.

Hermann Mayer aus Waldenbuch hofft noch, dass die Lokale im Dezember wieder öffnen und ihm zumindest das Adventsgeschäft nicht flöten geht. Seine Gänse müsse er schnell an den Mann bringen, denn „nach Weihnachten ist der Markt tot“. Zum einen verfliege der Appetit auf Gänsebraten schnell, zum anderen seien alte Tiere quasi unverkäuflich. Wie schnell der Preis für Fleisch verfällt, hat der 63-Jährige schon an Ostern, während des ersten, härteren Lockdowns, erfahren. Statt für 2,70 Euro pro Kilo habe er sein Lammfleisch für 40 Cent verschleudern müssen. Ein ähnliches wirtschaftliches Desaster droht nun bei den Gänsen, deren Fleisch 14 Euro pro Kilo einbringt. „Wir schaffen das ganze Jahr über, um eine gute Qualität zu erreichen“, sagt Hermann Mayer.

Er und seine Partnerin wollen ihr Geflügel nun direkt vermarkten, über die Verkaufsstelle, die ans eigene Schlachthaus an der Vorderen Seestraße in Waldenbuch angegliedert ist. Der Prozentsatz der Gänse, die an Privatkunden gehen, liege normalerweise bei etwa einem Drittel. Um das deutlich zu steigern, befindet sich nun eine Homepage im Aufbau. „Ich kann sie nicht x-beliebig aufheben“, sagt Hermann Mayer über seine Gänse. Und wenn sie bis ins neue Jahr nicht weggehen? Der Landwirt hadert kurz, dann nennt er drei Buchstaben: TBA. Tierkörperbeseitigungsanstalt.