Sie gehen nicht mehr zur Schule, leiden oft unter Vernachlässigung und sind in der Regel der Polizei bereits bekannt: Die Jugendlichen, die zu Scout kommen, sollen in der geschlossenen Jugendhilfeeinrichtung lernen, ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen. Ein Besuch vor Ort.

Familie/Bildung/Soziales: Viola Volland (vv)

Stuttgart - Morgens um 7 Uhr aufstehen, pünktlich zur Schule. Das hat Daniel (Name geändert), als er zu Scout kam, schon seit Jahren nicht mehr hinbekommen. Die Mutter war überfordert, der Vater seit der Trennung der Eltern weg. Daniel suchte Orientierung und fand sie bei den älteren Brüdern, die ihr Leben selbst nicht im Griff haben: Mit zwölf Jahren fing er an, die Schule zu schwänzen und Drogen zu nehmen. Auch ein Hilfeplan, der mit der Mutter besprochen worden sei, habe nicht gefruchtet, berichtet der Jugend- und Heimerzieher Christopher von Hirschheydt. Als sich die Lage immer mehr zuspitzte, sei Daniel mit 15 Jahren zu Scout gekommen, einer intensivpädagogischen Jugendhilfeeinrichtung, getragen von Youcare, einer Tochtergesellschaft der Evangelischen Gesellschaft (Eva).

 

Wer bei Scout landet, bei dem haben in der Regel schon einige Sozialpädagogen versucht, die Wende zu bringen – ohne Erfolg. In die geschlossene Einrichtung, die unter anderen mit der Jugendpsychiatrie kooperiert, kommen sie auf richterliche Anweisung. Landesweit gibt es fünf solcher Institutionen, davon zwei für Mädchen. Zwei stationäre Wohngruppen für je sechs Personen gibt es bei Scout. Drei bis 18 Monate bleiben die Jugendlichen, besuchen bis auf einige Ausnahmen auf dem Gelände auch die Schule. Wer danach nicht bereit ist, wieder in seine Familie zurückzukehren oder in eine Wohnung zu ziehen, kann ins betreute Jugendwohnen von Scout wechseln. Seit einem Jahr gibt es dieses Anschlussangebot, in dem nun auch Daniel lebt. Der Träger würde es gerne ausbauen, nur fehle es an Wohnraum.

Viele sind zunächst nicht erreichbar für Erwachsene

108 Jugendliche haben Scout seit der Gründung vor elf Jahren durchlaufen, hinzu kommen sieben Jugendliche im betreuten Jugendwohnen. Alle sozialen Schichten seien vertreten, auch Arzt- und Unternehmersöhne kämen zu ihnen. „Unsere Aufgabe ist, bei den Jugendlichen wieder Vertrauen zu wecken“, sagt Martin Eipper, einer der Leiter von Scout. Meist seien sie sehr misstrauisch und schon länger nicht mehr erreichbar für Erwachsene. Ein Teil leide an Ängsten, ein anderer habe Drogen genommen und Straftaten verübt, der Tag- und Nachtrhythmus sei bei den meisten vertauscht. Neben Computersucht sei auch Smartphonesucht zum Problem geworden. Eipper berichtet von einem Jugendlichen, der als erstes nach seiner Ankunft gefragt habe, ob er die weißen Wände schwarz streichen dürfe (was nicht geht). Er hatte zuvor monatelang fast nur in seinem Zimmer vor dem Computer gesessen. Viele Jugendlichen seien zu Hause vernachlässigt. Teils fehlt es auch an Grenzsetzungen: So habe ein 14-Jähriger nach dem Auszug des Vaters alles diktieren dürfen – bis zum Autokauf der Mutter.

Wie gelingt es also, die Abwärtsspirale im Leben der Jungen zu durchbrechen? Der komplette Tag ist bei Scout durchgetaktet: von 7 bis 22 Uhr – inklusive Unterrichtszeit, Sport und Arbeit in den Werkstätten. „Die Tagesstruktur einzuhalten ist für viele sehr anspruchsvoll“, sagt Jochen Salvasohn, der zweite Leiter von Scout. Jeder Tagesverlauf werde nach 15 Kriterien gemeinsam in der Gruppe bewertet. Je besser man sich anstellt, desto mehr Freiheiten gibt es: wie Medienzeit oder unbegleiteter Ausgang.

Bevor die Jugendlichen wieder nach Hause kämen, müssten übrigens auch die Eltern Trainings durchlaufen, um eigene Verhaltensmuster zu durchbrechen. „Es geht nicht um die Schuldfrage“, betont Eipper. Aber bei den Jungs komme es gut an, wenn sie hörten, dass nicht nur sie sich bewegen müssen.

Auch ohne Schulabschluss gibt es eine positive Entwicklung

Es gibt Jugendliche, die haben in ihrer Zeit bei Scout ihr Abitur geschafft. Daniel hat sein Ziel, den Hauptschulabschluss, nicht erreicht. Bei ihm sieht das Scout-Team dennoch eine positive Entwicklung. Der inzwischen 18-Jährige sei ein guter Handwerker. Er macht aktuell seinen Bundesfreiwilligendienst beim Hausmeister eines Krankenhauses. „Es macht ihm Spaß“, sagt sein Betreuer, Christopher von Hirschheydt.