Eine Ausstellung im Rathaus macht die Benachteiligung von Whistleblowern zum Thema. Bis zum 10. September werden den Besuchern die Geschichten von mehr als 20 Informanten vorgestellt, die Missstände in Deutschland aufgedeckt haben.

Stuttgart - Mehr als 20 Porträts hängen an der Wand, manche in Schwarz-Weiß, manche in Farbe. Die unterschiedlichen Gesichter, die auf den Fotografien von Petrov Ahner zu sehen sind, erzählen verschiedene Geschichten, und doch handeln sie alle von denselben Werten: der Zivilcourage und dem Mut, die Öffentlichkeit über Missstände aufzuklären. Die Porträtierten sind Whistleblower, vielen Menschen sind ihre Gesichter und die Geschichten dazu unbekannt.

 

Günter Steinke vom Whistleblower Netzwerk will das ändern: „Alle hier gezeigten Menschen haben sich für einen guten Zweck eingesetzt und sogar ihre Jobs dafür verloren“, sagt er. „Unser Anliegen ist es, die Öffentlichkeit für Whistleblowing zu sensibilisieren, weil es leider ein noch sehr unbeachtetes Thema in Deutschland ist.“ Dafür zieht er mit der Ausstellung „Whistleblowing – Licht ins Dunkel bringen“ von Stadt zu Stadt. Bis zum 10. September ist die Ausstellung im zweiten Stockwerk des Stuttgarter Rathauses zu sehen.

Whistleblower in Schutz nehmen

Bei der Ausstellungseröffnung ist auch Rudolf Schmenger anwesend. Er ist einer der Porträtierten und Träger des Whistleblower-Preises 2009. Seine Geschichte ist besser bekannt als die „Steuerfahnder-Affäre“. Der ehemalige Steuerfahnder war in den 1990er Jahren in Hessen erfolgreich gegen Steuerhinterzieher vorgegangen, die mit Hilfe von diversen Banken Steuergelder nach Lichtenstein transferiert hatten. Später opponierte er gegen eine Amtsverfügung, die seiner Ansicht nach vermögende Steuersünder in Schutz nehmen sollte und wurde in Folge dessen gegen seinen Willen vom Dienst suspendiert.

In seiner Eröffnungsrede spricht Schmenger über die Wichtigkeit des Whistleblowings für die Gesellschaft und hebt die Bedeutung des Whistleblower-Netzwerkes hervor: „Zu meiner Zeit gab es so etwas wie ein Netzwerk nicht. Man wusste nicht einmal, was Whistleblowing ist. Es ist wahnsinnig wichtig, dass Betroffene eine Anlaufstelle haben“, sagt Schmenger und fügt hinzu: „Whistleblower müssen auch vom Gesetz besser in Schutz genommen werden.“

Das Thema erfordert Fingerspitzengefühl

In den USA seien Whistleblower, die auf inhaltliche Probleme in einem Unternehmen, einer Institution oder einer Behörde aufmerksam machten, vom Gesetz geschützt, so Steinke. In Deutschland hingegen habe Whistleblowing immer schlimme Folgen für den Informanten: „Neben Mobbing drohen auch arbeitsrechtliche Schritte und sogar die Kündigung.“ Um die Stigmatisierung von Whistleblowern zu verhindern, hat es die Bundestagsfraktion der Grünen schon zwei Mal mit einem Gesetzentwurf versucht, der die Immunität der Whistleblower garantieren sollte – beide Male wurde er im Bundestag abgelehnt.

Das Thema erfordere sehr viel Fingerspitzengefühl: „Wer Informationen hat, die einen Missstand aufdecken könnten, aber nicht weiß, wie er vorzugehen hat, kann sich beim Whistleblower Netzwerk melden. Den Informanten muss aber immer klar sein, dass sie sehr viel aufs Spiel setzen“, sagt Steinke.

Existenzielle Gefahr für Informanten

Auch Ex-Steuerfahnder Schmenger war sich der Gefahren bewusst: „Ich war Steuerfahnder mit Leib und Seele. Nachdem ich suspendiert wurde, habe ich mich sehr schlecht gefühlt. Nicht, weil ich mich gegen etwas gewehrt hatte, sondern weil man mir verbot, meinen Job zu machen.“ Aber das sei nur der Anfang allen Übels gewesen: „Schließlich hat man versucht, mich zu ,psychiatrisieren’. Sie wollten mich für verrückt erklären.“ Die Diagnose des damals zuständigen Arztes lautete „paranoid-querulatorische Entwicklung“ – später wurde der Befund revidiert, der Arzt musste Schadenersatz leisten.

Dass Schmenger trotz allem dem Druck standhielt, verdanke er seine Ausbildung an der Polizeischule: „Dort wurde ich für solche Extremsituationen trainiert.“ Das Whistleblower Netzwerk versuche, die Informanten auf solche Situationen vorzubereiten: „Ein Informant braucht eine starke Psyche. Wenn man sich nicht sicher ist, sollte man lieber schweigen. Manche Dinge müssen aber einfach gesagt werden“, sagt Steinke.

Rudolf Schmenger schwieg nicht. Von Reue über seine Entscheidung, die sein Leben veränderte, keine Spur: „Ich kann mir heute noch im Spiegel ins Gesicht sehen“, sagt er. Um potenziellen Informanten Mut zu machen, müsse das Whistleblowing mehr in den Fokus der Gesellschaft rücken, sagt der Ex-Steuerfahnder. Die Ausstellung trage ihren Teil dazu bei. „Missstände aufzudecken, ohne sich dabei vor den Folgen fürchten zu müssen, muss zu einer Selbstverständlichkeit werden“, sagt Schmenger.