Einsamkeit schmerzt – und hat gravierende gesundheitliche Folgen. Sozial isolierte Menschen haben einer aktuellen Studie zufolge ein merklich höheres Risiko, an bestimmten Krankheiten zu sterben. Das belegen auch frühere Untersuchungen.
25 Prozent der Erwachsenen in Deutschland fühlen sich laut einer repräsentativen Befragung sehr einsam. Mehr als doppelt so hoch (53 Prozent) ist der Wert in der Gruppe von Menschen, die sich nach eigenen Angaben aktuell in einer depressiven Phase befinden.
Das geht aus dem „Deutschland-Barometer Depression 2023“ hervor, das am Dienstag (7. November) vorgestellt wird.
Jeder vierte Erwachsene fühlt sich sehr einsam
Die wahrgenommene Einsamkeit wurde dabei anhand mehrerer Kriterien erfasst: Die Befragten sollten etwa sagen, ob sie immer jemanden haben, um alltägliche Probleme zu besprechen. Oder ob ihnen eine richtig gute Freundin oder ein Freund fehlt.
Das Gefühl der Einsamkeit – in diesem Jahr das Schwerpunktthema – wertet die Depressionshilfe als Symptom von Depressionen und weniger als Ursache. Denn Betroffene ziehen sich oft von ihrer Umwelt zurück. Unterstützung durch Familie und Freunde gilt deshalb als besonders wichtig für die Bewältigung der behandelbaren Erkrankung.
Menschen mit und ohne Depression befragt
Für die Untersuchung im Auftrag der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention wurden knapp 5200 Erwachsene unter 70 Jahren online befragt, darunter Menschen mit und ohne Depression. Es ist die siebte Ausgabe der Studie, die jährlich Einstellungen und Erfahrungen zum Thema Depression in der deutschen Bevölkerung ermittelt. Gefördert wird das „Deutschland-Barometer Depression“ von der Deutsche Bahn Stiftung.
Wenn über mehr als zwei Wochen bestimmte Symptome auftreten, kann das nach Angaben der Stiftung ein Hinweis auf eine Depression sein. Dazu zählen vor allem gedrückte Stimmung sowie Interesse- oder Freudlosigkeit, ferner zum Beispiel auch Schlafstörungen, Schuldgefühle und Suizidgedanken.
Deutschland – ein Land der Einsamen?
Nach Erhebungen des Statistischen Bundesamts waren im Jahr 2022 insgesamt 40,8 Prozent aller Haushalte (16,7 Millionen von insgesamt 40,9 Millionen) Einpersonenhaushalte – ein Anteil, der deutlich über dem Schnitt von 33 Prozent in der Europäischen Union liegt.
Einer Umfrage des Marktforschungsinstitut Splendid Research zufolge fühlen sich zwölf Prozent der Bundesbürger häufig oder ständig einsam. 32 Prozent verspüren zumindest manchmal Einsamkeit.
In einer öffentlichen Anhörung des Bundestags (2021) erklärte die Bochumer Psychologin und Einsamkeit-Forscherin Susanne Bücker, dass in Deutschland 10 bis 20 Prozent der Bürger von chronischer Einsamkeit betroffen seien. Einsamkeit könne über die gesamte Lebensspanne auftreten. Besonders betroffen sei die Gruppe der 18- bis 29- sowie über 80-Jährigen.
Was Einsamkeit von Alleinsein unterscheidet
Der Psychiater Arno Deister, Ex-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN), sieht einen Unterschied zwischen Alleinsein und Einsamkeit. „Wenn das Alleinsein gewollt ist, kann es für Menschen durchaus positiv sein.“
Einsamkeit hingegen bezeichnet den ungewollten Verlust von Beziehungen. Wenn Alleinsein dazu führe, dass Beziehungen fehlten, dann könne das bestimmte Erkrankungen zwar einerseits begünstigen, erklärt Deister weiter.„Andererseits ist es etwa ein Symptom von Depressionen, dass sich Menschen zurückziehen.“
Stabile soziale Beziehungen sind der beste Schutz
Dass sich Einsamkeit negativ auf die psychische Gesundheit auswirke, sei hinreichend erforscht, stellt der Psychologie-Professor Jürgen Margraf von der Universität Bochum fest. „Stabile und vertrauensvolle soziale Beziehungen sind der beste Schutz für die psychische und auch körperliche Gesundheit.“
Margraf sieht vor allem gesellschaftliche Veränderungen, die das Alleinleben und somit auch das Potenzial für Einsamkeit begünstigten. Und er macht konkrete Handlungsvorschläge: „Man muss dafür sorgen, dass die Menschen sich begegnen, miteinander ins Gespräch kommen und sich austauschen.“ Dabei sei jeder Einzelne gefragt: „Wenn wir unsere Einkäufe nun auch noch ins Internet verlagern, haben wir ein massives Problem.“