Bei CDU/CSU löst die Einigung zur Entgeltgleichheit ein gespaltenes Echo aus. Joachim Pfeiffer, der wirtschaftspolitische Sprecher der Unionsfraktion, sieht „zwingenden Korrekturbedarf“. Die SPD wiederum kann offenbar noch nicht fassen, wie sehr sie sich durchgesetzt hat.

Berlin - Dieser Punkt geht an die SPD. So deutlich, dass am Tag nach der Einigung über ein Entgeltgesetz in der Union das große Lamento beginnt.

 

Entgeltfragen und Geschlechtergleichheit – das ist hochgradig vermintes Gelände. Sozialdemokraten sehen in der Lohnlücke einen offenen Diskriminierungstatbestand, die Union eher das logische Ergebnis unterschiedlicher Berufswahlen – fast eine Art Glaubensstreit. Da fallen Kompromisse nicht leicht. Die Hüter der reinen Lehre in der Union sind jedenfalls keineswegs amüsiert. „Pseudopolitik“ nennt Carsten Linnemann, Chef der Mittelstandsvereinigung der Union, die Einigung. Eine Politik nämlich, die „nur so tut, als wenn sie ein Problem löst, aber in Wahrheit den Betroffenen gar nicht hilft“. Am Kern der Sache werde nämlich nichts verändert. Er leugnet nicht die Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen. Aber er wiederholt die alte Grundsatzposition: Die gebe es nur, „weil Frauen vermehrt in geringer entlohnten Branchen und auf niedrigeren Hierarchieebenen oder in Teilzeit arbeiten“. Genau daran ändere der Kompromiss gar nichts.

„Ein Problem gelöst, das es gar nicht gibt“

Auch der CDU-Wirtschaftsrat lässt kein gutes Haar an dem Paket. Es reihe sich ein „in die Kette massiver bürokratischer Zusatzlasten für die Wirtschaft“, sagte Wolfgang Steiger, der Generalsekretär, dieser Zeitung. Die SPD habe „ihre Wirtschaftsfeindlichkeit eindrucksvoll zur Schau gestellt“. Die SPD? Ein heikler Vorwurf, denn der Kompromiss trägt auch die Unterschrift der Christdemokraten. Steiger wird gegenüber den Parteifreunden deutlich: „Wenn CDU und CSU ihren Worten Taten folgen lassen, müssen sie nachverhandeln.“Das lenkt das Augenmerk auf den weiteren parlamentarischen Prozess. Das beim Gipfel gefundene Ergebnis muss ja auch noch die Zustimmung des Bundestags finden. Ob die Unionsfraktion alles abnicken wird, ist nicht ausgemacht. Die Fraktionsführung wird genau registrieren, dass Joachim Pfeiffer, immerhin der wirtschaftspolitische Sprecher, sehr spitz anmerkt, dass „hier ein Problem gelöst werden soll, das es gar nicht gibt“. Er nennt im Gespräch mit unserer Zeitung das Projekt „überflüssig“. Die Entgeltunterschiede seien nämlich „nicht die Folge einer unsachgemäßen Ungleichbehandlung durch den Arbeitgeber und können deshalb per Gesetz auch nicht reglementiert werden“. Deshalb bestehe „zwingender Korrekturbedarf“.

„Tag des Lächelns im Familienministerium“

Tatsächlich kann man den Eindruck gewinnen, die SPD könne selbst noch nicht fassen, wie weitgehend sie sich durchgesetzt hat. Familienministerin Manuela Schwesig wird regelrecht poetisch. Sie spricht von einem „Tag des Lächelns hier im Familienministerium“, als sie am Freitag vor Journalisten die Einigung bewertet. Sie kann sich als Siegerin nach hartem Kampf fühlen. Zuletzt, räumt sie ein, habe sie kaum noch für möglich gehalten, dass die Union sich auf so weitreichende Regelungen einlässt. Wo der Widerstand „phasenweise blockadeartige Züge hatte“. Die Kritik aus der Union nimmt sie gelassen hin. Nun gebe es eine Einigung, und Kanzlerin Angela Merkel stehe fortan im Wort.

Wobei, erstaunlich genug, auch in der SPD nicht jeder zufrieden ist, wenn auch aus völlig anderen Motiven. Die Union will weniger, die SPD mehr regeln. Die Genossen fühlen sich bestärkt durch Umfragen, wonach das Thema Lohngerechtigkeit eine hohe Akzeptanz in der Bevölkerung hat. Auch die SPD wird also nachhaken. Spätestens im Bundestagswahlkampf. Das Thema Lohngerechtigkeit verspricht eine große Unterscheidbarkeit.Schwesig hatte in ihrem ursprünglichen Entwurf eigentlich vorgesehen, bereits für Unternehmen mit mindestens sechs Arbeitnehmern einen individuellen Auskunftsanspruch über möglicherweise ungerechtfertigte Lohnunterschiede zwischen Frauen und Männern einzuführen. Und natürlich wird sie die Frage, weshalb Frauen in kleineren Betrieben zunächst außen vor bleiben, mit der Feststellung beantworten: Mehr war mit CDU/CSU nicht drin. Sie hat deshalb der Union auch den „gesetzlichen Auftrag“ abgerungen, „die Situation in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten zu beobachten und zu evaluieren“. Das ist die Lizenz zur Ruhestörung.