Fotos für Pässe und Ausweise vom Fotografen? Zu unsicher, befindet das Bundesinnenministerium, künftig sollen Bürgerbüros die Bilder machen. In Behörden und Fotostudios ist die Verärgerung groß.

Stuttgart - Wer im Stuttgarter Osten wohnt und neue Reisedokumente braucht, geht nicht mehr zum Fotografen, damit der – wie seit 2001 verlangt – ein biometrisches Bild macht. Stattdessen steht im Bürgerbüro Ost, Schönbühlstraße 65, ein Leasing-Apparat der Bundesdruckerei, an dem das Passfoto gemacht und sofort digital gespeichert wird. Damit sind die Bürger im Osten Vorreiter eines neuen Gesetzes „zur Stärkung der Sicherheit im Pass- und Ausweiswesen“. Das Gesetz liegt als Entwurf vor und soll im Jahr 2022 in Kraft treten.

 

Fehlerbehaftete Automaten

Insbesondere in mitgebrachten Portraits sieht das Bundesinnenministerium eine Sicherheitslücke. Deshalb „soll das Lichtbild künftig vor Ort unter Aufsicht der Pass- bzw. Ausweisbehörde aufgenommen werden“, heißt es in dem Gesetzesentwurf. Manipulationen durch das so genannte Morphing – das Verschmelzen von zwei und mehreren Gesichtsbildern zu einem Gesamtbild – soll so verhindert werden. Denn enthält ein Ausweisdokument ein Foto, das durch Morphing entstanden ist, können sich zwei oder mehrere Personen mit demselben Pass ausweisen.

Die Erfahrungen mit dem Apparat im Bürgerbüro Stuttgart-Ost sind nicht die Besten. „Die Qualität des Fotos war so schlecht, dass es mich gewundert hat, dass so ein Bild von der Behörde akzeptiert wird“, sagt Wolfgang Exler, der dort jüngst einen neuen Pass beantragt hat. Exler ist Hobbyfotograf sowie Landesvorsitzender des Verbands für Fotografie und sagt: „Es hat eine viertel Stunde gebraucht, bis das System ein Bild akzeptiert hat. Es gab aber keinen Hinweis auf den Fehler; also ob ich meinen Kopf zu schräg hielt, zu hoch oder zu tief saß, ob ich schräg guckte oder ob er meine Ohren nicht erkennen konnte.“

Personalmangel beim Amt

Beim Amt für öffentliche Ordnung, der zuständigen Behörde, kennt man diese Macken. „Mal ist das Bild zu dunkel, mal zu hell, mal zu klein, mal zu groß. Wer zu klein ist, wird nicht erkannt vom Apparat. Außerdem gibt es Probleme mit dunkelhäutigen Antragstellern“, bestätigt der stellvertretende Amtsleiter Dieter Biller. Die größte Herausforderung steht dem Amt allerdings bevor, wenn es die Vorgaben des Gesetzes bei gegebenem Raumbestand umsetzen soll. „Jedes Bürgerbüro – wir haben 22 – soll zwei Fotoautomaten aufstellen. Dabei haben unsere Ämter in älteren Gebäuden noch nicht einmal eine vernünftige Wartezone für Besucher.“

Von den Personalkapazitäten ganz zu schweigen. Biller rechnet damit, dass das Fotografieren fünf bis zehn Minuten dauert – „Minimum, ohne dass es Probleme gibt“. Jährlich stelle die Stadt durchschnittlich 100 000 Ausweise und Reisedokumente aus. Fürs Fotografieren habe das Amt nicht genügend Bedienkapazitäten. Auch ohne diesen speziellen Auftrag sind in den vergangenen Jahren immer wieder dezentrale Bürgerbüros geschlossen geblieben, wegen hoher Fluktuation und extremen Personalmangel. Die Stadt ist im laufenden Verfahren aufgefordert, eine Stellungnahme zu dem Gesetzesentwurf abzugeben. Für Biller ist die Stoßrichtung klar: „Sie wird reserviert bis ablehnend sein.“

Fotografen fürchten um Existenz

Die Kritik der Stadt wird flankiert vom Widerspruch des Fotografenhandwerks. Der Centralverband Deutscher Berufsfotografen, der 45 000 Foto-Studios vertritt, hat in einem Schreiben an Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die existenziellen Sorgen seiner Kollegen vorige Woche übermittelt: Die Herstellung von Passfotos sei das „Brot- und Butter-Geschäft“ der Branche, der Umsatzverlust bei circa 10 Millionen Passbildern pro Jahr betrage rund 100 Millionen Euro. „Damit ist der Wegfall von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen die Folge“, schreibt der Vorsitzende des Centralverbands, Hans Starosta. Man werde „einer Zerstörung der Existenz der Fotostudios in der Bundesrepublik nicht tatenlos zusehen“.

Bei Foto-Bergmeister, unmittelbarer Nachbar des Bürgerbüros Mitte an der Eberhardstraße, ist der Fotograf und Inhaber Antonino Zambito nicht gut zu sprechen auf die Initiative des Bundesinnenministeriums. „Wer fälscht denn nur ein Bild und nicht den ganzen Pass?“ Zambito weist darauf hin, dass er und seine Kollegen auch schwierige Aufträge erfüllen wie beispielsweise das Fotografieren von immobilen Menschen zu Hause. „Wir wissen auch, wie man mit Kindern vor der Kamera umgeht und sind mit 17,95 Euro für vier Fotos plus vier Gratisbildern günstiger, als die Fotos am Behördenautomaten kosten sollen.“

Außerdem habe der Verband schon seit 2014 mit den Bundesministerien an Konzepten zur elektronischen Bildübermittlung gefeilt. Trotz erfolgreicher Testläufe in Göttingen und Köln komme nun dieser Gesetzesentwurf. „Das Sicherheitsargument ist vorgeschoben, damit keiner was dagegen sagt“, so Antonino Zambito.

Bis zum 28. Januar 2020 haben Städte, Verbände und das Land Zeit für eine Stellungnahme. Das Innenministerium Baden-Württemberg ist laut Pressestelle noch mit der Prüfung befasst.