Die städtischen Ordnungshüter sind mit der Flut von Regelverstößen überfordert. Falschparker sind dabei noch das geringste Problem, denn auch Gastronomen, Investoren und der wöchentliche Partybetrieb machen dem Ordnungsamt zu schaffen.

S-Mitte - Dorothea Koller formuliert es mit dem Gleichnis aus Wilhelm Schröders Märchen: „Sie fühlen sich wie der Hase und der Igel.“ Soll heißen: Die Leiterin des städtischen Ordnungsamts samt ihrer Bediensteten fühlt sich wie der Hase. Dass das Rennen gegen eine Unzahl von Verstößen gegen alle erdenklichen Regeln in der Stadtmitte nicht mehr zu gewinnen ist, lässt sich im Sinne einer als Kapitulation deuten. Zum Beispiel gegen die Falschparker: Mit Strafzetteln „erzielen wir gewisse Einnahmen“, sagt Koller, „aber keinerlei Erfolge.“

 

Dabei fallen die Falschparker, sofern sie ihre Fahrzeuge nicht in Brandschutzzonen abstellen, im Vergleich noch in die Kategorie Unannehmlichkeiten. „Es gibt durchaus auch sicherheitsrelevante Probleme“, sagt Koller. Dazu gehören die Anhänger nächtlicher Straßenrennen, die sich inzwischen zu einer festen Szene verdichtet haben. Die Zahl der Verstöße gegen die Regeln des Brandschutzes nennt Koller „erschreckend hoch“.

Auch diejenigen, die im Stadtzentrum egal in welcher Branche Geld verdienen wollen, kümmern sich immer seltener um die Spielregeln. Koller hat ihre Sicht auf die Ordnung beziehungsweise Unordnung in der Mitte Stuttgarts dem Bezirksbeirat erklärt. Gleich zu Beginn eben jener Sitzung – in den für die Bürger reservierten Minuten – wurde beklagt, dass sich der Lieferverkehr nicht um die vorgeschriebenen Zeiten schert. Auch das gehört zu den Dauerthemen der Lokalpolitiker.

Ein Brautkleid und ein Kännchen Kaffee

Gleiches gilt für jene Gastronomen, die ihre Betriebe ohne Genehmigung auf Gehwege und Plätze erweitern. Das sind etliche. Unter den Kleinigkeiten zum Sitzungsende versagten die Lokalpolitiker dem Inhaber eines Brautmoden-Handels, vor seinem Geschäft ein Café einzurichten. Einem Wirt erlegten sie auf, einen Pavillon abzubauen, mit dem Gäste gelockt werden sollen – ohne Genehmigung.

Auch in anderem Branchen „ist das Interesse von Investoren am öffentlichen Raum groß“, sagt Koller. Das gilt insbesondere für die Baustellen im Zentrum des Stadtgebiets. Arbeiter stellen Schuttcontainer auf Radwegen ab oder gleich mit ganzen Gerüsten Gehwege zu, weil auf diese Art Fassaden am günstigsten zu verputzen sind. Andere bauen sich gleichsam ihren privaten Stau vor dem Haus: „Das geht so weit, dass man auch mal eine ganze Fahrspur versperrt“, sagt Koller.

Schließlich beklagen nicht nur Polizisten die Folgen des wochenendlichen Partybetriebs, sondern auch die städtischen Ordnungshüter. Deren Problem ist vor allem der Müll. Jeden Samstag- und Sonntagvormittag schichten die Müllmänner überall im Stadtzentrum Flaschen, Scherben, Essensreste zu Haufen zusammen.

Ein Beispiel für einen solchen „Brennpunkt der Vergnügungsszene“, wie Koller es ausdrückt, ist der Berliner Platz, auf dem Jugendliche in lauen Nächten vorglühen. Die Flaschen dabei hinter sich zu werfen, ist selbstverständlich verboten und kann ein Bußgeld kosten. Wenn allerdings zwischen 50 und 400 Jugendliche auf einem Platz sitzen, „ist das Problem, das gerichtsfest zu beweisen“, sagt Koller.

Brennpunkte

Insbesondere Klagen über rücksichtslose Falschparker beschäftigen den Bezirksbeirat Mitte in nahezu jeder Sitzung – meist verbunden mit der Aufforderung, Polizei und Ordnungsamt mögen konsequenter kontrollieren. Eine kleine Auswahl der aktuellen Brennpunkte:

Eugensplatz Vor allem die Kunden der dortigen Eisdiele, aber auch die Mitarbeiter der umliegenden Firmen parken so gut wie jeden freien Quadratmeter zu, gleich ob in Verbotszonen oder auf privaten Stellplätzen.

Tübinger Straße Der von der Stadt gefeierte „Shared Space“ (geteilter Platz), eine erweiterte Variante der Spielstraße, wird durch zahlreiche parkende Autos zur Farce.

Lautenschlagerstraße Das griechische Party-Restaurant Cavos hat am Rande eines Platzes eröffnet, der rechtlich Fußgängern vorbehalten ist. Inzwischen ist das faktisch nicht mehr so: Mitarbeiter wie Gäste nutzen das Rondell jetzt als Parkplatz.

Josef-Hirn-Platz Der Platz direkt hinter dem Polizeirevier Innenstadt ist Fußgängerzone. Unter den Falschparkern dort sind sogar nahezu täglich zu sichtende Stammgäste.

Hauptbahnhof Die für Busse und Taxen vorbehaltenen Fahrspuren sind nahezu nutzlos. Autofahrer, die Verwandte oder Bekannte zum Zug bringen wollen, halten dort und parken auch dauerhaft.