Regine Stachelhaus war Managerin bei HP, Unicef und Eon – bis sie beschloss, dass ihr kranker Mann wichtiger ist als ein hoch dotierter Vorstandsposten. Ein Gespräch mit der 62-Jährigen über Böblinger Jugendjahre, innere Freiheit und Familienabende mit Pink-Floyd-Songs.

Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Herrenberg - Wenn man die ehemalige Topmanagerin Regine Stachelhaus für ein Interview gewinnen will, muss man ihr versprechen, dass sie auch über die Integration von jungen Flüchtlingen reden darf. Denn dieses Thema treibt sie zurzeit am meisten um. Als Treffpunkt schlägt die 62-Jährige ein italienisches Café in der Herrenberger Altstadt vor. Sie erscheint überpünktlich und strahlt übers ganze Gesicht.

 
Hallo Frau Stachelhaus, Sie scheinen gute Laune zu haben. Gibt’s dafür einen Grund?
Keinen besonderen. Wie jeden Morgen war ich gerade mit meiner Hündin Lotte spazieren. Das entspannt mich.
Ich möchte mit Ihnen über Ihren ungewöhnlichen Lebensweg reden. Beginnen wir bei Ihrem Vater Wolfgang Brumme, der 38 Jahre Oberbürgermeister von Böblingen war. Hat Ihnen diese lokale Prominenz geholfen?
In meiner Jugend empfand ich es eher als belastend. Wenn ich etwas ausgefressen hatte, hatten meine Eltern das häufig schon erfahren, bevor ich es beichten konnte. Oft habe ich versucht zu verheimlichen, dass ich die Tochter des OB bin. Als ich mich bei Hewlett-Packard bewarb, schrieb ich, dass mein Vater Beamter sei. Das nützte aber nichts, denn natürlich wusste man auch bei HP, wer Herr Brumme ist.
Hewlett-Packard ist ein US-amerikanisches Unternehmen. Haben Sie sich dort als Schwäbin sofort zurechtgefunden?
Ja, mir gefiel die Lockerheit. Zum Beispiel sprach man seine Vorgesetzten mit dem Vornamen an und konnte in Jeans zur Arbeit erscheinen, wenn man nicht gerade Kundenkontakt hatte. Das Management war völlig anders als in den hierarchisch strukturierten deutschen Unternehmen. Ich werde nie vergessen, wie wir ein Meeting mit Juristen von der IBM hatten und ich meinem Chef über den Mund fuhr, als er etwas gesagt hatte, was aus meiner Sicht nicht stimmte. Die IBM-Leute erstarrten, aber für meinen Chef war das okay.
Haben Sie diesen Führungsstil beibehalten, als Sie später selbst Chefin waren?
Sicher. Ein guter Vorgesetzter dominiert nicht, sondern moderiert. Er weckt die Kreativität seiner Mitarbeiter, gibt ihnen die Möglichkeit, über sich hinauszuwachsen. In der IT-Branche waren wir schon immer auf einem rasanten Markt unterwegs, ständige Innovationen waren überlebenswichtig. Durch die Globalisierung und die Digitalisierung trifft das heute auf fast jedes Unternehmen in jeder Branche zu. Zu einer Erneuerung benötigt man Leute, die mitdenken. Und man braucht ganz unterschiedliche Mitarbeiter: junge, alte, Frauen, Männer, Deutsche, Migranten – umso gemischter eine Gruppe ist, desto höher ist die Chance, dass sie gute Ideen entwickelt.