Im Kreis Böblingen gibt es einen Schlachthof – aber keine unwürdigen Arbeitsbedingungen, versichert der Chef.

Volontäre: Chiara Sterk (chi)

Fleischwirtschaft - Im Gärtringer Industriegebiet, nahe der Autobahn, liegt der letzte und einzige Schlachthof im Kreis Böblingen. 1994 als Genossenschaft gegründet, versorgt der Betrieb seither den Landkreis mit Fleisch. Der Hof zählt 113 Genossenschaftsmitglieder – sowohl Landwirte als auch Metzger. „Eine einmalige Konstellation“, sagt Schlachthof-Chef Wilhelm Dengler. Dengler selbst lebt in Sindlingen und ist neben seiner Tätigkeit beim Schlachthof Landwirt.

 

Die Genossenschaft selbst versteht sich als Dienstleistungsbetrieb und ist nicht aktiv im Markt. „Der Schlachthof lebt von den Einnahmen aus dem Schlachtbetrieb“, erklärt der Chef. Die Genossenschaft zählt drei Mitarbeiter in Teilzeit, die selbstständige Lohnschlachterei Schäfer aus Gärtringen bringt weitere zwölf Mitarbeiter hinzu sowie Aushilfen: „Und dann sind da noch etwa vier bis fünf Mitarbeiter vom Landratsamt Böblingen für uns tätig, die die Fleischbeschau machen“, so Dengler. Bei der Fleischbeschau werden die Tiere vor und nach der Schlachtung geprüft. „Alle Arbeiter, die wir beschäftigen, wohnen ganzjährig hier und leben alleine oder mit ihren Familien“, betont Dengler. Und fügt hinzu: „Anders als in großen Fleischfabriken, bei denen meist Saisonarbeiter arbeiten, die oft in Massenunterkünften untergebracht sind.“

Das Fleisch kommt aus der Region

Mit seinem Fleisch versorgt der Schlachthof einen Radius von 30 bis 40 Kilometern rund um Gärtringen. „Sowohl die Tiere, die wir schlachten, als auch das geschlachtete Fleisch kommen aus der Region und gehen in die Region“, versichert Dengler. Das Fleisch landet bei umliegenden Selbstvermarktern, wie etwa Metzgereien und Dönerladen-Ketten sowie bei zwei Zerlegebetrieben aus der Region. Daher steht und fällt die Wirtschaftlichkeit des Betriebs mit der Anzahl an Schlachtungen: „Wenn nicht mehr viele Schlachtungen anstehen, sind wir nicht mehr überlebensfähig“, betont Wilhelm Dengler.

Im Gärtringer Schlachthof werden Rinder, Schweine und Lämmer geschlachtet. „Die Landwirte liefern meist die Tiere an und die Metzger holen das geschlachtete Fleisch ab“, erklärt Dengler. Montag, Mittwoch und Freitag wird geschlachtet. Montag und Mittwoch stehen Schweine auf dem Plan, Freitag kommen auch Rinder dazu. Lämmer werden nach Bedarf an den jeweiligen Tagen geschlachtet. „Wir schlachten 60 bis 70 Rinder pro Woche, etwa 80 Lämmer und circa 800 Schweine“, berichtet Dengler. Nachdem die Tiere angeliefert werden, werden sie in den Ställen untergebracht. In den Ställen werden die Tiere nochmals gefüttert und mit Wasser versorgt. „Geschlachtet wird überwiegend nachts, so von 10 Uhr an etwa bis 6 oder 7 Uhr früh“. So können die Metzgereien am frühen Morgen das frische Fleisch abholen.

Hygiene-Maßnahmen wurden verstärkt

Vom Stall gehen die Tiere zur Betäubung. Anschließend wird den Tieren mit einem Stechhohlmesser ein Stich versetzt. Daraufhin verlieren die Tiere Blut, woraufhin der Tod eintritt. Das Blut wird abgefüllt und im Lebensmittelbereich für Blutwurst und Schwarzwurst verwendet. Anschließend werden die Tiere an den Füßen aufgehängt und zur nächsten Station transportiert: der Brüh- und Enthaarungsanlage. Als nächstes kommen die Tiere am Ausschlachtband an. „Dort wird die Bauchdecke geöffnet und die Innereien werden entnommen“, führt Dengler fort. „Bis dahin waren die Tiere am Stück und hier werden Schweine halbiert und Rinder geviertelt, Lämmer bleiben ganz“, so Dengler. Am Ende kommt das Fleisch in den Kühlraum.

„Seit der Coronakrise haben wir die Hygiene-Maßnahmen verstärkt“, erklärt Dengler. Mehr und öfter Hände waschen, Maskenpflicht außer am Schlachtband. „Da geht das nicht, weil das ohnehin schon ein Knochenjob ist“, gibt der Chef zu. Der Mindestabstand zur Infektionsvermeidung von anderthalb Metern werde am Schlachtband sowieso eingehalten.

Einen Fall von Corona gebe es bislang. „Eine Mitarbeiterin war zur Fleischbeschau in einem Großbetrieb in Birkenfeld und hat sich dort mit Covid-19 infiziert“, erzählt Wilhelm Dengler. Dem 63-Jährigen ist es wichtig, die Infektionen in Fleischbetrieben nicht in Verbindung mit dem Fleisch zu bringen: „Das liegt daran, dass zu viele Personen auf zu engem Raum leben“, ist Dengler überzeugt und verweist auf die Massenunterkünfte. „Das können wir hier eben anders machen, hier wohnen alle Arbeiter zuhause.“