Alexander Wehrle, Vorstandschef beim VfB Stuttgart, zeigt sich bei einem Gesprächsabend in Bissingen ganz offen. Die Fans interessieren sich vor allem für Ausstiegsklauseln, Pyrotechnik und das Heranführen junger Talente in die Profimannschaft. Der Boss wünscht sich dagegen Kontinuität im Amt des Präsidenten.

Thomas Hundsdörfer ist glühender Fan des FC St. Pauli und seit 2001 Mitglied des besonderen Kiez-Clubs. Aber als Bissinger hat er natürlich auch eine Verbindung zum VfB Stuttgart. Deshalb saß er an diesem Abend auch gespannt unter den Teilnehmenden im Nebenzimmer der Vereinsgaststätte des FSV 08 Bietigheim-Bissingen. Ältestenratsmitglied Dieter Braun hatte Alexander Wehrle, Vorstandsvorsitzender des VfB Stuttgart, für diesen Abend eingeladen. Und Hundsdörfer wurde nicht enttäuscht. „Es war ein sehr souveräner Auftritt, sehr offen und ehrlich, und ich finde es wichtig, dass der VfB wieder mehr die Nähe zu seinen Fans – auch im Umland – sucht“, sagt Hundsdörfer.

 

Schwieriger Spagat zwischen Verein und Unterhaltungsbranche

Getreu dem Motto „Aus der Region für die Region“ nimmt der Vorstandschef des Bundesligisten immer wieder auch Termine an der Basis wahr. Mal besucht er eine Schule in Esslingen oder wie an diesem Abend eben das Vereinsheim eines Fußball-Oberligisten. Alexander Wehrle steht damit sinnbildlich für die neue Nahbarkeit des VfB Stuttgart, die ihm sehr wichtig ist. „Unser Club steht auch so da, weil sich die Menschen für ihn interessieren, und wir verstehen uns als Kulturgut“, sagt Wehrle. Aus den Gesprächen mit den Anhängern im und auf dem Land nehme er auch immer etwas mit für seine tägliche Arbeit. In der Stadtgesellschaft der Landeshauptstadt sei der Club angekommen – die Spieler sind bei Veranstaltungen wie CSD, dem Weindorf, den Jazz Open oder auf dem Wasen mit dabei, so Wehrle. „Und seit ich da bin, machen wir auch wieder öffentliches Training für die Fans.“

Die Spieler sind im Stadtleben präsent – etwa am VfB-Stand beim Weindorf 2023. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Heute also Bissingen. Eine Art Heimspiel für Wehrle, denn er selbst ist in Bietigheim geboren und in Möglingen aufgewachsen. Er greift sich das Mikrofon und legt einen eloquenten Impulsvortrag hin – ganz ohne Vorlage. Der 49-Jährige weiß, wie er die Menschen mitnehmen muss in die inzwischen wieder erfreuliche Welt der Zahlen des Clubs, der längst die Dimensionen eines Mittelständlers erreicht hat mit einem Umsatz von rund 300  Millionen Euro und 400 Mitarbeitern.

„Aber gerade diesen Spagat zwischen eingetragenem Verein und Teil der Unterhaltungsbranche Fußball hinzubekommen, ist nicht leicht“, sagt Wehrle offen. Ohne sportlichen Erfolg sei alles nichts. Genauso wichtig sei es aber, dabei die wirtschaftliche Existenz nicht zu gefährden. Dabei helfe es auch, dass man die Sponsorenpyramide durch namhafte Firmen aus der Region stabilisiert habe.

Die Bundesliga steht für den VfB Stuttgart an erster Stelle

Wehrle gibt einen Einblick in die strategische Ausrichtung des VfB Stuttgart, der mittelfristig auch das Frauenteam, das aktuell in der 3. Liga spielt, in die Bundesliga führen und sich KI gegenüber nicht verschließen will. Er stellte Bereiche vor, in denen der Club noch weitere Gelder generieren kann. Auf Nachfrage zeigte er sich auch selbstkritisch, was die Integration eigener Nachwuchsspieler angeht: „Es ist uns in den letzten Jahren nicht gut gelungen, die Talente in die Mannschaft einzubauen.“ Deshalb habe man mit Tobias Werner auf die neu geschaffene Position des Übergangsmanagers im Vorstandsressort Sport gesetzt, der gezielt die „jungen Wilden“ auf ihrem Weg in den Profifußball unterstützen soll.

Auch auf die Mehrfachbelastung der Spieler durch inzwischen vier Wettbewerbe geht er ein. „Es ist bislang eine gute Saison. Aber für uns gilt Bundesliga first“, sagt Wehrle. Die Zuhörenden fragten auch zum Thema Ausstiegsklauseln nach. Da sei der VfB Stuttgart als Champions-League-Teilnehmer jetzt in einer anderen Situation und man wolle diese Zusätze in Verträgen möglichst vermeiden. Er bat aber auch um Nachsicht für die Situation einzelner Spieler und brachte das Beispiel von Wataru Endo, der im Sommer 2023 zum FC Liverpool wechselte. „Es war sein Lebenstraum, einmal in der Premiere-League zu spielen. Und soll man das einem verdienten Spieler dann verwehren?“

Menschen kann man nicht „anketten“

Weitere Anliegen waren Pyrotechnik oder die Zukunft von Sebastian Hoeneß. Beim Trainer, dessen Vertrag bis 2027 läuft, habe er das Gefühl, dass „er hier ist, um etwas entstehen zu lassen“, aber natürlich könne man einen Menschen „nicht anketten“. Beim Thema Feuerwerk in Stadien nimmt er eine offene Haltung ein. „Wir müssen da einen gemeinsamen Weg mit den Fans finden“, sagt Wehrle. Solche Botschaften kommen an. „Ich bin sehr froh, dass er beim VfB ist“, sagt Ilona Frank aus Sachsenheim, seit 55 Jahren treue Anhängerin des VfB Stuttgart.

Es ist ein launiger Abend aber bei einem Thema wird der Vorstandschef dann doch ernst. Am 22. März wird beim VfB ein neuer Präsident gewählt. Wieder einmal. Aktuell hat der Ludwigsburger Landrat Dietmar Allgaier als Interimslösung wieder Ruhe in den Verein gebracht. Für die Zukunft hoff Wehrle auf Kontinuität in diesem Amt: „Ich würde mir wünschen, dass der nächste VfB-Präsident seine Amtszeit auch schafft.“

Vom Referenten zum Vorstandsvorsitzenden

Berufseinstieg
Geboren 1975 in Bietigheim-Bissingen und aufgewachsen in Möglingen fand der Diplomverwaltungswissenschaftler schon früh den Weg in die Bundesliga und war von 2003 bis 2013 als Referent des Vorstands beim VfB  Stuttgart tätig.

DFL-Aufsichtsrat
Im Anschluss an seine Zeit beim VfB wurde er beim 1. FC Köln zum Geschäftsführer berufen. Im März 2022 kehrte er zum VfB zurück, um als Vorstandschef die Nachfolge von Thomas Hitzlsperger anzutreten. Zudem ist der 49-Jährige seit April 2022 Aufsichtsratsvorsitzender der DFB GmbH & Co. KG und Mitglied im Aufsichtsrat der DFL Digital Sports GmbH

Privat
Am 3. August 2024 heiratete Alexander Wehrle seinen langjährigen Partner Thomas Kugler auf der Insel Mainau