Die Ermittlungen am Grunde der Ostsee gestalten sich schwierig. Sicherheitsexperten warnen vor voreiligen Schlussfolgerungen. Der Sabotageakt erforderte Insiderkenntnisse und einen enormen technischen Aufwand.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Noch stochert der Generalbundesanwalt bei seinen Ermittlungen zu den gesprengten Ostseepipelines im Trüben. In Sicherheitskreisen kursieren diverse Spekulationen, Gerüchte und nicht verifizierte Berichte zu dem Sabotageakt – manche davon stammen angeblich aus Geheimdienstquellen, sind aber nicht belegt.

 

Was erschwert die Ermittlungen?

Der Tatort am Grunde der Ostsee befindet sich in 70 Meter Tiefe. Auch die Bundeswehr hat keine Taucher, die dort Spuren sammeln könnten. Ihre Experten könnten maximal 54 Meter tief tauchen, so ein Insider. Die deutsche Marine verfüge auch nicht über U-Boote, die mit entsprechenden Kameras ausgestattet seien. „Es ist sehr schwierig, das vor Ort forensisch zu ermitteln“, sagt der Sicherheitsexperte. Aus den beschädigten Pipelines strömte tagelang Gas mit hohem Druck. „Da ist alles verspült“, so der Befund am Unterwassertatort. Das Vorgehen deute darauf hin, dass mit Absicht Spuren verwischt werden sollten.

Die Ermittlungen gestalteten sich auch schwierig, weil im fraglichen Zeitraum, als der Sprengstoff an den Gasrohren angebracht wurde, in der Meeresregion offenbar einige Dutzend Schiffe unterwegs waren, die ihre sogenannten AIS-Transponder abgeschaltet hatten, um eine Identifikation zu verhindern. Das Kürzel AIS steht für Automatic Identification System, ein in der Schiffsfahrt übliches Ortungssystem. Schmuggler und Schleuser verschleiern durch Abschalten dieser Technik ihre kriminellen Aktivitäten.

Worauf deuten die Spuren hin?

Für den Sabotageakt auf dem Meeresgrund mussten 500 Kilogramm Sprengstoff installiert werden. Dazu seien „nicht irgendwelche Hobbyterroristen“ imstande, so ein Sicherheitsexperte. Er sagt: „Das kann keine Operation von kleinen Piraten gewesen sein.“ Die entsprechenden Kenntnisse und technischen Voraussetzungen deuteten auf Spezialeinsatzkräfte oder Nachrichtendienste hin.

Es handelte sich nicht um einen punktuellen Angriff. Die Rohre wurden auf einer Länge von 200 Meter beschädigt, drei von vier dabei zerstört. Unklar ist bis jetzt noch, ob es Zufall oder Absicht war, dass die vierte Pipeline intakt geblieben ist. Falls es Absicht war, könnte das nach Ansicht deutscher Sicherheitsexperten auf eine russische Urheberschaft hindeuten.

Für solche Mutmaßungen gibt es weitere Indizien. So wurden die Rohre in dem fraglichen Abschnitt angeblich ausschließlich von russischen Firmen verlegt, dort sind demnach Ortskenntnisse zu vermuten. Die jetzt ermittelten Spuren in die Ukraine könnten zu finanzkräftigen Hintermännern führen, die Präsident Selenskyj kompromittieren wollten, so heißt es in Berliner Sicherheitskreisen. Über Details der Ermittlungen wird das Parlamentsgremium zur Kontrolle der Geheimdienste an diesem Freitag informiert.