Die Polizei hat eine Gruppierung von Geldautomatenknackern in den Niederlanden ausgehoben. Diese soll im Land 1,8 Millionen Euro erbeutet und 2,7 Millionen Euro Schaden angerichtet haben.

Lokales: Wolf-Dieter Obst (wdo)

Jetzt hat auch mal die Polizei etwas gesprengt – und zwar ein Netzwerk von Bankomat-Bombern. Wie die Landeskriminalämter von Baden-Württemberg und Bayern am Donnerstag in München mitteilten, wurde zu Wochenbeginn in den Provinzen Utrecht und Limburg eine Bande ausgehoben, die für 51 Sprengungen von Geldautomaten in Süddeutschland verantwortlich sein soll. Allein im Südwesten zählen 17 Fälle dazu – mit einer Beute von 1,8 Millionen Euro und 2,7 Millionen Euro Sachschaden. Zwölf Verdächtige waren seit 2021 auf Beutezug im Süden der Republik gegangen.

 

Der erste Fall im Südwesten

Der erste Fall dieser Serie im Südwesten spielte sich am 10. November 2021 in Wolpertshausen (Kreis Schwäbisch Hall) ab. Die letzte der 17 Taten in Baden-Württemberg wurde am 27. Dezember 2022 in Kappel-Grafenhausen im Ortenaukreis verübt. Die Verdächtigen und die Serie konnten über forensische Spuren, etwa genetische Fingerabdrücke, identifiziert werden, so die Ermittler.

Wo die Täter in der Region zuschlugen

Zu der Serie gehören auch Taten in der Region Stuttgart – unter anderem die spektakuläre Sprengung in Neuhausen auf den Fildern (Kreis Esslingen), bei der am 25. November 2022 der Raum, in dem der Geldautomat aufgestellt war, komplett zerstört wurde. Nachbarn filmten noch die in aller Ruhe flüchtenden Täter in einem Audi RS 6 Avant. Die Männer konnten über die Autobahn 8 entkommen.

Weitere Fälle spielten sich in Bad Rappenau-Bonfeld (Kreis Heilbronn), Bondorf, Sindelfingen (Kreis Böblingen), Westhausen (Ostalbkreis) und Gerlingen (Kreis Ludwigsburg) ab. Allerdings: Der spektakuläre Beutezug im Breuningerland Sindelfingen, der jüngst in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ gezeigt wurde, gehört bisher nicht zu den dieser Serie zugeordneten Fällen.

Und immer wieder ein Audi als Fluchtfahrzeug

Die Täter in Bondorf hatten am 14. April 2022 zugeschlagen, morgens um 3.15 Uhr. Sie flüchteten typischerweise in einem dunklen Audi und wurden noch gesehen, als sie in zwei Müllsäcken die Beute raus trugen. Am 9. September 2022 knallte es um 4.30 Uhr auf dem Hans-Thoma-Platz in Sindelfingen. Die Täter blieben ohne Beute, weil der Automat standhielt. Allerdings entstanden Hunderttausende Euro Gebäudeschaden.

Erfolgreicher gingen die Bankomat-Bomber am 22. September in Gerlingen (Kreis Ludwigsburg) ans Werk, als sie gegen 2 Uhr in einem Wohn- und Geschäftshaus an der Hauptstraße zuschlugen. Sie flüchteten in einem Audi mit gestohlenem Karlsruher Kennzeichen. Ebenfalls schneller als Streifenwagen und Polizeihubschrauber waren die Täter am 25. November 2022 um 2.15 Uhr in der Ortsmitte von Neuhausen (Kreis Esslingen) – der bisher letzte Fall in der Region, der ihnen nachgewiesen wurde.

Wer sind die Täter?

Bei den neun Festgenommenen handelt es sich um Männer im Alter von 25 bis 41 Jahren aus dem Raum Roermond in den Niederlanden. Sie sind niederländische, marokkanische, afghanische, türkische und rumänische Staatsangehörige mit Aufenthalt in den Niederlanden und Belgien. Nach drei weiteren Mittätern wird aktuell noch gefahndet. „Einen Kopf der Gruppe haben wir noch nicht identifizieren können“, sagt der Ermittlungsleiter des LKA Bayern, Kriminaloberrat Jürgen Harle.

Höchst gefährlicher Festsprengstoff

Bei der Razzia am Montag wurden mehrere Zehntausend Euro Bargeld, Maskierungsgegenstände, Luxuskleidung und Luxusuhren aufgefunden. In einer Garage stand noch ein mutmaßliches Tatfahrzeug, ein Audi RS 6. Außerdem wurden neun Sprengsätze sichergestellt, die wohl schon für neue Beutezüge vorbereitet worden sind. „Diese Blitzknallsätze mit ihrer hohen Energie sind ein hochbrisantes Gemisch“, sagt der baden-württembergische LKA-Präsident Andreas Stenger. Nicht nur wegen des hohen Gebäudeschadens, sondern auch wegen der Gefahr für Anwohner. Die Staatsanwaltschaft Bamberg, bei der alle Ermittlungen zentral zusammenlaufen, hat nicht umsonst in zehn Fällen den Verdacht eines versuchten Tötungsdelikts. Und am Ende steht auch die Frage im Raum: Sollten die Banken künftig auf Geldautomaten in Gebäuden mit Wohnungen verzichten?

Schon einen Tag später Tag knallt es wieder

Eine Hoffnung hat sich übrigens recht schnell zerschlagen. „Wir hoffen auf einen abschreckenden Effekt und einen spürbaren Rückgang der Fallzahlen“, sagt Bayerns Innenminister Joachim Herrmann. Allerdings: Am Dienstag, nur einen Tag nach der Razzia, sprengten Bankomat-Bomber einen Automaten auf dem Parkplatz eines Supermarkts in Kirchheim/Teck-Nabern (Kreis Esslingen) in die Luft. Auf ihrer Flucht musste ein Polizist zur Seite springen, um nicht von den Tätern überfahren zu werden.