Das Klinikum der Stadt Stuttgart hat die Anwerbung von Osteuropäern und Arabern professionalisiert.  Ausländische Patienten sind lukrativ.

Stuttgart - Ausländische Patienten sind für das städtische Klinikum ein gutes Geschäft. Seit sechs Jahren wirbt das Klinikum gezielt um die Gunst von Arabern und Osteuropäern, um das Defizit abzubauen. Dafür zuständig ist eine International Unit mit drei Stellen, deren Mitarbeiter auf Messen in Dubai, Oman und Kasachstan über die Leistungen des Stuttgarter Klinikums informieren. Die Bemühungen fruchten: Die Zahl der ausländischen Patienten ist von 100 im Jahr 2005 auf 1200 im Jahr 2010 gestiegen - bei 80.000 stationären Patienten insgesamt. Lukrativ sind ausländische Patienten, weil sie ihre Behandlung selbst bezahlen oder Staaten und Firmen für die Kosten aufkommen.

 

Für das Klinikum sind dies wertvolle Einnahmen, die außerhalb des regulären Budgets liegen. Mittlerweile erzielt das Klinikum mit den Kranken aus dem Ausland 5,5 Millionen Euro Umsatz, als Gewinn verbleiben dem städtischen Eigenbetrieb etwa 1,6 Millionen. Bei einem Defizit, das 2009 noch bei 8,9 Millionen Euro lag, ist das ein durchaus nennenswerter Betrag.

Kulturelle Unterschiede im Klinikalltag sind tückisch

Beifall bekommt die Geschäftsführung deshalb selbst vom Personalrat. "Jeder Euro, den die Klinik zusätzlich verdient, nimmt Druck von den Beschäftigten", sagt der Personalratsvorsitzende Jürgen Lux, der allerdings hinzufügt, es wäre ihm lieber, wenn die Einnahmen aus dem deutschen Gesundheitssystem kämen. Klar ist für ihn, dass die kulturellen Unterschiede im Klinikalltag ihre Tücken haben.

So kann es schon mal vorkommen, dass eine Araberin nicht von einem Mann untersucht werden will. Oder dass sich die Krankenpfleger über die große Entourage wundern, die mit dem Patienten angereist ist und im Krankenzimmer ausharrt. Für Andreas Braun, den Chef der International Unit, gehören derlei Episoden dazu: "Man muss den Menschen nur freundlich die hiesigen Regeln erklären." Vieles lasse sich dann auch auf dem kleinen Dienstweg regeln, wie beispielsweise das Wegschaffen der Wodkaflaschen vom Krankenbett. "In den russischen Krankenhäusern herrschen eben andere Gepflogenheiten als in Deutschland", sagt Braun.

Patienten aus der Region haben Vorrang

 Der Personalrat bescheinigt den Verantwortlichen jedenfalls, dass die Verständigung über die Kontinente hinweg gut funktioniere, seitdem eine intensive Betreuung durch die International Unit sichergestellt sei. Auf der onkologischen Station im Olgahospital zum Beispiel liegen die Hygieneregeln längst auch in arabischer Übersetzung vor. Schließlich landen gut ein Drittel der 1200 ausländischen Patienten im Olgäle. Von den 16 Betten in der Kinderonkologie sind meist ein bis zwei von Kindern aus den Emiraten, Kasachstan oder andern Ländern belegt. "Für uns ist es eine Mehrbelastung, aber in der wirtschaftlichen Lage des Klinikums haben wir keine Wahl", sagt der Chefonkologe Stefan Bielack, der sich allerdings das Recht vorbehält, die Behandlung ausländischer Kinder aus medizinischen Gründen abzulehnen, auch wenn sie aus finanzieller Sicht für das Klinikum attraktiv wäre. "Wir reißen die Kinder nicht aus ihrer Umgebung heraus, damit sie in Stuttgart sterben. Das wäre unethisch. Sie sollen durch die Behandlung die Chance haben zu überleben, eine Chance, die sie an einem anderen Ort nicht hätten", so der Chefarzt. Jede Woche geht eine Anfrage in der Onkologie des Olgäle ein, viele aber lehnen die Stuttgarter Mediziner ab, vor allem wenn die Kinder bereits mehrfach behandelt wurden, aber es wiederholt zu Rückfällen kam.

Andreas Braun von der International Unit versichert, dass ein Patient immer nur in Absprache mit dem jeweiligen Chefarzt angenommen werde. Für alle Beteiligten sei klar, dass der Versorgungsauftrag gelte und Patienten aus der Region immer Vorrang hätten. Dennoch kann es im Einzelfall- etwa auf der Intensivstation des Olgäle - durch die Ankunft schwer kranker ausländischer Kinder zu Engpässen und in Urlaubszeiten auch mal zu Verschiebungen im OP-Plan kommen, wie Mitarbeiter berichten, die ungenannt bleiben wollen.

Klinikum präsentiert sich auf ausländischen Medizinmessen

Sie kritisieren zudem, dass bei der Ablehnung eines ausländischen Patienten schon mal die Geschäftsführung auf der Station auftauche und nachfrage, wieso man den Betreffenden nicht aufnehmen könne. Sie wundern sich auch darüber, dass Patienten kommen, die in Dubai genauso gut behandelt werden könnten wie in Stuttgart. Stefan Bielack aber weiß: "Viele arabische Patienten haben mehr Vertrauen in europäische Ärzte als in die eigenen."

Bei der International Unit arbeitet man unterdessen daran, 2011 noch mehr Patienten aus den arabischen Staaten und aus Osteuropa nach Stuttgart zu holen. So wird sich das Klinikum im Mai auf dem Arabian Travel Market in Dubai, auf der größten Medizinmesse in Oman und auch in Moskau präsentieren. Und Andreas Braun wird Unternehmen wie Gazprom in Russland und die Kuwait Oil Company besuchen.

"Persönliche Kontakte sind wichtig, man redet über das Wetter, die Familie und irgendwann auch übers Geschäft", sagt Braun. Wichtig sind aber auch die Kontakte zu den arabischen Botschaften, mit denen abgerechnet wird. In Staaten wie Kuwait, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten gibt es keine Krankenversicherung wie in Deutschland, dort sind es die Gesundheits- oder Verteidigungsministerien, die eine Behandlung im Ausland genehmigen. "Einige Botschaften zahlen schneller als die deutschen Krankenversicherungen", sagt Braun.